1. Kapitel

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Und dann sah ich ihn. Sierra Kidd. Und obwohl ich ihn nicht ausstehen kann, wusste ich sofort wer er ist.

Ich steh an der Supermarktkasse und er ist vor mir. Auf dem Band liegen drei Flaschen Korn. Jetzt kann er sich das ja kaufen, ist ja schließlich im Herbst achtzehn geworden, der Junge. Okay ich bin siebzehn und ich muss zugeben, dass ich ein kleines bisschen neidisch bin und könnte mir durchaus vorstellen mir seinen Personalausweis für einen Alkoholeinkauf mal auszuleihen, im zweiten Gedankengang komm ich aber zu dem Entschluss, dass es eine dämliche Idee ist, mir von einem Newcomer-Rapper Alkohol zu schnorren.

Vor Sierra stehen mindestens noch fünf andere Kunden. Ich kann von meiner Position schon erkennen, dass das junge Mädchen an der Kasse definitiv eine Praktikantin ist, dementsprechend langsam kassiert sie auch ab. Sierra Kidd atmet einmal tief durch, seine Schultern beben. Er schwenkt nach hinten und tritt dabei voll auf meinen Fuß. Macht sich super, wenn man Flip Flops anhat. Ich schreie auf und stütze mich am Warenband ab. Sierra dreht sich blitzschnell um und fasst meinen Arm, um mich zu stützen. Ich ziehe meinen Arm beleidigt weg und funkle ihn böse an.

„Musste das sein?", meine Stimme ist noch immer sehr wütend.

„Es tut mir Leid. Kann ich das irgendwie wieder gut machen?"

„Verpiss dich einfach."

„Darf ich wenigstens noch meinen Einkauf zu Ende bringen, wenn die Dame erlaubt?", er ist genervt, man merkt es. Mit einer Hand greift er sich in seine Haare und streicht sich eine Strähne aus der Stirn. Um seinen Hals hängen diese drei Goldketten. Voll der Gangster.

„Ich bitte drum", sag ich sanfter, weil ich ihn auch nicht sofort verärgern will. „Hey und, also, du kannst es schon wieder gut machen." Ich schaue zu meinem Zeh, welcher blau anläuft, dann wieder zu ihm hoch.

„Okay und das wäre?"

„Gib mir so 'ne Flasche Korn", ich nicke zu dem Warenband.

„Unter einer Bedingung."

„Und die wäre?"

„Du trinkst sie mit mir", sagt er bestimmt.

„Oh damit du mir auch noch meine restlichen neun Zehen brechen kannst?"

„Nein... Natürlich nicht, aber komm schon", er schlägt leicht seine Faust vor meinen Oberarm und lächelt.

„Nee du, sorry aber lassen wir das mal lieber. Los, dreh dich um, du bist dran", ich deute zu der Kassiererin die darauf wartet, dass er den Alkohol bezahlt. Sierra sieht enttäuscht von mir weg, läuft ein paar Schritte vor und reicht dem Mädchen einen Zwanziger, ohne Rückgeld zu verlangen verlässt er den Supermarkt mit seinen drei Flaschen unterm Arm. Die Praktikantin sieht mich verzweifelt an, sie gibt mir das Rückgeld und ich bezahle damit meinen kompletten Einkauf, fünf Cent bleiben trotzdem übrig. Ich packe meine Tüte am Henkel und gehe hinaus. Es ist acht Uhr abends, schon ziemlich dunkel. Ich gehe nach links und schlage den Weg nach Hause ein. Jemand läuft hinter mir. Langsam dreh ich mich um und erkenne selbst im schwachen Licht der Straßenlaterne, dass er es ist.

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