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Ein kalter Wind huschte an meinem Ohr vorbei, obwohl er eigenlich hätte warm sein müssen, aber die Jahreszeiten schienen in diesem Wald keine Rolle zu spielen.

Plötzlich flog nicht nur Wind um mich herum, das dachte ich zumindest. Es war irgendetwas anderes gewesen, etwas Schnelleres, aus Materie. Auch Hannah hatte diesen seltsamen Wind gespürt, verängstigt schauten ich ihre in der Dunkelheit glänzenden Augen an, denn mehr als das konnte ich in nicht sehen.

Und dann sagte sie etwas, was mir niemals aufgefallen wäre, hätte sie mich nicht darauf hingewiesen.

„Es wird heller." Eine Tatsache, die mich erfreute, bei dem leichten Licht, das endlich leuchtete, sah ich, wie Hannah in eine Richtung zeigte, aus der die hellere Finsternis zu kommen schien. Und auch das Licht, das sie erhellte.

Wie in Trance ging Hannah auf dieses Licht zu, auch mich zog es dorthin, aber ich wollte dem Zwang nicht nachgeben, bevor ich nicht wusste, was ich dort vorfinden würde.

„Komm Algenhirn, sein nicht so ein Schisser", sagte Clarisse befehlerisch und ohne Nachzudenken fuhr ich sie an: „Selber, Schweinefresse!" Nur Annabeth durfte mich so nennen. Doch ich hätte nachdenken sollen.

Normalerweise geht man, aber Clarisse und ich bewegten uns in Richtung Licht, indem wir versuchten, und gegenseitig umzubringen, uns die Augen auszukratzten, oder den anderen zu Boden zu drücken.

Vermutlich hatten wir einen sehr kindlichen Eindruck gemacht, denn als wir gleichzeitig bemerkten, wie Hannah uns sauer anstarrte, gingen wir ohne Aufforderung auseinander.

Hannah befahl uns, zu Boden zu sehen, damit wir uns schämten und dann sollten wir uns entschuldigen, damit sie uns nicht verließ. Und ich kann euch sagen, eine menschliche Taschenlampe in einem so finsteren Wald, in dem man nicht mal seine eigene Hand vor Augen sehen konnte, zu verlieren, war nicht gerade amüsant.

Wir beide grollten noch etwas vor uns hin, als wir aus der Dunkelheit hinaus und auf eine riesige Lichtung traten. Und mit 'riesig' meine ich die Größe von Manhatten.

Ehrlich gesagt hätte ich mir jetzt meine Hose zerreißen müssen. Die schaurige Burg thronte auf einem kleinen Hügel und ragte mit spitzten, halb zerfallenen Türmen in den Himmel.

Wo hätten sich Vampire besser verstecken können? Ich erinnerte mich daran, dass es keine Vampire, dafür aber ziemlich ähnliche und bösere Monster gab. Also behielt ich meine Hosen an.

Der Hügel hatte sich wohl aus Sand geformt, er glitzerte leicht bei dem Mondlicht, das nun ungehindert die Lichtung bescheinen konnte. In keinem der glaslosen Festern brannte auch nur eine Kerze, viele Ziegel hatten sich aus den Keildächern gelöst, die verbliebenen zitterten bereits in dem stark angewachsenen Wind.

Generell schien dieses Gebäude dem Zusammenbruch nahe zu sein, der höchste Turm, der in einem zwiebelähnlichen Dach endete, schwankte gefährlich hin und her. Es knackte und knarzte bis zu uns hinüber. Die Backsteine, aus denen das gesamte Schloss gebaut worden war, vor vermutlich mehreren tausend Jahren, waren allesamt verschwärzt, ob von den vergangenen Jahren, oder von Menschenhand gewollt, konnte ich auf diese Entfernung nicht erkennen.

Ich folgte einem der vielen Risse, der sich von einem klaffenden Loch in der Spitze des Turmes nach unten gefressen hatte. Vorbei an hunderten von alten Fenstern, die aussahen, als wären dort Bomben eingeschlagen, umkreiste seltsame Stangen, die vor Jahren in die Wand geschleudert worden waren bis hin zum riesigen, ebenholzfabenen Tor.

Erst dann entdeckte ich die meterlange Brücke.

Aus purer Neugier zog ich die beiden Mädchen bis an den Anfang heran, wo das Festland an einem Abgrund endete, um zu sehen, über was sie uns führte und was das Schloss vor ungewollten Eindringlingen schütze.

Percy Jackson - Der Feind des Halbgottes, inspiriert von Rick RiordanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt