Kapitel 39

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"Alice warte!", schrie Liam und kam mir hinterher. Der Regen prasselte bereits auf mich herab und durchnässte meine Klamotten vollkommen. Ich blieb nicht stehen und ging weiter fort von hier. "Bitte!", rief er nun mit einer Qual in seiner sonst so glücklichen Stimme.

Meine Beine blieben stehen und ich drehte mich auf meinen Füßen zu ihm um. Er stand noch unter dem kleinen Dach, aber trat nun hervor und ließ somit zu, dass der Herbstregen auch auf ihn prasselte. Seine Haare hingen ihm nun in der Stirn und sein Hemd war vollkommen durchnässt, aber sein Blick galt nur mir. Liam kam auf mich zu, bis er nur noch einen Meter vor mir stand und ich meinen Kopf ein wenig in den Nacken legen musste, um in seine Augen sehen zu können.

"Warum?", hauchte er mir zu. Seine Augen verdunkelten sich und Ratlosigkeit machte sich in seinem Gesicht breit. Ich wusste nicht was er von mir hören wollte, was kein Problem war, denn er nahm mir das Reden ab.
"Warum habe ich das Gefühl dich schon lange zu kennen? Es kommt mir so vor als würdest du genau wissen was ich denke und fühle. Ich fühle zumindest in deiner Gegenwart, dass mein Herz schneller schlägt. Und ich weiß nicht warum, aber mein Körper wird von deinem magisch angezogen. Ich habe das Bedürfnis dir nahe zu sein und ich weiß nicht woran das liegt.", verzweifelt musterte er mein sprachloses Gesicht. Wie erstarrt stand ich vor ihm und wusste nicht was ich sagen oder tun sollte. Aber über eines war ich mir definitiv klar, ich wollte ihn nicht länger belügen. Er verdiente es nicht so zu leiden und in einer Welt zu leben, die nichts mit der Realität zutun hatte.

Ich senkte meinen Kopf und schaute den Ring an meinem Finger an. Vorsichtig nahm ich ihn ab und betrachtete ihn einige Sekunden lang.
Nachdem ich darüber nachgedacht hatte, griff ich nach Liams Hand, die an seiner Seite herunter hing. Den weißgoldenen Ring legte ich auf seine Handfläche und schloss seine Hand zu einer Faust.

"Warum gibst du mir deinen Verlobungsring?", fragte Liam verwirrt und starrte seine Hand an.  Mein Blick klebte eine Weile in seinen wunderschönen Augen, die nicht wussten was vor sich ging. Stumm drehte ich mich um und ließ Liam allein. Ich verließ das Gelände ohne zu wissen wo ich hin gehen sollte und drehte mich nicht zu ihm um. Es lag nun in seiner Hand, was er mit dem Ring anfangen würde.

Der kalte Regen fügte mir eine Gänsehaut zu, während ich die Straße entlang lief. Die Menschen hatten Regenschirme und schützen sich so vor den Wasserperlen. Meine Beine wurden immer schneller, weil ich zu Claire wollte. Ich brauchte meine beste Freundin. Ihren Rat und ihre Anwesenheit.

Mittlerweile ging ich schon eine Weile und hatte fast ihre Wohnung erreicht. Aber ich wich einen Schritt zur Seite, als neben mir ein Auto mit quietschendem Gummi zum stehen kam.
Damon fuhr das Fenster herunter und deutete mir einzusteigen. "Steig ein, Alice!", hektisch winkte er mir mit seiner Hand zu. "Ich will nicht nach Hause.", widersprach ich und schüttelte meinen Kopf. "Bitte steig einfach ein.", Damon war total aufgewühlt, weshalb ich die Autotür öffnete und in den Ledersitz rutschte. "Dein Auto wird jetzt nass.", informierte ich den Fahrer und schnallte mich an. "Das ist egal. Wir müssen schnell zurück zu Liam.", noch in der selben Sekunde als die Autotür zu war, fuhr er wie ein verrückter los. Die Scheibenwischer arbeiteten mit Tempo gegen den Regen.

"Nein. Ich bin nicht ohne Grund gegangen. Es tut mir auch leid, dass ich Dir nicht Bescheid gesagt habe. Aber ich konnte nicht länger dort bleiben. Es wu-", mitten in meiner Rechtfertigung schnitt Damon meine Worte ab und versetzte mich in eine Schockstarre.
"Liam hat sich erinnert.", das war sein Satz, der mein Herz zum pochen brachte. Ich war nicht in der Lage irgend etwas zu sagen und schaute deshalb einfach nur zu dem schwarzhaarigen jungen Mann neben mir.

"Wie?", hauchte ich mit neutraler Miene und versuchte ruhig zu bleiben. "Du hast ihm den Verlobungsring gegeben. Er hat bestimmt die Gravur gelesen und auf einmal ist er wütend ins Esszimmer gestürmt. Er hat Crystal rausgeschmissen und mich will er auch nicht sehen. Liam ist außer Kontrolle und nur du kannst ihn beruhigen, Alice.", erzählte Damon und bog auch schon scharf in die Einfahrt der Villa ein.

"Geh. Ich fahre wieder aus der Einfahrt, um ihn nicht noch wütender zu machen. Falls etwas ist, kannst du mich anrufen.", ich war schon aus dem Auto gestiegen als er mir das mitteilte und eilte bereits zur Eingangstür. In mir waren so viele Gefühle verteilt, die ich nicht zuordnen konnte. Einerseits hatte ich Angst vor Liams Reaktion. Wird er auch auf mich wütend sein? Aber andererseits freute ich mich sehr, dass er sich erinnert hatte.

"Ms. Thomson gut dass Sie hier sind. Er ist im Wohnzimmer.", teilte mir Zack mit und schloss die Tür hinter mir, "Aber seien Sie vorsichtig, Mr. Kennedy ist in Rage."

"Danke Zack.", nickte ich und sah bereits durch die Tür, wie verwüstet das Esszimmer war. Mit langsamen Schritten ging ich in Begleitung von Zack in Richtung Wohnzimmer und hörte wie Liam immer noch fluchte. Es breitete sich Nervosität in mir aus, die verstärkt wurde, als ich den Mann nur von hinten sah. Liam hielt sich die Hände auf dem Kopf und ich konnte ahnen wie sein Gesichtsausdruck aussah. Verletzt, wütend und enttäuscht.

"Mr. Kennedy, Sie ha-", Zack wollte gerade etwas zu Liam sagen, doch er ließ ihn nicht aussprechen. "Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe! Verschwindet alle aus diesem Haus! Ich will niemanden sehen!", schrie er während er sich umdrehte und schaute Zack an. Seine Augen fanden dann mich und sein wütender Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig.
Seine Arme fielen schlapp an seinem Körper herunter und seine blauen Augen glänzten.

Wir sagten kein Wort, aber unsere Augen umso mehr. Zack verschwand ohne einen Mucks zu geben und ließ uns beide allein. Seitdem sich unsere Blicke getroffen hatten, lösten sie sich nicht mehr voneinander. Ich ging auf ihn zu und merkte wie Liam langsam in sich einsackte. Er fiel auf seine Knie, aber hielt meinem Blick immer noch stand. Als ich vor ihm stand schien es so, als würde die Zeit stehen bleiben.

"Liam.", flüsterte ich und schaute zu ihm herab. Meine zitternde Hand führte ich zu seiner Wange und legte sie darauf. Bei der Berührung schloss Liam kurz seine Augen und als er sie wieder öffnete, floss eine Träne herunter. Ich traute meinen Augen nicht.
"Alice.", seine Stimme brach und er war ein Wrack, "Es tut mir so leid."

Sofort ging ich ebenfalls auf die Knie und schüttelte meinen Kopf. "Dir muss gar nichts leid tun, Liam.", legte ich ihm ans Herz. "Ich erinnere mich an alles.", informierte er mich und legte seine Hand auf mein Bein. "Ich weiß.", hauchte ich und hob mitfühlend meine Augenbrauen. "Es frisst mich auf, dass ich im Glauben war, Crystal sei meine Freundin. Wie musst du dich gefühlt haben.", seine Stimme wurde kalt, als er ihren Namen aussprach. "Es war nicht schön zu hören, wie sich dich Baby nennt. Aber ich wusste, dass du sie nicht liebst und das hat mir Kraft gegeben.", erklärte ich Liam und strich über seinen Handrücken. 

"Ich habe doch so eine bezaubernde Freundin wie dich, die sogar meine Verlobte ist und nicht die von Damon.", sprach er und holte etwas aus seiner Hosentasche heraus. Ich konnte mir schon denken, was er raus holte, also grinste ich bereits. "Möchtest du den Ring wieder anstecken und willst du dir das mit der Verlobung nochmal überlegen.", scherzend hob er seine Schultern und hielt den Ring in der Luft. "Natürlich will ich ihn wieder anstecken.", schmunzelnd blickte ich in die hellblauen Augen meines Verlobten.

Daraufhin lächelte er und steckte mir den Ring erneut an meinen Finger. "Ich liebe dich, Alice.", seine Stimme war ernst während er mit dem Ring beschäftigt war. "Ich liebe dich auch.", erwiderte ich seine Worte und sah das funkeln in seinen Augen, als ich es sagte.

Sanft nahm er mein Gesicht in seine Hände und musterte mich. Langsam kam er mir immer näher und legte seine weichen Lippen nach so langer Zeit wieder auf meine. Ich spürte das Kribbeln in meinem ganzen Körper und erwiderte den magischen Kuss. Danach schaute Liam mich eine Weile an und lehnte seine Stirn an meine. So saßen wir auf dem Boden und ließen die Zeit an uns vorbei laufen.

You're my bright light in the darkness - Band 2 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt