1. a) Aufgewacht (oder wie ich plötzlich mit Erebos sprach)

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Donner krachte und heulender Wind zerrte an den Jalousinen meines Fensters. Ich spürte wie Schweißperlen über mein glühendes Gesicht liefen und einen kühlen, feuchten Lappen, der versuchte, mein Fieber zu lindern. Meine Arme und Beine zitterten erbärmlich, als ich aufstehen wollte. Um mein Bett herum standen mehrere Medikamente und unterschiedliche Getränke.

Erst, nachdem ich einen Schluck Wasser getrunken hatte, fühlte ich mich besser. Ich konnte mich nun auf die Einflüsse meiner Umgebung konzentrieren. Auf den Regen, der in einem durchgehendem Rhythmus auf das Dach der Poseidonhütte prasselte. Auf das im gleichen Takt wie der Regen tickene Geräusch der Armbanduhr, die Tyson mir gemacht hatte. Immer gleichmäßig im Takt. Tik tak tik.

Plötzlich wurde mir etwas bewusst, etwas, das mir sofort hätte auffallen müssen. Ich war im Camp, in meinem Camp. Camp Half Blood am Long Island Sound in den USA. Ich lag in meiner Hütte, in der ich seit vier Jahren immer in den Ferien wohnte. Doch wo war Hannah, wieso war ich hier aufgewacht, wo ich doch in Deutschland gewesen war? Das konnte kein Traum gewesen sein, dafür war er zu real, zu wirklich gewesen. War ich nach Hannahs Tod, ich musste einen Kloß in meinem Hals schmerzvoll herunterschlucken, von den Mädchen zurück gebracht worden? Ich war entsetzt gewesen, traurig, erschüttert. Doch war ich so zusammen gebrochen, dass ich nicht einmal die Rückreise realisiert hatte? Und dann noch dieser Traum...

Durch Schlamm stapfende Schritte vor meiner Hütte rissen mich aus meinen Gedanken. Behutsam wurde die Türklinke hinuntergedrückt. Ein triefender roter Regenschirm zwängte sich durch den offenen Spalt zwischen Tür und Wand, gefolgt von einem blonden, vollkommen durchnässten Kopf. Sie zog ihre verschlammten Gummistiefel aus, grummelte in sich hinein und sprang entsetzt zurück, als sich ihr Blick mit meinem traf.

„Du bist wach", sagte sie mit einem verwirrten, fast unglaubwürdigen Blick und ließ den Regenschirm perplex aus ihrer Hand fallen.

„Ja, anscheinend." In meinem Kopf begann sich eine Übelkeit auszubreiten. Annabeh kam auf mich zu. Immer wieder öffnete sie ihren gespitzten Mund, um etwas zu sagen, überlegte es sich dann jedoch anders und schloss ihn wieder. Fast verängstigt setzte sie sich zu mir aufs Bett.

„Wie geht's dir?", fragte sie mit zusammengebissenen Zähnen. Zögerlich legte sie mir ihre Hand auf die Stirn und strich mir vorsichtig nass geschwitzte Strähnen aus dem Gesicht. Tränen sammelten sich in ihren sturmgrauen Augen, welche mich unablässig fixierten und nun langsam vor Wasser glänzten.

„Mir ist etwas schummrig, aber was ist..., ich meine, wie bin ich...?" Ich versuchte meine Gedanken zu orden und ertastete Springflut unter meinem Kopfkissen.

„Deine Mom hat dich hergebracht. Du warst knappe zwei Wochen nicht bei dir, hast wirres Zeug gemurmelt. An dem Tag, an dem ich dich für das Camp abholen wollte", hauchte sie knapp und begann, den Lappen von meiner Stirn zu nehmen und mir ein Glas Nektar zu reichen. „Oft musste dich Chiron sogar mit Medizin beruhigen. Es war schrecklich."

Sie starrte auf den ausgefransten Lappen in ihrer Hand und fuhr sich durch ihr blondes, zerzaustes Haar. Immer wieder blieben ihre Finger darin stecken.

„Warum bin ich hier? Wie bin ich hergekommen", fragte ich nochmal. Sie konnte doch Hannah nicht einfach aus ihrer Erklärung herauslassen. Wir mussten über das Vergangene sprechen.

Vorsichtig streckte ich meine Beine über die Bettkante und stand auf. Sofort sprang Annabeth ebenfalls vom Bett. Ich konnte ihren Blick nicht deuten, war es vielleicht ermüdende Erleichterung oder eher doch lodernde Wut? Sie klammerte sich um meine Taille, um mich zu stützten. Obwohl es ihr sichtlich nicht wohl dabei war, mich gehen zu sehen, traten wir gemeinsam aus der Hütte nach draußen.

Auch wenn es schüttete, die kühle Luft wusch die Unruhe aus mir heraus. Unzählige Wassertropfen nässten durch mein Shirt und durch die dunklen Wolken, die die Sonne verdeckten, wusste ich nicht, ob es Tag oder Abend war. Doch ich wunderte mich, warum es überhaupt regnete, normalerweise war dies nicht möglich. Annabeth schien meine Frage aus meinen Gedanken gefischt zu haben.

Percy Jackson - Der Feind des Halbgottes, inspiriert von Rick RiordanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt