Ausgeplaudert... oder über Romeos Beziehung

61 4 0
                                    

Es war bereits Sonntag Abend und die AG hatte sich nach einer letzten Probe hier im Camp vor dem Bus versammelt, um die Taschen zu verstauen und plaudernd auf die Lehrer zu warten.
Mir lag die Radtour zum Kletterpark und das Rumgehangel deutlich in den Knochen und ich hievte mich etwas schwermütig den Hügel hinauf zum Parkplatz.
Mir kamen noch einige Leute entgegen, die tuschelnd an mir vorbei huschten. Irgendwas lag in der Luft, das konnte man praktisch spüren.
Gerade passierte ich ein Laubbaumgebüsch, als mich jemand von hinten am Arm packte, hineinzog und gegen einen Baum drückte.
"Ich schwöre dir, Williams, wenn das auf deinem Mist gewachsen ist, war es das Letzte, was du getan hast."
Jacobs braune Augen sahen wild und wütend aus. Oha, er schien mächtig sauer zu sein.
"Wovon redest du bitte?", fragte ich genervt und hätte mir am liebsten über den Kopf gerieben, der gegen das Holz geknallt war.
"Hör mal, dass das mit deiner Wasserphobie raus ist, tut mir Leid, aber das kam nicht von mir. Das gibt dir nicht das Recht, einfach Geheimnisse auszuplaudern. Wir hatten einen Deal.", seine Stimme klang kontrolliert, aber immer noch stinksauer.
"WAS?", sagte ich beinahe schon hysterisch. "Ich hab rein gar nichts ausgeplaudert."
"Ach, und warum gehen seit neuestem Bilder von meiner Polo-Mannschaft rum?" So pissig war er schon lange nicht mehr gewesen, dabei war es dieses Mal nicht mal meine Schuld.
Erst jetzt wurde mir bewusst, wie unglaublich nahe sein Gesicht meinem war, wie ich schon fast die Hitze seiner brodelnden Wut auf meiner Haut spüren konnte.
Ich atmete einmal tief ein, reckte mein Kinn und sagte so ruhig, wie ich nur konnte: "Es tut mir wirklich Leid, dass das rausgekommen ist, aber ICH habe es niemandem erzählt. Ich habe es dir versprochen und ich halte meine Versprechen. Immer!"
Jetzt wirkte Jacob schon etwas verunsichert. Jedenfalls ließ er mich endlich los, woraufhin ich mir über den Arm rieb, den er die ganze Zeit abgeklemmt hatte und der bestimmt schon abgestorben war.
"Ach ja? Und wer soll es sonst gewesen sein? Väterchen Frost oder was?"
Ich ließ meine Arme fallen und seufzte genervt. "Was weiß ich denn?! Nimm's mir nicht übel, aber es gibt eine Menge Leute, die dich nicht ausstehen können. Man muss dich doch einfach nur googeln und schon findet man irgendein Vereinsfoto von der Weihnachtsfete zweitausend-hau-mich-tot mit dir drauf. Da muss man einfach nur die richtige Idee haben und schon..." Ich verstummte, denn mir war gerade selbst eine Idee gekommen.
"Und was? Weißt du, wer es war?" Jacob schien richtig scharf drauf zu sein, den Verantwortlichen zu finden. Aber ich konnte ihm gerade nicht sagen, was mir durch den Kopf ging. Da musste ich mir erstmal selber sicher sein, bevor ich irgendjemanden an den Galgen lieferte.
"Nein, keine Ahnung. Aber wenn ja, sag ich's dir vielleicht." Er sah mich bitterböse an. "Jetzt mach dir nicht so einen Kopf, du Grummelbär. Glaub mir, die meisten Mädchen stehen auf Polospieler. Mag sein, dass es an deinem kriminellen Ego kratzt, aber dem Bild eines elitären Arschloches pflichtet es nur weiter bei."
Damit ging ich zum Bus. Eigentlich hatte ich mich gar nicht so genau darauf fixiert, was ich zu ihm sagte. Hauptsache, ich wimmelte ihn so schnell es ging ab, um der Sache nachzugehen, die all meine Gedanken einnahm: Es gab eine Person, die auf jeden Fall die richtige Idee gehabt haben konnte.

Jacob

Noch als wir vor der Schule waren, musste ich über das nachdenken, was Cloe gesagt hatte.
Erstens glaubte sie ernsthaft, ich hätte eine kriminelle Ader und zweitens hatte sie mich ein 'elitäres Arschloch' genannt.
Andererseit beschäftigte mich aber auch, ob etwas dran war. Traf ihre Beschreibung zu? War ich das? So ein High-Life-Schnösel, der sich für etwas besseres hielt?
"Hey! Hey mann, Jake!?" Mark stieß mich an. Er saß auf dem Beifahrersitz meines Wagens - Mark hatte mit ein paar Kumpels an der Schule rumgelungert und dann einfach auf mich gewartet, um sich das U-Bahn-Ticket zurück zu sparen. "Willst du auch mal losfahren oder vor der Schule übernachten?"
"Ähm, nein. Klar mann. Ich hab nur grad über das nachgedacht, was jemand über mich gesagt hat."
Irgendwie bestand die bescheuerte Regel in der Männerwelt, man sollte mit Freunden nicht über Gefühle reden. Bei Mark und mir war dieser Kodex schon seit Jahren als Schwachsinn abgetan worden. Wenn man mit Freunden nicht über seine Probleme reden kann, ist die Freundschaft eh Bullshit.
"Geht's um die Polo-Sache?", fragte er. Ich sah ihn überrascht an. "Hat sich schnell rumgesprochen. Tut mir echt Leid, mann."
"Ja, äh, nein. So halb."
"Mal abgesehen von dieser Polo-Sache: Seit wann kümmert es dich, was andere über dich denken?"
'Seit wann kümmerte es mich, was Cloe Williams über mich dachte' wäre wohl die bessere Frage gewesen. Aber darüber musste ich mir erstmal selber im Klaren sein.
"Bin ich ein elitäres Arschloch?", fragte ich also direkt heraus.
Mark schien damit kurz überfordert. "Ähm, okay, wer hat dir das denn bitte vorgeworfen?"
"Ist doch egal. Beantworte bitte einfach meine Frage."
"Nein! Natürlich bist du das nicht, mann. Wärst du ein elitäres Arschloch, würdest du dich mit der Créme de là créme der Gesellschaft abgeben, und nicht mit so jemandem wie mir. Und für gewöhnlich ist es einem elitären Arschloch auch nicht unagenehm, zuzugeben, dass er einen elitären Sport betreibt. Hier, diese Williams: Die ist ein elitäres Arschloch."

A Little Dream of YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt