„Dreh dich um, ich muss ihr die Salbe auftragen." Dieses Mal war es Clarisse, der ich dabei zuhörte, wie sie den Reißverschluss von Hannahs Jacke aufzog und die Dose aufdrehte. Das Metall klirrte, als Dose und Deckel zusammenstießen.
Hannah seufzte auf. Sie kannte wie ich den üblen Geruch, aber auch das, was er bewirkte. Es war Annabeths Wundmatsche. Am liebsten hätte ich mich dagegen gewehrt, dass Clarisse diese Salbe verwendete, doch ich konnte sie nicht davon abhalten, etwas auf Hannahs Wunden aufzutragen. Damit die Schmerzen endeten.
Hannah lag schnaubend auf dem Rücken, Clarisse gab mir ein Zeichen und ich richtete das Mädchen auf, das sich vor Schmerzen so verkrampfte, dass es sich nicht mehr bewegen konnte.
Ich hielt ihren Körper aufrecht, guckte in den Wald hinein, als Clarisse Hannah die Jacke auszog. Aber ich spürte, wie der Stoff, der ihre Haut und meine voneinander trennte, entfernt wurde.
Hannah musste entblößt neben mir sitzen. Ich würde sie nicht anschauen, das schwor ich, ich bannte meinen Blick auf eine Bewegung, von den Hütten aus. Einer der Satyren war aufgewacht, vermutlich wollte er vor allen anderen eine Runde durch den Wald drehen.
Während ich die herumwuselnde Gestalt beobachtete, kam ich ins Grübeln. Vermutlich hatte Clarisse geahnt, dass Hannah diese Schmerzattacke bekommen würde und hatte ihr deshalb etwas angezogen, das man ihr schnell ausziehen könnte. Ich erinnerte mich an die klaffenden Wunden, die sich über den Rücken des Mädchens zogen, als Annabeth sie versorgt hatte.
Auf einmal realisierte ich, wie der Satyr genau auf das Feuer zulief, er schien etwas zu suchen oder jemanden. Eine Nymphe tippelte mit aufgeregten Schritten hinter ihm her.
„Grover? Komm hier rüber!", schrie ich ihm zu und sofort brach er seine Suche ab, um zu mir zu stolpern. Seine schlaksigen Schritte hatte er immer noch nicht unter Kontrolle. Wacholder hingegen hüpfte graziös über jede noch so kleine Wurzel. Kein Stein stieß gegen ihre bloßen, blassgrünen Füße. Trotzdem hatte sie Probleme mit Grover Schritt zu halten, der einfach über alles drüberschlurfte und sich so seinen Weg zu mir bahnte.
„Oh Percy, gut dass ich dich gefunden habe." Er musst zu Atmen kommen, um weiterreden zu könnnen. „Wir waren noch im Wald, wir sind da eingeschlafen mehr nicht, und da kam Annabeth auf einmal zu uns, sie war ganz verwirrt, sie wusste nicht, wer wir sind. Und da du nicht bei mir warts, hab ich mir sofort Sorgen gemacht. Aber gerade, als ich nach dir suchen wollte, ist sie unter Schmerzen zusammengebrochen und wurde ohnmächtig."
Du hast sie allein gelassen, schrie ich mir ins Gedächtnis, wie konntest du nur? Aber dann kam mir eine zweite Sache in den Sinn.
„Und ihr habt sie einfach alleine da liegen lassen?" Bei Grover und Wacholder rutschte gleichzeitig die Farbe aus dem Gesicht. Sie wechselten einen Blick, der mir sagte, dass sie da etwas nicht bedacht hatten und ich sprintete los.
Hätten mir mein Kumpel und seine Freundin ihr geheimes Plätzchen verraten, hätte ich auf direktem Weg zu ihr rennen können, doch so wusste ich nicht, wo Annabeth war.
Die beiden kamen schnaufend hinter mir her und als Grover bemerkte, dass ich, was die Richtung anging, zögerte, rief er mir von hinten die Richtungen zu und schickte mich so über den richtigen Weg.
Ein Satyr war zwar für kurze Sprinte aufgelegt, aber nicht, um die ganze Zeit durch zu rennen. So musste ich blind darauf vertrauen, dass ich mir merken konnte, welche Wege Grover mir zuschrie bis er außer meiner Hörweite war. Jetzt musste ich mir alles ins Gedächtnis rufen, was Grover mir gesagt hatte, keine einfache Aufgabe für mich.
Aber ich schaffte es. An dem großen Felsen vorbei, durch das Loch in den Brommbeersträuchern und dann nach links. An dem Baum, an dem tausende Glühwürmchen schliefen, einige aber noch von der langen Nacht auf der Suche nach den richtigen Partner glühten, rechts entlang. Schnaufend stand ich vor der Felswand, in deren Mitte eine versteckte Höhle klaffte, die durch die Blätter einer hell blühenden Weide wie durch ein Netz geschützt war. Der Baum, dessen Äste in Fäden zu Boden fielen, hatte seine Wurzeln von der Klippe der Felsenwand bis zum Höhleneingang wachsen lassen. Auch sie ließen einem im Glauben, die Höhle sei undurchgehbar.
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Percy Jackson - Der Feind des Halbgottes, inspiriert von Rick Riordan
FanfictionNach dem Krieg gegen den Titanenherrscher Kronos glaubt Percy, endlich einen gewöhnlichen Sommer im Camp Half-Blood verbringen zu können. Doch kaum ist er in seinem zweiten Zuhause angekommen, wird seine Hoffnung zunichte gemacht. Irgendetwas stimmt...