Getrennte Wege

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Ich hatte den Drachen alles erklärt. Sie wussten nun alles. Von meiner Geburt, über meine Verbannung, wie ich Moon kennengelernt hatte, meine erste Verwandlung, Argon... Einfach alles. Wenn man mal so darüber nachdachte konnte man nicht glauben, dass noch kein Jahr um war, seit die Drachen das erste Mal kamen. Auch mit Emily verstanden sie sich immer besser und doch glaubten alle noch an Freundschaft zwischen ihr und Moon. Das mit den Seelenverwandten hatten wir immer noch nicht angesprochen. Es war noch nicht so weit. Bis jetzt gab es nur Moon und Emily und das reichte nicht.

Das Leben hier war allgemein super und doch zog es mich zu den Menschen. Emily verstand dies, denn auch sie sehnte sich nach anderen. Ich hatte es im Laufe der Zeit geschafft, Internet zu bekommen und so konnte sie wenigstens in Kontakt mit den Sympathisanten bleiben. Bei mir war das anders. Die einzigen Menschen, mit denen ich geschrieben hatte, dachten, dass ich eine Verrätern wäre. Sie waren alle Töter. Immer wieder versuchte ich Lorcan anzuschreiben, doch ich hatte nie eine Rückmeldung bekommen.

Nach einem Monat hielt ich es nicht mehr aus. Somia bemerkte meine Anspannung und fragte mich danach: „Was ist los, Fina?" Ich hatte seit Wochen nicht mehr gesprochen. Auch mit Emily redete ich über Gedanken. Nur sie sprach, doch sie lernte auch die Gedankenkommunikation und machte diesbezüglich immer Fortschritte. Doch ich hielt es nicht mehr aus. Sie Sehnsucht war zu groß und deshalb sprach ich es laut aus: „Ich muss zurück. Eure Familie ist hier, doch meine nicht. Ich vermisse sie!" Somia schaute mich erst kurz erstaunt an, bevor sie begriff, dass ich Heimweh hatte. Heimweh nach meiner zweiten Familie.

Sie nickte nur und sagte: „Geh. Ich werde es den anderen sagen, dass du sie besuchen musstest." „Danke", antwortete ich ehrlich und verfiel wieder in mein altes Muster. Schnell verwandelte ich mich und flog los. Ich ignorierte die Blicke der anderen und Somia hielt sie zurück, sollte einer mir folgen wollen. Als ich aus dem Berg flog fühlte es sich an wie eine Befreiung. Ich konnte meine zweite Familie wiedersehen. Ich flog immer schneller und schneller, denn ich hatte trainiert. Fast jeden Tag war ich draußen und flog ununterbrochen. Ich trainierte auch meinen Menschen. Ich trainierte mit Schwert und Bogen, mit Pistolen und ohne alles. Ich trainierte meine Fähigkeiten und konnte sie nun auch im Schlaf beherrschen. Jeden Tag tat ich dies und aus diesem Trott herauszukommen, war wie eine Befreiung für mich.

Ich flog immer höher, immer schneller, immer tiefer und zog den Flug bis in die Abendstunden. Erst dann erreichte ich die Lichtung. Auch bei den Menschen hatte sich einiges verändert. Es kam immer mehr Ruhe hinein, aber die Drachen blieben. Die Erinnerungen, die Narben, alles. Niemand wollte sie wieder vergessen. Ab und zu sah man noch einen, aber seit ich bei ihnen war und alles geklärt hatte, griffen sie nicht mehr an. Bei der Lichtung verwandelte ich mich wieder und lehnte mich an den Baum. Gedankenverloren holte ich mein Medaillon heraus und öffnete es. Der Krieg an sich war vorbei, doch Frieden herrschte noch lange nicht. Ich konnte nicht mehr zurück, ohne als >Drache< beschimpft zu werden, oder als >Verräterin<. Dabei hatte ich mich immer für den Frieden eingesetzt. Ich hatte Menschen vor Drachen beschützt und umgekehrt. Es war zum verrückt werden.

Gerade als ich gehen wollte, kam Ercan. „Fina, warum machst du ein Gesicht, wie drei Tage Regenwetter?", begrüßte er mich und ich drehte mich um. „Ercan!", begrüßte ich ihn ebenfalls. „Na, warum machst du nun so ein Gesicht?", hakte er nach. „Weißt du", fing ich an, „Der Krieg ist zu Ende, doch es herrscht kein Frieden. Die Menschen verachten mich. Ich bin eine Verräterin. Die Drachen kämpfen nicht mehr, doch es ist eher wie eine Art Waffenstillstand. Nicht wie Frieden." Er nickte bedächtig.

„Ich verstehe dich", sagte er nach einer Weile, „Aber alleine, dass eine Art Waffenstillstand herrscht ist super. Ich weiß, dass du dich nach Frieden sehnst. Ich weiß, dass du dich nach deiner Familie sehnst. Ich weiß, dass dir das hier noch nicht reicht und du nicht aufgeben wirst, ehe Frieden herrscht. Aber ich weiß auch, dass Frieden dauert.

Saphira - DrachenblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt