Tod

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Mit einer Druckwelle löste sich mein Geist von meinem Körper. Ich sah ihn regungslos dort liegen und auch alle anderen, die mit ihren Wunden zu kämpfen hatten. Aber mein einziger Blick galt Somia und Kaimi. Somia hatte trotz ihrer Verletzung Kaimi am Boden festgenagelt, den es nicht körperlich, sondern seelisch schwer verletzt hatte. Er hatte noch sein Schwert in der Hand und hätte kämpfen können, doch er tat es nicht. Stattdessen starrte er Somia in die Augen, als hätte er einen Geist gesehen. Auch Somia starrte in seine Augen und es schien eine Art stummes Einverständnis zu geben, denn Somia löste sich von Kaimi, welcher, immer noch von Schmerzen geplagt, langsam aufstand.

„Warum?", fragte er sie. „Darum", antwortete sie und ich stellte fest, dass ich immer noch zuhören konnte. Doch ich konnte nichts senden. Es war, als ob mein Geist, meine Gedanken nicht mehr existierten. Ich wusste, dass ich im Moment aber noch lebte. Mein Geist löste sich aber bereits von meinem Körper, doch waren Geist und Körper noch immer verbunden. Ich zögerte in diesem Moment nur noch das Unvermeidliche heraus, aber ich war noch nicht bereit zu gehen.

„Warum?", riss mich Kaimi wieder aus meinen Gedanken und jetzt antwortete Somia wirklich: „Fina hat uns gelehrt, in Frieden zu leben und ich kann dir nichts antun. Einerseits, weil sie es sich gewünscht hatte, dass niemand starb, andererseits, weil ich dir nichts antun kann, ohne mich selbst zu verletzen." Ich sah Kaimi an, dass er nichts mehr verstand. Er war komplett verwirrt, was verständlich war. Mir hingegen ging ein Licht auf. Kaimi und Somia waren
seelenverwandt. Aber auch die anderen fingen an, mit den Drachen zu kommunizieren. Sie gingen auf Emily zu, die ihnen alles erklärte. Ich war in diesem Moment vergessen.

Irgendwann fanden alle Töter ihren Seelenverwandten und ich war mir sicher, dass dies kein Zufall war, da jeder Drache zu Beginn darauf beharrt hatte mitzukommen. Es schien, als ob sie schon lange ein durchsichtiges Band hierhergezogen hatte. Als ob es ihre Bestimmung gewesen war, ihren Seelenverwandten zu finden. In diesem Moment wusste ich, dass die Stadt gerettet war. Es waren Seelenverwandte hier und es gab keinen Streit. Die Drachen wurden von den Menschen akzeptiert und es herrschte für einen Moment eine Stimmung, als wäre es immer so gewesen. Als hätten Drachen und Menschen schon für immer nebeneinander gewohnt.

Doch die Stimmung kippte schnell wieder. Emily hatte einen Moment lang Zeit und sah sich um. Ich sah in ihrem Blick, dass sie mich suchte. Doch sie sah mich nicht. Anfangs dachte sie wahrscheinlich, dass ich dem Trubel entflohen war, doch dann fiel ihr Blick auf den Boden. Auf mich. Auch ich sah mich das erste Mal an. Das Schwert steckte in meiner Brust und überall lief Blut an mir herunter. Als ich wieder zu Emily sah, sah ich den Schock in ihren Augen. Dann die Angst und Trauer.

Ich sah, wie sie zu mir rannte und gleichzeitig meinen Namen schrie. Ich sah, wie sich alle umdrehten und meinen Leichnam entdeckten. Doch ich war noch nicht tot. Noch nicht. Ich wusste nicht, wie ich es ihnen zeigen sollte, doch es gab keinen Weg. Ich wusste nun, wie sich die anderen gefühlt hatten, wenn sie starben. Wahrscheinlich jeder wurde von seinem Körper getrennt und existierte als Geist. Aber mir wurde in diesem Moment auch bewusst, dass ich mich nicht von meinem Körper trennen durfte, denn dann war ich tot. Also schwebte ich zu ihm und stellte fest, dass dies ein Fehler war.

Ich sah Emily, über meinen Körper gebeugt, bitterlich weinen. Auch meine Familie gesellte sich zu Emily und ich hätte nie gedacht, dass Drachen weinen könnten, hätte ich es in diesem Moment nicht gesehen. Langsam gesellten sich auch die anderen Drachen zu mir und bildeten einen Kreis um meinen leblosen Körper. Die Drachen brüllten so laut sie konnten und man konnte ihre Trauer in diesem Gebrüll hören. Irgendwann fing auch meine Familie an und mir brach das Herz. Ich war noch nicht tot, doch ich konnte sie nicht davon überzeugen. Ich wusste aber auch nicht, wie ich wieder in meinen Körper kommen konnte. Das einzige, was ich in diesem Moment tun konnte, war zuzusehen, wie alle anderen trauerten.

Saphira - DrachenblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt