36. b) Unaufhaltsam dem Ende entgegen

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Die Fluten waren brutal. Sie rissen an meiner Kraft, als beherrschten sie das Wasser und nicht ich sie. Mühsam hielt ich eine Wand aus sprudelndem Wasser aufrecht, an der sich die Strömungen brachen. Für Augenblicke brach sie ein und ich brauchte noch mehr Kraft, um sie wieder aufzurichten.

Hannah strampelte aufgebracht mit ihren Armen und Beinen, um sich aus der Wand zu befreien, doch ich ließ sie nicht los. Ich würde nicht zulassen, dass sie sich in den sicheren Tod stürzte.

„Lass mich!", kreischte sie wütend. Panisch versuchte sie das Wasser, das sie hielt, zu zerschlagen, vor jeder Berührung zuckte sie aus Angst zurück und gab mir die Möglichkeit, das Loch wieder zu schließen.

„Hör auf, dich zu bewegen! Bleib still!", schrie ich zu ihr hoch, doch meine Worte hetzten sie nur noch mehr auf.

„Nein! Ich muss! Mach, dass es mich loslässt!" Tränen flossen über ihr Gesicht und vermischten sich mit dem Wasser, welches ich in jeder Ader meines Körpers spürte.

„Annabeth! Clarisse! Los! An das Ende der Schlucht, ihr müsst sie auffangen!" Meine Stimme war rau, befehlerisch, ich spürte, wie die Fluten meine Kraft mit sich zerrten. Lange würde ich das nicht mehr aushalten können. Es sei denn...

„Percy, was machst du da?" Annabeth starrte mich erschrocken an, als ich vorsichtig in das tiefe Wasser stieg.

„Das Wasser ... gibt mir Kraft!" Meine ganze Konzentration musste auf meine ins Wasser watenden Beine gesetzt werden. Wenn ich einen falschen Schritt tat, würde ich den Halt verlieren.

Ich spürte, wie sich runde Steine unter meinen Füßen lösten und von den Strömungen mitgerissen wurden. Aber der Kontakt zum Wasser flutete meinen Körper mit neuer Energie und so fand ich einen festen Stand inmitten des Flusses.

Hier umspühlte das Wasser bereits meinen Nacken und ich hatte Schwierigkeiten, meine Arme weiterhin nach oben zu strecken, um die Wand zu stützen. Ich kontrollierte erst, ob Hannah für meinen Plan richtig gehalten wurde, dann sah ich zurück ans Ufer, wo Clarisse und Annabeth bereits auf Hannah warteten.

Ich müsste die Wand nach rechts bewegen, damit sie Hannah erreichten, wenn ich das Wasser herunterbrechen ließ. Also kämpfte ich mich einen Schritt zur Seite. Ich rutschte. Dann noch einen.

Fast unmerklich wurde Hannah näher ans Ufer getragen. Mein Blickkontakt wechselte von Hannah zu Annabeth und wieder hin und her.

Konzentrier dich, mahnte ich mich an und brachte Hannah einen weiteren Schritt näher ans Ufer.

Aber zu spät spührte ich den zu losen Boden. Die Steine lösten sich in Bruchsekunden und wurden sofort unter meinen Füßen weggezogen. Ich verlor den Halt und wurde von dem Wasser nach unter gerissen.

Zu viele unterschiedliche Strömungen rissen an mir, als dass ich eine von ihnen gezielt kontrollieren konnte, dann schlugen meine Beine gegen einen großen Felsen.

Auch wenn ich keine Luftnot haben konnte, schnappte ich nach Luft, als ich mich nach dieser Sekunde unter Wasser mit den Beinen am Felsen hochdrückte.

Die Wand, die Hannah trug, war bloß noch wenige Zentimeter höher als der Wasserspiegel. Triefende Haare zeugten davon, dass meine Wand für einen Augenblick eingestürzt sein musste.

„Oh Götter, Percy, pass auf dich auf!", schrie Annabeth heiser. „Du bist kurz vor dem Abgrund!"

„Aufpassen!", ignorierte ich ihre Worte. Es blieb keine Zeit zum Zögern. Und dann stieß ich Hannahs Wasser mit Wucht aufs Ufer. Direkt flutete das Wasser über mich und riss so an meinen Beinen, dass es mich von dem Felsen spülte. Ein weiterer Felsen half mir, mich aus der Kontrolle der Strömung zu kämpfen. Die spitzen Kanten schnitten in meine Beine, aber sie halfen, als ich auf dem Felsen hinaufkletterte.

Percy Jackson - Der Feind des Halbgottes, inspiriert von Rick RiordanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt