2. a) Déjà-vu

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Still trug ich Annabeth an die Grenze des Camps. Thalias Fichte stand friedlich und in Sterbensruhe da, als habe sie auf uns gewartet. Fern vom Trubel, das im Camp gewütet hatte, lehnten ich sie gegen die knubbelige Rinde des Baumes und setze mich so nah an ihren unter medizinstehenden Körper, dass ich hören konnte, wie sich Annabeths Atem regulierte und sich wieder seinen normalen Rhythmus aneignete.

Erst jetzt entspannte ich mich, mein Puls, der vor Panik um Annabeth gerast war, verlangsamte sich wieder und ich vergaß für diesen Moment, dass wir eine Aufgabe zu erledigen hatten.

„D-danke, d-dass du da bist", nuschelte sie vor sich hin. Orientierungslos wippte sie ihren Kopf nach links, dann nach rechts.

Mit halb geschlossenen Augen schauten durch mich hindurch, realisierten mich nicht. Plötzlich änderte sich ihre Miene. Sie riss ihre Augen weit auseinander, kreischte auf und sprang erschocken hoch, um mich aus einer sicheren Entfernung entsetzt anzustarren. Blitzschnell hatte sie ihr Messer gezückt und zeigte es ängstlich auf meinen Hals.

„Wer bist du? Was willst du hier?", fragte sie hysterisch. Ihr wilder Blick surrte von meinem Kopf zu meinen Füßen und wieder nach oben. „Fremde haben hier nichts zu suchen!", fauchte sie mich an.

Wut brodelte in meiner Verzweiflung auf. Ich sah keinen anderen Ausweg, als Springflut zu entfalten, ich wusste, wozu sie in der Lage war, wenn sie verängstigt war. Aber es war Annabeth. Meine Annabeth.

Als sie mein Schwert sah, zögerte sie mit ihrem Angriff. Tief holte ich Luft. Dies war das Zeichen gewesen, dass sie nicht kämpfen wollte. Hätte sie kämpfen wollen, hätte sie mich bereits entwaffnet und sicherlich besiegt.

Allerdings machte sie keine Anstalten, ihr Messer sinken zu lassen. Mit ihren Augen suchte sie noch immer nach meiner verwundbarsten Stelle.

„Ich bin kein Fremder, ich bin ein Freund." Sachte ließ ich mein Schwert auf den Boden gleiten und hob meine Hände. Eiskalt lief mir eine Gänsehaut über den Rücken. Jetzt hatte sie die Chance, zuzustoßen. Würde sie es tun? Nein, das würde sie nicht. Sie wird es nicht. Sie wird es nicht?

Diese Sekunden waren die längsten meines Lebens gewesen. Niemand war da, der hätte eingreifen können. Und ich bezweifelte, dass ich es lange mit ihr aufnehmen konnte.

Plötzlich krachte ein Blitz mit solcher Kraft vom Himmel, dass er den Baum neben dem Hauptgebäude, in den er eingeschlagen war, in zwei Teile spaltete. Die schwarzen Wolken, die auseinandergerissen worden waren, grummelten sich am Himmel wieder zusammen und drohten mit Gefahr. Einige Gestalten wuselten im Camp herum, vermutlich in der Hoffnung Chiron zu finden. Von hier oben konnte ich ihn sehen. Er stand auf der Veranda und starrte gen Himmel.

Ein unerwarteter Druck wurde plötzlich auf meinen Rücken ausgeübt. Es war keine Klinge. Annabeth hatte mich von hinten umschlungen und drückte mich fest.

„Es tut mir so leid, Percy", weinte sie verzweifelt. Und als sie meinen Namen sagte, vergaß ich, dass es unmöglich und unheilvoll war, dass ein Blitz ins Camp eingeschlugen hatte. Und ich vergaß sofort, in welcher Gefahr ich gestanden hatte.

„Alles gut. Das war nichts", log ich und erwiderte ihre Umarmung. Die Wolken verdüsterten alles und zogen sich vom Land langsam über den Long Island Sound. Doch ganz hinten, in der Ferne, glitzerte der richtige Sonnenuntergang. Das Wasser färbte sich orange-gelb an den Stellen, wo die Sonne es zu berühren schien. Als ich meinen Blick von ihr abwand, bemerkte ich, wie Annabeth mich müde und immer noch traurig ansah. Mich überkam plötzlich das Bedürfnis, sie zu küssen.

Entschlossen, ihr die Angst mit meinem Kuss zu nehmen, lehnte ich mich nach vorne, von hinten nahm ich ihren Kopf und zog sie sanft an mich. In dem Moment, als ich meine Augen schloss und sich unsere Lippen berührten, spürte ich, wie ein weiterer Blitz ganz in unserer Nähe einschlug.

Percy Jackson - Der Feind des Halbgottes, inspiriert von Rick RiordanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt