27. Ein Sprung ins Schicksal

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Aber nun waren es die Waffen des Monsters, die durch Hannahs Fleisch hindurchfuhren, als wäre er aus Wasser. Mir klappte das Kinn hinunter, als Lamia aufbrüllte und ihre Krallen von der Stelle lösten, an der sie mich bewegungsunfähig machte.

„Du weißt, dass du mich nicht töten kannst, meine Königin! Ich habe keine Mutter mehr, du kannst mir nichts anhaben, Kinderfresserin! Jetzt lass ihn auf der Stelle los!", kreischte Hannah in einer tiefen, ironischen Verbeugung. Lamia schwang sich wieder in die Höhe und schnitt meinen Blick von Hannah ab.

„Ihr werde dich zerreißen, du kleines Miststück!", knurrte das Monster. „In winzige, winzige Stückchen. Du bist mir im Weg, Schätzchen." Mit diesem Worten ließ sie mich aus einigen Metern auf den Boden fallen. Erleichtert stellte ich fest, wie die Luft die Druckwunden meiner Arme kühlte. Im freien Fall stürzte ich nach unten, aus den Augenwinkel sah ich die schwanrzen Flügel des Monsters neben mir her zischen.

Wasser. Wasser! Meine Gedanken kreisten um alles, was hier gerade geschah, Hannah, wie sie Lamia in den Pool jagte, Clarisse, wie sie leichenblass auf der Treppe drauf wartete, dass wir endlich kamen und dem Boden, wie er näher und näher auf mich zusauste.

Wie schon so oft war es das Wasser, das mich rettete. Mir war nicht mal aufgefallen, wie ich mich darauf konzentriert hatte, das Wasser auf mich anzusetzten, damit es mich, kurz bevor ich auf dem Boden aufschlagen konnte, in den verfaulten Pool zog.

Das Wasser vernebelte meine Augen in dem Moment, als ich durch die Wasseroberfläche brach, aber mir entgingen die minimalsten wärmeren Strömungen im Pool nicht.

Sie war hier drin, wie hatte ich das vergessen können? Jetzt war der Moment, wo ich abrechnen konnte, hier würde weder Hannah, noch sonst wer verletzt werden. Nur ich und das Schlangenbiest im verpesteten Pool, die einmalige Gelegenheit, es zu töten.

Für einige Minuten tauchte ich durch das Wasser, suchte blind, nur auf mein Gespür vertrauend, nach dem Monster mit dem Schlangenschwanz, der mich binnen weniger Sekunden erwürgen könnte, wo selbst meine Fähigkeit, unter Wasser zu atmen, mir nicht von Nutzen gewesen wäre.

Zu meinem Bedauern stellte ich fest, dass ich Lamia nicht finden konnte. Fünf weitere Minuten vergingen, ohne dass ich Springflut in ihren Bauch gerammt hatte. Wie weit dieser Pool in die Tiefe, aber auch in die Breite ging, war für mich nicht erfassbar, und trotzdem fand ich schnell den Weg wieder an die frische Luft.

Der Schmutz des Pools klebte an meinen Sachen, während ich Hannah, die in eine Wutstarre verfallen war, als Lamia ins Wasser gesprungen ist, im Laufen einsammelte und mit ihr die Treppe empor jagte. Clarisse schmunzete, als wir es endlich schafften, zu ihr aufzuschließen.

Wie Hannah es gesagt hatte, führte die schwarzsteinige Treppe aufs Dach. Hastig rannten wir auf der runden Plattform herum. Nur blieb die Treppe, die hinunter führen sollte, aus. Ich trat an den Rand des Daches, der schmale Rundweg führte rund um den Turm, der wohl über der Halle lag, und gab nur wenige Meter, um sicher zu stehen, die nicht direkt am Abgrund lagen. Die Schlangenhexe bewegte sich auf andere Weise fort, als wir es zu Fuß taten, Treppen waren für ein Wesen mit Flügeln, das dazu noch schwimmen konnte, nicht von Bedeutung.

„Was jetzt? Was machen wir jetzt?" Clarisse stampfte auf mich zu, darauf aus, mir eine reinzuhauen. Für sie war ich der Schuldige, der uns hier in diese Sackgasse geführt hatte.

„Wir könnten springen", raunte ich, während ich die Meter hinab abschätzte. Fünf, zehn, fünfzehn, ...

„Schätzchen!", kreischte die Stimme der Schlangenhexe vom unteren Ende der Treppe. Nur ein Augenblick. Wir wechselten einen Blick und dann sprangen wir.

Percy Jackson - Der Feind des Halbgottes, inspiriert von Rick RiordanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt