5. a) Bestrafung

25 3 0
                                    

Wir brauchten ungefähr zwei Minuten, um diese Höhle zu durchqueren und den blauen Eishimmel hinter uns zu lassen. Aus Lethes Höhle pulsierte noch immer die Partymusik, auf die sie vor ihrer Gefangennahme getanzt hatte. Im Gegensatz zu Mnemos Höhlengefängnis, lud uns freundliches Licht ein, mal einen Blick in Lethes vier Wände zu werfen. So eilig hatte ich es nicht, den verwirrten Erebos wiederzufinden.

   Ich nahm mir die Zeit und blieb in Lethes Höhle stehen. An der Höhlendecke dümpelten tausende bunte Luftballons, kein schwarzer Fleck der Höhlendwand war noch ausfindig zu machen. Genau wie bei Mnemo flatterten Glühwürmchen in kugelrunden Gläsern an der Decke, die warmes Licht in Lethes Höhle warfen, wie der Mond bei Vollmond, nur in tausendfacher Minimierung.

  Bequeme Sessel ruhten in der Mitte des Raumes, die Stoffüberzüge mit gemischten Blumenmuster waren schon zerfetzt. Der kleine Tisch vor den Sesseln weiste ebenfalls Schrammspuren von Füßen mit hochhackigen Schuhen auf. Goldgelbe Kronleuchter baumelten tief von der Decke bis zu meiner Augenhöhe, die glimmenden Kerzen fluteten mit dem Licht der Glühwürmchen zusammen.

   Plötzlich brüllte ein Mann, so kehlig und wütend auf, dass die Kronleuchter und die Glühwürmchengläser zitterten, einige Kerzen erloschen, die fehlenden Lichter tupften kleine Punkte von Dunkelheit in die erleuchtete Höhle.

   Schwarzer Nebel kroch durch den Eingang in Lethes kuschelige Höhle. Wie die Glühwürmchen bei Mnemo erloschen auch diese sofort bei dem Kontakt von Erebos aufbrausender Finsterniskraft. Die Frage, wie jemand, auch, wenn es ein Gott war, seine Kraft in kleinen Partikel auf etwas anderes ausüben konnte, beschäftigte mich, seitdem ich Erebos Kraft kannte.

   Nach der Vorhut seiner Finsternisschwaden, stürmte nun der dazugehörende Gott in Lethes geräumige Höhle. Seinen Schritten und seinen bebenden Nasenflügeln zur Folge, trug ihn die pure Wut hinein und beflügelte ihn geradewegs dazu, uns anzuschreien.

   „Was habt ihr hier zu suchen? Wo ist die Göttin der Erinnerung und ihr verdammtes Gegenstück? Diese Verräterin Lethe, diese Dämonin, die dämonenhafteste Göttin an diesem verdammten Ort!", brüllte er und ließ es nicht aus, kleine Spuckblasen auf uns abzufeuern.

   „Ich habe euch diese kleine Aufgabe gegeben, nur eine einzige, winzige kleine Aufgabe, von der ich erwartet habe, dass ihr, winzigen Halbgötter, sie erledigen könntet! Hör zu, Perseus Jackson, niemals hätte ich von dir erwartet, dass du diese winzige Aufgabe nicht meistern könntest!" Aus seinen Fingern quollen die schwarz rauschenden Finsternisfäden, wie kleine nesselnde Schlangen schnürten sie sich um meinen Hals, meine Ohren und meine Gelenke. Mit einem Ruck zogen sich die Fäden zusammen, ich hatte vermutet, dass sich der Nebel nie fester anfühlte, als Zuckerwatte, doch da lag ich falsch. Die Fäden brannten sich wie glühendes Metall in meine Haut. Ich stöhnte auf.

   „Du hast gerade euer Ende besiegelt, Halbgott!", donnerte Erebos.

   „Nein, haben wir nicht, euer Hochwohlgeboren! Die Göttin der Erinnerung ist auf dem Olymp und die Göttin des Vergessens liegt von Ihnen geknebelt in Mnemosynes Höhle und wartet darauf, wie ein eingerollter Schmorbraten in ihr Gefängnis getragen zu werden!", brüllte ich zurück. Der Schmerz drückte alle Höflichkeit dem Gott gegenüber aus meinen Poren.

   „Und falls sie sich fragen, was Mnemo da oben über dem Empire State Building macht, die bringt den Göttern ihre Erinnerungen zurück, und wenn ich jetzt so meinen Worten zuhöre, und das mache ich normalerweise nicht, hat sie das auch schon erfolgreich getan. Nicht war? Können Sie sich an alles erinnern, was vor der kleinen Gasse in der Höhlenwand passiert ist?", schnauzte ich zurück.

   Erebos Blick erstarrte, sofort verflüssigten sich Erebos' eisenfeste Nebelketten in weiche, buschige Zuckerwattefesseln, die sich sofort auflösten. Erleichtert, vom Schmerz erlöst zu sein, stand ich auf und klopfte dem Gott entschuldigend auf die bebende Schulter.

Percy Jackson - Der Feind des Halbgottes, inspiriert von Rick RiordanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt