Kapitel 3

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"Mr. Kennedy hat Ihnen das zukommen lassen.", die Haushälterin streckte mir einen in der Mitte gefalteten Zettel entgegen. Ich griff danach und öffnete ihn. Darauf standen alle Daten für den Termin bei der Frauenärztin. Er hat es wirklich geschafft innerhalb von einem Tag einen Termin zu bekommen. Auf dem Zettel stand als Zeitpunkt zwei Uhr nachmittags. Als ich meine Armbanduhr checkte, merkte ich dass es bereits 13 Uhr war.

"Wenn Sie möchten, begleite ich Sie natürlich. Aber wir wissen beide, wer eigentlich dabei sein sollte.", meinte Mrs. Rodriguez und strich über meine Schulter. Ich presste meine Lippen aufeinander und starrte auf den Zettel. "Ich werde ihn fragen.", entschloss ich mich. Die Haushälterin grinste und verschwand wieder aus meinem Zimmer.

Ich zog mich schnell um während meine Gedanken woanders waren. War ich schwanger oder nicht? Was werden die Ergebnisse sagen?
Nachdem ich in eine Jeanshose und in ein dunkelrotes Oberteil geschlüpft war, verließ ich mein Zimmer und machte mich auf den Weg nach unten. Nervosität begleitete mich wie jeden Tag, aber heute war es besonders schlimm. Unten zog ich meine Jacke und meine Schuhe an. Liam war gerade im Wohnzimmer und telefonierte, was ich bis hier her hörte. Ich schluckte meine Angst herunter und ging zu ihm. Genau als ich im Türrahmen stand, legte er auf und steckte sein Handy in die Innentasche seines schwarzen Anzugs. Er stand mit dem Rücken zu mir und schaute aus dem Fenster. Ich räusperte mich, um mich bemerkbar zu machen. Sofort drehte er sich um und schaute mich mit diesem einfühlsamen Blick an.

"Liam ich ..", mein Blut raste so schnell, dass ich es schon fast hören konnte. "Ich wollte dich fragen, ob du mich zur Gynäkologin begleiten möchtest?", fragte ich zurückhaltend. Der positive Schock in seinem Gesicht war nicht zu übersehen. Damit hatte er wohl nicht gerechnet. Mit schnellen Schritten kam er auf mich zu, aber blieb mit genug Abstand vor mir stehen. "Ja, natürlich.", antwortete er und holte sein Handy heraus. Er rief jemanden an und wartete.

"Sagen Sie bitte all meine Termine für heute ab. Danke.", nach diesem Satz legte er sofort wieder auf und steckte sein Handy wieder in die Innentasche. Er war ein viel beschäftigter Mann, vor allem nachdem er nach der langen Pause wieder in die Arbeit gegangen war. Und jetzt hatte er einfach alle Termine abgesagt, was mir zeigte wie sehr ich ihm am Herzen lag.
"Gehen wir.", schlug er vor und deutete mit seinem Arm zur Haustür. Ich nickte und bewegte mich nach draußen. Dort öffnete Liam wie immer zuerst die Beifahrertür für mich und lief dann ums Auto herum zu seiner Seite. Er startete den Motor und die schweigsame Fahrt begann.

Wir saßen im Besprechungszimmer gegenüber der Ärztin, die noch etwas in ihren PC tippte. Ihr Schreibtisch war aus Milchglas und das Regal hinter ihr war mit Büchern überfüllt. Die Dinge auf ihrem Tische waren alle im gleichen Abstand geordnet.

Als wäre meine Anspannung nicht schon groß genug, quälte sie mich mit der Stille im Raum. Nervös spielte ich mit meinen Fingern auf meinem Schoß. Das Ticken der Uhr erschallte laut in dem ruhigen Raum und mit jeder Sekunde die verging drohte ich innerlich zu platzen.

"Ms. Thompson ich würde gerne mit Ihnen sprechen, bevor Sie die Testergebnisse erfahren.", endlich fing sie an zu sprechen und legte ihre Brille ab. Ich runzelte meine Stirn, weil ich mich fragte was sie sagen wollte. "Daher würde ich Sie bitten den Raum für einen Moment zu verlassen, Mr. Kennedy.", fügte sie hinzu und lächelte mehr oder weniger freundlich. Ich überlegte, ob ich etwas sagen sollte oder nicht, aber als Liam bereits schweigend aufgestanden war und das Zimmer verlassen hatte, war es zu spät.

"Ich wollte, dass Ihr Freund das Zimmer verlässt, weil es Befunde gibt die keine guten Anzeichen sind.", erklärte Dr. Wood mit einfühlsamer Stimmlage. Ich ahnte schon was sie gleich sagen würde. Weiterhin schweigend saß ich auf diesem Stuhl und bekam kein Wort heraus. "Ich fange Mal so an ...", die Ärztin räusperte sich, "Behandelt ihr Freund Sie nicht gut?" Meine Vermutung war richtig, die Frau wollte auf die Vergewaltigung hinaus. "Doch.", stotterte ich und hasste mich innerlich dafür, weil meine Antwort dadurch gelogen erschien.

"Die Untersuchung zeigt Verletzungen in ihrem Intimbereich auf, Ms Thompson. Und diese Verletzungen lassen auf eine Vergewaltigung schließen.", sie sagte das alles so knallhart, aber andererseits mitfühlend und mit ruhiger Stimme. "Wenn Mr. Kennedy Sie schlecht behandelt, sagen Sie es mir. Mit nur einem Knopfdruck sind in weniger als einer Minute Sicherheitskräfte hier, die ihn abführen.", ich war überrascht von ihrem Einsatz und ihrer Hilfsbereitschaft, aber sie weckte alle Erinnerungen in mir mit ihren Worten. Mir wurde plötzlich alles zu viel und ich spürte wie die ersten Tränen meine Wangen hinunter liegen. Ich senkte meinen Blick und versuchte die Bilder aus meinem Kopf zu bekommen.

"Das deute ich als ein ja.", meinte Mrs. Wood und schnaufte aus. "Nein!", hielt ich sie auf, bevor sie den besagten Knopf drücken konnte. Ich schaute in ihre Augen und schüttelte meinen Kopf. "Liam trifft keine Schuld. Er hat mir das nicht angetan.", erzählte ich und wischte meine Tränen weg. "Wer war es dann?", hackte sie nach und legte ihre Hände auf den Tisch. "Bitte rufen Sie Liam wieder herein. I-Ich kann das nicht alleine.", mir wurde klar was für eine Unterstützung Liam für mich war. Damals in der Lagerhalle blieb er bei mir stehen, obwohl mir klar war wie gern er Dexter und Archibald verprügeln wollte. Er blieb bei mir und schütze mich, wie er es jeden Tag macht. Auch wenn er mir einfach nicht zu nahe kommt. Er hatte all meine Entscheidungen respektiert. Ich wollte in einem eigenen Zimmer schlafen. Ich wollte in der nächsten Zeit mit keinem Mann reden. Ich wollte, dass er Abstand zu mir hält. Und ich wollte Ruhe von allem. Liam hatte das alles erfüllt und respektiert. Er war mein helles Licht in der Dunkelheit. 

"Wie Sie wünschen.", Dr. Wood klickte mit ihrer Maus und kurze Zeit später öffnete eine Krankenschwester die Tür und bat Liam herein. Ich sah ihm sofort an, dass er nicht wusste wie er sich verhalten sollte. Er wusste sicherlich auch, was die Ärztin vermutet hatte.
Liam setzte sich neben mich und ich glaubte sein Herz pochen zu hören. Er war genauso aufgeregt und nervös wie ich. "Nun, Mr. Kennedy Ihre Freundin wollte das Gespräch nicht ohne Sie führen.", informierte die Frau meinen Freund. Sein Blick wanderte sofort zu mir und dann wieder zu der Ärztin. "Sie beide wissen bestimmt, das solche Handlungen polizeilich verfolgt werden müssen.", redete sie weiter. "Natürlich wissen wir das und es ist auch schon geschehen.", antwortete Liam und erleichterte mir so den Aufenthalt in diesem Raum. Ich schaute zu ihm rüber und musterte sein Seitenprofil. Der Bart war gepflegt und frisch gestutzt, seine Haare waren wie immer zur Seite gestylt.

"Waren Sie auch schon bei einer Gynäkologin?", fragte sie weiter. "Ja.", ließ ich sie wissen und schaute in ihre dunklen Augen. "Warum steht dann nichts in ihrer Akte?", so langsam nervten mich ihre ganzen Fragen. Ich war hier, um zu erfahren ob ich schwanger war oder nicht. "Dr. Wood meine Frau hat sehr schwere Zeiten hinter sich, die wir jetzt nicht detailliert aufgreifen wollen. Die damalige Gynäkologin wurde beauftragt, alles geheim zu halten und Sie werden auch dazu gebeten. Es ist besser, weil sonst jeder Arzt unangenehme Fragen stellen würde, die Alice nicht beantwortet möchte.", wie hatte ich nur so jemanden wie Liam verdient? Plötzlich bereute ich es, wie sehr ich ihn in den letzten Wochen behandelt hatte. Er war immer da für mich und ich hatte ihn von mir weg gestoßen.

"Ich verstehe. Es tut mir leid, falls ich Sie verletzt habe. Aber es ist nun mal meine Pflicht den Frauen zu helfen, die solch ein Schicksal erlitten haben. Und selbstverständlich werde ich diese Informationen streng vertraulich behandeln.", entschuldigte sie sich bei mir.
"Bitte geben Sie uns nun Auskunft darüber, weswegen wir eigentlich hier sind.", forderte Liam mit angespannten Unterton, den ich sofort wahrnahm.

"Ms. Thompson Sie sind nicht schwanger.", ein riesiger Stein fiel von meinem Herzen, sodass man den Aufprall auf dem Boden schon fast hören konnte. Riesige Erleichterung machte sich in mir breit. Ich atmete laut aus und schaute zu Liam hinüber, der ebenfalls erleichtert zu mir sah. Er legte seine Hand auf meine und schenkte mir Kraft.

Wir verabschiedeten uns von der Ärztin und verließen das Besprechungszimmer. Liam ging dicht neben mir und versuchte unauffällig jeden Mann, der mir zu nahe kam wegzudrängen. Er öffnete die Ausgangstür für mich und wir gingen zum Auto. Dort öffnete er ebenfalls die Beifahrertür für mich und wartete bis ich Einstieg. Aber ich stand da und schaute ihn einfach nur an. Für ihn war es so selbstverständlich mich nicht anzufassen und mir meinen Freiraum zu lassen. Er tat alles für mich und ich war gerade so glücklich und erleichtert, dass ich ihn an meiner Seite hatte.

Wie aus dem nichts umarmte ich ihn und legte meinen Kopf an seine Brust. Liam war überrumpelt und legte nach kurzem Zögern ebenfalls seine Arme um mich. Ich fing an zu weinen, weil alles über mich kam. Ich war Liam sehr dankbar und wollte ihn gerade einfach nur spüren. Ich sog seinen angenehmen Duft ein, den ich so lange nicht mehr gerochen hatte und schluchzte. Er drückte mich näher an sich heran und umklammerte mich so fest, als würde er mich nie wieder loslassen wollen.

You're my bright light in the darkness - Band 2 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt