An den Bäumen, die das alte, gusseiserne Schultor säumten, wartete Ian.
Mir wurde gleich noch etwas wohliger im Bauch, als ich vor ihm stand und er mir dieses Lächeln schenkte, was man sonst nur selten an ihm sah.
"Hey, Hübsche.", sagte er leise.
"Hey, Hübscher.", antwortete ich.
Ian streichelte mir durchs Haar und hinterließ ein warmes Prickeln auf meiner Wange. Er beugte sich vor und küsste mich so federleicht, dass die Wunde an meiner Lippe nicht mal zwickte und allein diese Zärtlichkeit jagte mir einen Schauer über den Rücken.
Wie von allein hatten sich meine Hände in seine weichen Haaren vergraben. Gott, sie schienen regelrecht zwischen meinen Fingern zu zerfließen.
Bei Bedarf musste ich ihn dringend nach seiner Haarpflege fragen.
Ian löste sich wieder von mir und erweckte das unwiderstehliche Drängen, die kleine Lücke zwischen unseren Lippen wieder zu schließen.
Offenbar konnte man mir das ansehen, denn ein kleines, spöttisches Lächeln stahl sich auf seine Lippen.
"Nicht, dass das hier es mir nicht wert wäre, aber ich befürchte, Ferguson würde sich nicht über unsere Verspätung freuen."
Ich nickte seufzend und hakte mich bei ihm unter."So meine kleine Kampfmaschine, wie lief es beim Arzt?", fragte Ian und sah mich an.
"Tausend Untersuchungen. Sie werten noch die Ergebnisse aus dem Schlaflabor aus, aber es ist wahrscheinlich, dass ich Narkolepsie habe." Ich sah zu ihm herüber und für einen ganz kleinen Augenblick war es, als könnte er mir nicht in die Augen sehen. War das etwa Schuldbewusstsein?
Aber da war dieser Augenblick auch schon wieder vorrüber.
"Und wie geht's dem Kiefer? Sieht nicht mehr so grün aus.", sagte er, als wäre nichts geschehen. Ich verdrängte den Moment eben einfach. Ich war so grottenschlecht darin, die Gefühle anderer zu lesen, also hatte ich mich höchstwahrscheinlich geirrt.
"Ein hoch auf Camouflage.", witzelte ich. "Sonst hätte die Hälfte meines Gesichts ausgesehen wie der Grinch."
"Was auch immer Camouflage ist...", murmelte Ian, ehe wir durch die Haupttür der Aula traten.
Dort herrschte ein riesiges Gewusel.
Und unter anderem erblickte ich Christina, die auf uns zukam.
In meiner Brust machte sich ein beklemmendes Gefühl breit. Miranda meinte, mein Verdacht wäre richtig. Das bedeutete, Christina hatte mich verraten. Schlimmer noch: So wie es aus Mirandas Mund klang sogar mit Absicht."Hey, Chrissi.", sagte Ian höflich, aber nicht zu überschwänglich. Warum hielt er sich zurück? Doch nicht etwa meinetwegen? Ian wusste nichts von meinen Anschuldigungen. Er wusste nur, dass Miranda und ich sie mieden. Warum also behandelte er sie, als säße er auf heißen Kohlen?
"Hey, Cloe.", sagte Christina vorsichtig, als würde sie testen, wie ich reagierte. Eine Reaktion konnte sie haben.
"Bye, Christina.", sagte ich kalt und zog an ihr vorbei.
Ich lief auf Miranda zu, die uns wohl beobachtet hatte und Christina noch einen letzten bösen Blick hinterher warf. Ian ging zu einer anderen Gruppe.
"Das sie sich das noch traut. Vor dir...", murmelte sie eher zu sich selbst als zu mir.
"Was denn?", fragte ich. "Wegen des Geheimnisses, das sie verraten hat?"
Miranda schwieg.
"Ganz ehrlich, ich kann es gewissermaßen verstehen. Sie hasst Jacob, allein schon, weil er sie so eiskalt abservieren wollte. Sie hat nur nicht beachtet, dass er dafür MICH zur Verantwortung ziehen könnte."
"Doch.", sagte Miranda und hielt mich vor dem Umkleideraum an, wo es bisher leer war. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie das SEHR WOHL beachtet hat."
"Wie meinst du das?"
"So wie ich es sage. Sie hat gewusst, was für Schlussfolgerungen Jacob daraus ziehen würde."
"Du meinst, sie wollte mir damit schaden? Also erfolgreich war sie damit nicht, denn Jake hat mir ziemlich schnell geglaubt, dass ich unschuldig bin."
"Ja, darüber reden wir ein andern Mal."
"Warum genau denkst du, will sie MIR schaden? Ich hab doch nichts getan. Und wie kommst du da drauf."
"Hör mal." Miranda fasste mich an beide Schultern und sah mir eindringlich in die Augen. "Sie hat etwas getan, was ich einfach als unfassbar dämlich abstempeln würde, wenn da nicht gewisse andere... Zeichen wären."
"Warum sagst du es mir nicht einfach."
Miranda seufzte. "Ich will dich nicht verunsichern."
"Das verunsichert mich jetzt nur noch mehr.", sagte ich aufgebracht.
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A Little Dream of You
RomanceDie 17-jährige Cloe müsste eigentlich glücklich sein. An ihrer High School gibt es nun eine Theater-AG und dann wird auch noch für ihr Lieblingsstück gecastet: Romeo und Julia - Das einzige, was ihr Vater dagelassen hatte, bevor er kurz vor ihrer Ge...