Wandern

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Am nächsten Morgen wurde ich von Lorcan geweckt. Ich murmelte etwas von wegen, dass ich gleich komme und wischte die Tränen weg. Sie durften nichts erfahren. Schnell sprang ich aus meiner Matte und schnallte mir beim Gehen Ercans Schwert um. „Morgen!", rief ich in die Runde und auch die anderen waren wacher als sonst. „Wir laufen heute am Fluss entlang, also können wir heute Abend wieder schwimmen, wenn ihr wollt", verkündete ich den Plan für heute. Die anderen waren einverstanden, da auch sie den Fluss mochten. Für mich hatte er aber auch eine andere Wirkung und schon überkam mich wieder die Trauer von gestern.

„Ist was los, Fina?", fragte mich Lorcan, „Du siehst so traurig aus." Ausweichen half nichts, weshalb ich ihm antwortete: „Ich habe hier jemanden verloren." „Wen?", fragte er einfühlsam, „Wann?" „Schon länger her", antwortete ich ausweichend, „Ich habe einmal bei einer Campingtour einen älteren Mann kennengelernt und dieser ist an dieser Stelle gestorben. Ich möchte nicht darüber reden." Er verstand es, auch wenn all das nur die halbe Wahrheit war. Aus den Augenwinkeln sah ich Kaimi, der sich zu Kilian beugte: „Das war der Grund. Eine andere Erklärung habe ich nicht." „Bist du deshalb getaucht? Unter anderem weil der Mann am Grund lag?", fragte mich Jake und ich bejahte. Jetzt war mein komisches Verhalten von gestern gerechtfertigt, auch wenn ich Argon nicht... Ich durfte nicht an ihn denken, rief ich mir ins Gedächtnis, denn sonst hielt ich nicht durch. Aber ich musste durchhalten. Für alle.

Nach dem Frühstück packten wir, wie gestern schon, wieder alles zusammen. Danach gingen wir weiter und ich hielt mich bei Lorcan. Er konnte so mitfühlend sein, aber ich war sicher, dass er das nicht wäre, wenn er wüsste, wer wirklich gestorben war. Schweigend liefen wir also den Tag über am Fluss entlang. Es gab keine besonderen Vorkommnisse. Wir sahen die Drachen zweimal und es stahl sich immer ein Lächeln auf mein Gesicht, als ich den einzelnen Drachen sah, denn ich wusste, wer dies war. Die anderen beachteten Moon nicht und es hätte mich auch gewundert, wenn sie sie überhaupt gesehen hätten.

Als ich Moon das zweite Mal sah rief ich ihr hoch: „Moon unter dir! Wie geht es dir?" Ich sah, wie sie ihren Kopf bewegte und mich ausfindig machte: „Fina! Mir geht es super! Naja, bis auf dass ich dich nicht sehe, aber sonst. Unsere Eltern sind auch viel glücklicher, seit die wissen, dass du lebst und nicht vorhast uns zu töten." Wir wollten noch weiter reden, aber die anderen Drachen kamen und Moon musste gehen. Die anderen hatten sie immer noch nicht entdeckt und schauten erst wieder in den Himmel, als die anderen kamen.

Abends überquerten wir den Fluss und als ich hinunter sah, sah ich die Pflanzen. Sie leuchteten bis hier oben und ich musste unwillkürlich wieder an die beiden denken. Der Platz, an dem wir den Fluss überquerten, war fast wie alle anderen, nur dass der Fluss hier einen Engpass hatte und mehrere Bäume eine Brücke bildeten. „Woher kennst du diese Stelle?", fragte mich Kaimi und ich antwortete, dass es Zufall war. Wir beließen es dabei und überquerten den Fluss.

Auf der anderen Seite bauten wir unser Nachtlager auf und ich erinnerte mich an eine Lichtung nicht weit von hier. Dort wollte ich in der Nacht hin und ein wenig fliegen. Klar, es war riskant, aber ich musste mich abreagieren. Schon nach kurzer Zeit stand unser Nachlager wieder und es wurde dunkel. Wir waren nicht geschwommen, aber das störte mich auch nicht, denn ich hatte vorerst genug von Wasser.

Wie jeden Abend wartete ich darauf, dass die anderen eingeschlafen waren, bevor ich losging. Diesen Abend dauerte es länger und ich beschloss, mich bei Moon zu melden. „Hey, Lust auf ne Runde fliegen heute Abend?", fragte ich sie, als ich sie erreicht hatte. Sofort war sie einverstanden und ich erklärte ihr, wo sich die Lichtung befand. Danach schliefen auch alle und ich machte mich auf den Weg. Endlich konnte ich sie wiedersehen. Ich hatte ihr einiges zu erzählen!

Erst als ich mir sicher war, dass alle schliefen, stand ich auf und verschwand in den Bäumen. Ich musste noch vorsichtiger sein, denn Kaimi und so hatten Verdacht geschöpft. Aber ich blieb unentdeckt und so kam ich nach kurzer Zeit bei der Lichtung an. Der Mond tauchte diese in ein schummriges Weiß und voller Vorfreude nahm ich meine Drachengestalt an. Jetzt war ich wieder voll und ganz in meinem Element. Mit ein paar Schlägen stieß ich mich vom Boden ab und flog immer höher. „Moon!", rief ich sie, in der Hoffnung, dass sie noch nicht schlief. „Endlich! Ich komme!", war ihre Antwort und ich musste schmunzeln bei dem Gedanken, dass sie auf mich gewartet hatte.

Saphira - DrachenblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt