12.

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Es war bereits kurz vor der Sperrstunde, als sich die Runde langsam auflöste. Vor ein paar Stunden war es unruhig geworden, einige hatte nicht bemerkt, wie Annabeth wieder am Feuer saß. Als das die Runde machte, reckten alle ihre Hälse, um einen Blick auf sie zu erhaschen. Ich verdeckte sie so gut es ging mit meinen Armen.

Von alledem hatte sie nichts mitbekommen, denn schon seit längerem war sie in meinen Armen eingeschlafen. Endlich fühlte sie sich sicher, sie hatte ja auch heute gegen einen Gott kämpfen müssen. Tyson hatte sich schon lange in unsere Hütte verkrümelt, Grover war mit Wacholder in den Wald verschwunden.

Jetzt, wo ich meine Gedanken sortieren konnte, dachte ich über das nach, was Clarisse mir an diesem Tag gesagt hatte. Dass Annabeth so krank war, dass sie das nicht überstehen würde.

Ob sie das ernst gemeint hatte? Glaubte sie wirklich, war es überhaupt möglich, dass Annabeth keine Lebenskraft mehr hatte? Ich wollte es nicht glauben.

Nicht nach einem so schönen Tag wie dem heutigen. Nicht, wenn Annabeth sich wieder geöffnet hatte. Vielleicht ging es ihr besser oder sie versuchte, alles zu ignorieren, damit sie noch eine Chance auf Genesung hatte.

Leise, zwar durch ihr Brüche etwas gepresst, atmete sie ein und aus, gleichmäßig, kein Anzeichen darauf, dass dieser stetige Rhythmus in nächster Zeit verklingen würde. Sie träumte, dass spürte ich. Manchmal zuckte sie im Schlaf zusammen und bewegte ihre Lippen. Ihr Kopf lehne an meiner Brust. Vorsichtig gab ich ihr einen Kuss und das Zucken endete. Dafür wachte sie auf.

„Percy?", hauchte sie.

„Mhm?" Ich strich ihr über ihre zerzausten Haare.

„Kennst du das Gefühl, wenn du schläfst und du weißt, dass das, was du träumst, Realität ist?"

„Natürlich, du weißt doch, dass ich immer solche Träume habe." Da sagte ich die Wahrheit, meine Träume mussten immer irgendetwas bedeuten. „Du hast sie doch auch manchmal."

„Ja, mhm ...", murmelte sie und schlief wieder ein. Hatte sie mir etwas sagen wollen? Ich spielte mit dem Gedanken, sie aufzuwecken, damit sie mir von ihrem Traum erzählen konnte, aber ich entschloss mich, sie schlafen zu lassen.

Ich streichelte sie einfach weiter, immer weiter. Über ihre Wange, ihre Haare, ihre Lippen, dann nochmal ihre Wangen. Sie waren zu heiß. Hatte sie Fieber? Ich fühlte ihre Stirn und tatsächlich, sie glühte. Sofort wurde ich wieder nervös. Das Adrenalin schoss durch meine Adern, diesmal wollte ich alles richtig machen, ich musste alles richtig machen. Annabeth musste aufwachen.

„Hey, Annie, aufwachen. Komm, ich bring dich in deine Hütte und dann machen wir dann noch einen kleinen Fiebertest. Okay?"

Noch völlig verschlafen gab sie mir eine Antwort: „Was ist denn? Wieso? Es ist doch alles gut. Und außerdem will ich nicht aufstehen!"

Als ich aufstand, blieb sie demonstrativ sitzen und kuschelte sich in meine Jacke ein. Ihr Gesicht war von dem Feuer nur befleckt, fast nie war es komplett beleuchtet. Ihre Augen glänzten und gaben mir einen Grund, mich zu fürchtet, sie durfte nicht krank werden. Doch da war noch ein anderes Glänzen in ihren Augen. Angriffslustigkeit.

„Hast du dein Messer eigentlich noch?" Ich versuchte, es locker klingen zu lassen, aber ich konnte das Zittern meiner Stimme nicht vollständig verbergen.

„Natürlich, Chiron hat es Clarisse gegeben, als du geschlafen hast und nachdem er Ares gefeuert hatte. Clarisse hat es mir dann wiedergegeben." Ihre Stimme war angespannt, wie auch alle meine Muskeln.

Wie sollte ich sie jetzt in ihre Hütte oder in die Krankenstation bekommen? Wenn sie nicht wollte, würde sie sich vielleicht mit ihrer Klinge verteidigen.

Percy Jackson - Der Feind des Halbgottes, inspiriert von Rick RiordanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt