31. Raus hier!

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Ich sah die ängstlich geweiteten Augen von meiner Freundin, wie sie sich unsicher auf die Lippen biss. Sie saß fest.

Neben ihr versperrten gesprungene Spiegel und Kisten den Weg. Lamia erhob sich, drohend hing sie über Annabeth. Zum Angriff bereit.

Diesmal hatte Annabeth ihre Karten ausgespielt. Ihr Messer lag irgendwo zwischen dem Gerümpel und keiner von uns war in der Lage, sie zu verteidigen. Hannah war unbewaffnet und vor Panik erstarrt, sie stand mit Schnappatmung an die Wand gepresst. Rachel und Clarisse waren zu starren Zuschauern geworden. Niemand, der sie verteidigte.

Doch! Ich konnte es. Meine Lähmung ließ nach, meine Arme fielen kurz schlaff an meine Seite, aber ich nahm sie hoch, in der einen Hand Springflut und in der anderen eine große scharfe Scherbe. Ich war bereit, sie in das Monster hinein zu rammen. Vor Entschlossenheit krampfte ich meine Hand um die Scherbe zusammen, mein eigene Blut tropfte aus meiner Faust.

„Ich denke, ich sollte dich doch lieber lähmen, du kleine Ratte. Was meinst du?", fragte Lamia verbittert. Annabeth keuchte auf, sie erbleichte. Sie war nicht kräftig genug, um eine Betäubung auszustehen. Sie war zu schwach. Das Gift würde mehr Schaden anrichten.

„Kind der Athene, wie lecker Kinder deiner Sorte doch schmecken, ich fühle mich dann immer so, nun ja ... schlauer." Lamias heiseres Lachen donnerte durch den Raum.

Gleich würde sie angreifen. Und ich auch. Die Scherbe schwebte bereits über ihrem Hinterkopf, ich brauchte es nur hinabzustoßen...

Ich wurde zurückgestoßen, als Lamia unerwartet nach hinten sprang. Benommen blieb sie auf mir liegen. Jetzt war sie es, die aufkeuchte, denn nun war es Annabeth, die siegessicher über hier ragte. Mit ihrem Messer in der Hand. Was für ein Mädchen!

Sie hatte es wieder geschafft, sie hatte uns alle glauben lassen, sie wäre unbewaffnet. Schwer atmend wartete sie darauf, dass ich ihr den Vortritt überließ, Lamia zu töten. Ich ließ die Scherbe aus meiner blutenden Hand gleiten, aber zur Sicherheit blieb sie in Reichweite.

Wir kreuzten unsere Blicke. Wie auf ein stilles Zeichen, sprang ich unter der vollkommen verwirrten Lamia auf, die ohne blassen Schimmer, was gerade passierte, wieder zurück auf den Boden fiel. Ihre Flügel flappten leicht neben ihr.

Der Sieg war unser. Ich lachte. Aber dann stöhnte Annabeth auf, ihre Hand begann zu zittern, das Messer bebte mehr und mehr in ihrer Hand, bis es ihr schließlich aus den Fingern fiel. Annabeths Körper sackte kraftlos in sich zusammen.

Verdammt!, dachte ich und stach von hinten zu. Lamia kreischte auf, doch sie zerfiel nicht zu Staub. Ich starrte auf meine Hand, die natürlich wieder Springflut und nicht die Scherbe aus Reflex gezückt hatte.

Verdammt, verdammt, verdammt. Ich knurrte, als ich die Scherbe in meine Hand nahm, natürlich hatte Lamia sich in der Zeit zu mir umgedreht.

„Dann komm doch!", schrie ich, die Scherbe wie ein Schwert auf ihre Brust gerichten.

„Sind sie nicht putzig, die jämmerlichen Versuche deiner Freunde, mich zu besiegen?", fragte Lamia in Hannahs Richtung, aber das Mädchen reagierte nicht darauf. Sie starrte bloß gen Himmel, ihre Lippen bewegten sich, als würde sie jemanden beschwören.

Ich visierte zum letzten Schlag an, diesmal würde sie nicht mehr davonkommen. Meine Hand mit der Scherbe schwebte über ihr und dann sah ich nichts mehr. Es wurde dunkel. Und kalt, eiskalt.

Lamia kreischte auf, ein langer, wütender Schrei. Ihre Krallen schlossen sich um meinen Arm. Ich schrie auf, rammte die Scherbe mitten in den Körper des Monsters, ich würde sie nicht in der Dunkelheit davonkommen lassen.

Percy Jackson - Der Feind des Halbgottes, inspiriert von Rick RiordanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt