Jacob
Ich hätte schwören können, noch platinblondes Haar durch die Tür huschen gesehen zu haben, aber vielleicht war das auch nur eine bescheuerte Einbildung.
Wenige Minuten später ging die Tür erneut auf und Dave, Paul und Chris kamen rein. Die drei waren sicher nicht meine besten Freunde, da konnten sie Mark nicht ausstechen, aber immerhin gingen sie einigermaßen klar.
"Alter, Jake, das war verdammt knapp." Man konnte Dave praktisch ansehen, dass er, was auch immer es war, nicht gerade schlimm fand. "Ferguson hat uns um ein Haar am Arsch gepackt. Aber dieser Nerd..."
"Brad?", sagte ich und setzte mich auf.
"Genau. Der. Der hat uns doch tatsächlich gewarnt. Scheint wohl doch ganz okay zu sein. Dem schulde ich ein Bierchen."
Ich sah, wie er reichlich angetrunken auf sein Bett zuging. Und auch Paul und Chris waren nicht mehr ganz nüchtern. Mir war es immer noch ein Rätsel, wie er so viel Bier reingeschmuggelt haben konnte.
"Nicht, dass es mir nicht vollkommen egal ist, aber ihr solltet vielleicht keins mehr trinken."
"Keine Sorge. Wir sind durch für heute."
Na immerhin niemand, der mir auf's Bettzeug kotzte.Ich wurde erneut aus dem Schlaf gerissen. Dafür, dass ich morgen eigentlich ausnahmsweise mal fit sein wollte und deswegen auf das Treffen am Fluss verzichtete hatte, fühlte ich mich überraschend beschissen.
Doch beim ersten Geräusch war ich sofort wieder hell wach. War es etwa die Person, die mich schon beim ersten mal aus meinem verdammten Tiefschlaf geholt hatte? Das Geräusch eben hatte beinahe geklungen, als hätte jemand ans Fenster geklopft.
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es 3 Uhr nachts war. Ich sah zu den anderen, doch keiner der drei war da.
Was auch immer die gerade für Scheiße bauten, es war besser, wenn ich zumindest schon mal wusste, was mich am Morgen erwarten würde.
Also zog ich mir eine Shorts und ein T-Shirt über und ging leise nach draußen. Das Gras war nass vom Tau. Ich versuchte, so genau wie möglich hinzusehen und dann sah ich die drei am Steg. Was zur Hölle machten die da?
Ich lief zu ihnen hinüber und dann fiel mir auf, dass sie eine der Luftmatratzen aus den Hütten hielten. Bei genauerem Hinsehen konnte man dann auch erkennen, dass jemand darauf lag - und noch schlief.
Ich hatte den Steg erreicht, als die Matratze bereits im Wasser lag. Das war einer der übelsten, aber lustigsten Streiche, die ich kannte.
"Wen habt ihr da?", flüsterte ich. Hinter mir kam jemand angerannt und blieb keuchend neben mir stehen.
"Ihr holt sie sofort wieder rein." Es war ausgerechnet Christina.
"Upps.", sagte Paul und stieß die Matratze vom Ufer ab. Die Strömung war schwach, aber die Matratze bewegte sich langsam vom Steg weg.
Noch jemand kam angerannt. Miranda, die mit der roten Lockenmähne.
"Ihr Vollidioten! Sie kann nicht schwimmen. War das deine Idee?", fragte sie mich wütend.
"Neee, der hat doch nichts in seiner Hohlbirne. Da sind wir ganz von allein drauf gekommen.", sagte Dave und tippte sich stolz an seinen Idiotenschädel.
Langsam dämmerte mir, wer da auf der Matratze lag. Man hörte sogar, wie Cloe wach wurde, denn sie keuchte erschrocken auf und fiel mit einem lauten Klatschen ins Wasser.
"Ist auch egal, ob sie schwimmen kann. Sie hat ja genialerweise die Matratze.", sagte Dave. Er schien wirklich stolz auf seinen wahnsinns Einfall zu sein. Im Mondlicht konnte man sehen, wie Cloe sich mit einem Arm auf der Schlafunterlage überwasser hielt und panisch ein und ausatmete.
Dennoch beunruhigte mich etwas. Wie konnte sie bis eben überhaupt nicht wach werden? Sie war schon öfters eingeschlafen, einfach so und extrem tief. Langsam wurde mir etwas klar. Cloe war auch schon in Ohnmacht gefallen. Einmal vielleicht kam sie mit Zuckermangel durch, aber ab dem zweiten Mal war es auffällig geworden.
Ich sah zu Cloe hinüber, deren Arm die Matratze hinabrutschte.
"Cloe!", rief Miranda.
Plötzlich war mein Verstand glasklar. Ich wusste, was sie hatte. Und was jetzt gerade mit ihr passierte.Augenblicklich rannte ich den Steg entlang und hechtete einige Sekunden, nachdem ihr Kopf untergegangen war, ins Wasser. Innerlich betete ich, man könnte sie Unterwasser noch finden, doch ihr helles Haar war wie ein Leuchtfeuer im Mondlicht, das durch die Wasseroberfläche brach. Sie war bei vollem Bewusstsein und sah mich sogar an, nur bewegen konnte sie sich nicht. Ihre blasse Haut sah im fahlen Licht beinahe gespenstisch aus, während ihre platinblonden Strähnen wie ein Schleier um ihr Gesicht waberten. Ihr erschrockener Gesichtsausdruck und der zum Schrei geöffnete Mund machten sogar mir Angst. Ich griff nach ihrer Hand. Ihr entwich panisch ein letzter Strom Luft. Ich zog sie zu mir heran und griff sie unter den Armen. Als wir wieder die Oberfläche erreichten, schnappte sie augenblicklich auf. Cloe konnte sich immer noch nicht bewegen, also zog ich sie mit dem Rücken zu mir und schwamm mit ihr rückwärts zum Ufer, wo ich sie anhob und ins Trockene absetzte.
Miranda und Christina waren sofort bei ihr und hockten sich zu mir.
"Ich hol' ihr eine Decke.", sagte Christina und rannte in Richtung Hütte. Cloe holte immer noch tief Luft.
"Cloe? Hey! Was ist mit ihr? Warum kann sie sich nicht bewegen?", fragte Miranda.
Ich sah Cloe an. Ich wusste, was sie hatte, jedenfalls war ich mir da ziemlich sicher. Aber vielleicht lag ich vollkommen daneben und machte ihr nur unnötig Angst.
"Ich habe nur so einen Verdacht, aber es könnte tausend Gründe haben. Vielleicht nur eine Panikattacke wegen des Wassers."
"Du weißt von ihrer...?" Rotlöckchen sah mich verdutzt an.
"Ja, sie hat's mal erwähnt."
"Hey mann, das wollten wir nicht. Wir fanden es nur einfach lustig...", sagte Chris.
"Ist doch gerade scheiß egal. Ihr holt ihr jetzt ihre Matratze zurück, okay?", sagte ich bestimmt. Was mit den Dreien passieren sollte war Cloes Entscheidung, da wollte ich mich gar nicht erst einmischen.
Sie richtete sich schließlich stöhnend auf. Christina kam gerade mit einer Decke und legte sie Cloe um die Schultern.
"Danke.", flüsterte sie Christina zu. "Dir auch.", sagte sie und sah mich an.
Ich zuckte mit den Schultern, weil mir gerade nichts besseres einfiel. "Keine Ursache."
"Nein, wirklich." Sie fasste mich am Bein und sah mich ehrlich dankbar an. "Wärst du nicht so schnell da gewesen, hätte die Strömung mich wahrscheinlich mitgerissen."
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A Little Dream of You
RomansDie 17-jährige Cloe müsste eigentlich glücklich sein. An ihrer High School gibt es nun eine Theater-AG und dann wird auch noch für ihr Lieblingsstück gecastet: Romeo und Julia - Das einzige, was ihr Vater dagelassen hatte, bevor er kurz vor ihrer Ge...