„Hey! Was macht ihr denn da?", schrie eine brüllende Stimme und ich fuhr herum, froh, jemanden zu sehen, der bezeugen konnte, dass das alles wirklich passierte. „Sich an den Erdbeeren zu bedienen ist strengstens untersagt!" Ein älterer, ziemlich kräftiger Satyr stapfte über das Feld zu uns herüber.
Mein Blick flog nur so zwischen ihm und Hannah hin und her. Aber ihre Erscheining war wieder normal, ihre Haare waren wieder von einem Kastanienbraun und ihre Arme waren von einem blassen Hautton, wie vorher.
„Ich habe mich verlaufen, die Wege sind noch sehr unübersichtlich für mich. Dann bin ich hier her gekommen, für den Überblick, verstehen Sie?" Hannah sprach mit ihrer süchternen Stimme, allerdings zeigte sie keinerlei Anzeichen dafür, dass sie bis eben noch steif wie eine Satue war oder dass sie die zeitlang sprachlos war. Sie war so natürlich wie die Erdbeeren, die hier wuchsen.
Die Ausrede zog, nur nicht bei mir. Ich starrte sie an, suchte nach jedem noch so kleinen Beweis, dass ich eben nicht taggeträumt hatte. Oder hatte ich mir doch zu stark den Kopf gestoßen und meine Fantasien gingen mit mir durch?
Ich zuckte zusammen, als meine Augen auf ihren haften blieben. Ihre Augen! Ihre Augen waren von purem Schwarz. Kein Weiß. Der Schauer krabbelte von den aufgestellten Haaren auf meinem Hals bis zu meinem Steiß hinunter. Wo war das Menschliche in ihren Augen hin? Sie sah so aus, als wäre sie hypnotisiert worden, ohne eigenen Willen, ohne eigenen Verstand.
Dann blinzelte sie und der Zauber war gebrochen. Jetzt war wieder alles an ihr natürlich. Bis auf die gekünzelte Unschuldigkeit in ihrem Gesicht, sie versuchte, mit den Fingern die Karte des Camps in die Luft zu zeichnen.
„Ist schon gut, Kleine", brummelte der Wächter der Erdbeeren durch seinen zotteligen Bart hindurch und Hannah grinste zufrieden. „Was ist deine Ausrede Bürschchen?"
Hannahs Lächeln verschwand schlagartig, genauso wie meines, als ich verstand, dass er eine Antwort von mir verlangte. Der Satyr schaute mich mit seinen verquollenen, aber auch stechend grünen Augen an.
Was war meine Ausrede? Wieso war ich nochmal hergekommen? So verwirrt wie ich war, rieb ich über die glatte Metalloberfläche von meinem Kugelschreiber in meiner Tasche. Eine Beschäftigung, die ich immer machte, wenn ich nervös wurde oder Zeitdruck hatte und nach einer Ausrede suchte.
Normalerweise war ich in sowas spitzenklassen. Doch ich war zu geschockt, von Hannah, von dem Wind, von Chiron, den ich immer noch nicht gefunden hatte.
Die Zeit drängte. Die Zeit verschwand, verlangte nach einer Antwort, nach Antworten auf alle Fragen, die ich selsbt noch nicht verstanden hatte.
„Komm schon, sag, du wolltest mich führen und bist zu mir gekommen, um mir zu helfen oder sowas ähnliches, aber sag irgendwas!", sagte die mir jetzt schon bekannte Stimme in meinem Kopf und ich blickte Hilfe suchend in Hannahs Richtung, die ebenfalls unruhig hin und her schwankte. Ihr Blick stach in meinen, sie brauchte nichtmal zu blinzeln. Gerade, als sie ihre Augen in meine zu bohren schien, kam die Stimme wieder: „Lass mich hier nicht hängen, sag was. Er wird ungedulig werden und dann haben wir nichts mehr zu lachen."
„Ich sollte Erdbeerblätter sammeln, für meine Wunden, also für eine Salbe, für meinen Arm." Ich hielt ihm meinen Verband ins Gesicht. „Und dabei habe ich Hannah gefunden. Ich wollte sie gerade ins Tal bringen."
„Geschafft",schnaufte die Stimme zufrieden auf, als der Satyr seine Augenbraue hochzog. Bei Hannah fiel ebenfalls die Anspannung ab.
„Na, wenn das so ist, dann ab mit euch, ich will euch nicht mehr sehen!" Ich wollte mich gerade zum Gehen umwenden, als er noch sagte: „Ich bin nicht blöd, ihr wart beide zu nervös, als dass ich euch eure Geschichtchen glaube." Er drohte Hannah mit dem Zeigefinger, obwohl diese beinahe zu weinen anfing, dann wanderte seine Hand zum Tal. Sofort schnappte ich mir Hannahs zitternde kleine Hand und machte sofort kehrt, damit wir in Windeseile vom Feld hinunter kamen.
Hannah rannte den Weg ins Tal so schnell herab, dass ich glaubte, die Furien wären hinter uns her. Ich musste mich zum Hochsprint antreiben, um mit ihr Schritt halten zu können. Doch sie schöpfte mehr Geschwindigkeit als ich von dem Bergab.
Zu schnell für ein Mädchen in ihrem Alter. Eigentlich wollte ich sie fragen, warum sie so schnell laufen konnte, aber meine Puste ließ nicht zu, dass ich auch nur ein Wort aus meiner Lunge hätte pressen können. Ich hörte nur das stetige Schnaufen, das ich herausbrachte bei den Versuch, „Warte!" zu rufen. Ich musste zusehen, wie sie mit dem Rücken zu mir den Hügel hinunterfegte
Der Puls meines pochenden, stechenden Herzens dröhnte in meinen Kopf und meinem Hals, jegliche Luft hatte ich aus meinem Brustkorb ausgestoßen. Aber ich musste sie wiederfinden, denn in dem Moment, als ich gesehen hatte, dass etwas Unnatürliches an ihr dran war, hatte ich mich dazu entschlossen, sie etwas zu fragen.
Nämlich, ob sie mit mir den Auftrag erledigen wollte.
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Percy Jackson - Der Feind des Halbgottes, inspiriert von Rick Riordan
FanfictionNach dem Krieg gegen den Titanenherrscher Kronos glaubt Percy, endlich einen gewöhnlichen Sommer im Camp Half-Blood verbringen zu können. Doch kaum ist er in seinem zweiten Zuhause angekommen, wird seine Hoffnung zunichte gemacht. Irgendetwas stimmt...