Fast hätte ich beide Aufführungen ohne Schaden überstanden. Bei der Dernière fiel es mir kaum schwer, wieder einen auf Romeo und Julia zu machen. Ich will nicht lügen, die Küsse waren für mich nicht bedeutungslos, sie taten auch ziemlich weh. Aber ich zwang mich dazu, einen gewissen Grad der Professionalität zu bewahren. Das gelang mir auch ziemlich gut, bis zu unserer letzten Szene. Jake, alias Romeo, war sterbend neben mir zusammengesunken. Ich wachte auf und spielte die trauernde Ehefrau, wie ich es schon zig Mal getan hatte. Und kurz bevor ich mich selber erstach, war es Zeit für den letzten Kuss. In diesem Augenblick wurde mir bewusst, dass es auch Jakes und mein letzter Kuss war. Und wenn er nicht für ihn echt war, dann war er es zumindest für mich. Genauso echt, wie die Träne, die jetzt meine Wange hinunterlief. Als sich unsere Lippen berührten, meinte ich, er würde mir um wenige Milimeter entgegenkommen. Das war so nicht geplant, immerhin war er eigentlich tot. Ich löste mich von ihm und sah ihn für einen kurzen Augenblick verwirrt an. Dann wurde mir bewusst, dass uns 200 Menschen zusahen und ich sprach meinen Text zu Ende und erstach mich. Meine Mitschüler spielten die Szene um uns zu Ende und die letzten Worte wurden gesprochen. Das Bühnenlicht wurde ausgeschaltet, für einen Moment war alles stockdunkel und schallender Applaus ertönte. Ich spürte, wie Jake neben mir sich aufrichtete und nach etwas tastete. Als er meine Hand erfühlte, drückte er sie einmal kurz, dann half er mir hoch. Das Licht ging wieder an und die Schüler versammelten sich auf der Bühne. Jake sah mich an und ich zwang mich dazu, sein Lächeln zu erwidern, während ich mir die Tränen aus dem Gesicht wischte und versuchte, seine Hand in meiner zu ignorieren. Es war vorbei, endgültig und unwiderruflich vorbei.
Jake und ich machten uns auf den Weg zu seinem Auto - er in Hemd und dunkler Hose und ich in einem dunkelgrünen, knielangen Kleid. Wir hatten beide schicke Kleidung mit zur Aufführung genommen, um uns gleich für die Party bei Robert und Meridith umzuziehen. Über uns schien sich ein Unwetter zusammenzubrauen. Wie passend.
"Bist du traurig, weil es vorbei ist?", unterbrach Jake meine Gedanken.
"Was?", fragte ich erschrocken und dachte kurz, ich hätte laut über meine Gefühle gesprochen.
"Das Theater.", setzte er nach.
Ich atmete erleichtert aus. "Ja, schon ein bisschen." Jake wollte darauf etwas erwidern, dass ertönte jedoch ein Summen aus seiner Hosentasche. Er tippte auf etwas an seinem Handy und hielt es sich ans Ohr. Eine Sprachnachricht. Währenddessen gingen wir zum Auto und stiegen ein. Schließlich legte Jacob das Handy beiseite.
"Schlechte Neuigkeiten: Mum hat ihrem Vater noch nichts erzählt, weil er noch nicht da ist und jetzt hocken sie alle im Haus und warten auf uns."
"Und dann erst lässt sie die Bombe platzen. Klasse.", murmelte ich.
Jake griff nach meinem Knie und ich musste eine Schauer unterdrücken. "Mach dir keine Sorgen, im Zweifelsfall schleuse ich dich raus."
Ich zwang mich erneut zu einem Lächeln, dann fuhren wir los.
Als wir ankamen, hatte sich die gesamte Sippe gerade versammelt. Meridiths Vater John entpuppte sich als griesgrämiger alter Mann in elitärer Kleidung. Roberts Vater hingegen, mein Großvater, oder Coopey, wie ihn alle nannten, war drolliger Senior mit lauter Lachfalten und einem schelmischem Blick, als wäre er drauf und dran, jemanden auf den Arm zu nehmen. Rob und Meridith hatten beide keine Mutter mehr. George und Amelia, Meridiths Schwester, waren auch da. Während George mich freundlich begrüßte, kassierte ich, genauso wie ihre Schwester, nur giftige Blicke von Amelia.
Als wir schließlich alle am großen Esstisch saßen, ich zwischen Coopey und Jake, ergriff Meridith das Wort. "Robert und ich möchten euch gerne etwas Wichtiges mitteilen."
Ich merkte, wie Coopey sich zu mir herüberbeugte und mir zumurmelte: "Was hat diese Familie nur immer damit, wichtige Ankündigungen beim Dinner zu machen."
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A Little Dream of You
RomanceDie 17-jährige Cloe müsste eigentlich glücklich sein. An ihrer High School gibt es nun eine Theater-AG und dann wird auch noch für ihr Lieblingsstück gecastet: Romeo und Julia - Das einzige, was ihr Vater dagelassen hatte, bevor er kurz vor ihrer Ge...