Ich brauch gar nicht weiter darüber nachdenken, wer vor der Tür steht, als es wieder klingelt. Ich nehme einen Stuhl, schleppe ihn durchs Flur vor die Wohnungstür und stelle mich darauf, darüber befindet sich der Stromkasten in der Decke. Als ich den Schalter für die Klingel gefunden habe, lege ich ihn um und mache mir, nun wieder in völliger Ruhe, einen Kaffee, setze mich damit auf die Couch und chille, in emotionaler Kälte.
Ich höre, wie die Wohnungstür aufspringt und jemand meine Wohnung betritt. Schnell steh ich auf und renne in den Flur.
„Alter, wie kommst du hier rein?", frage ich, völlig entgeistert, Manu.
Er grinst über eine Büroklammer hinweg mich an. „Deine Tür ist nicht die Sicherste, sowas ist ein Kinderspiel." Er streckt seine Hand aus und berührt meine Wange. „Hast du geweint?"
„Wieso sollte ich weinen?", ich schau ihn grimmig an. Er stellt sich auf den Stuhl, auf dem auch ich vorhin stand, um den Schalter umzulegen. Jetzt geht die Klingel also wieder. Ich weiß, dass es nichts bringt, ihn wieder rauszuwerfen. „Du nervst mich so extrem, das glaubst du gar nicht", sage ich, immer noch wütend. Ich stampfe ins Wohnzimmer und setze mich auf die Couch. Er setzt sich neben mich.
„Ich habe deinen Nachbar gefragt", fängt er an, „wie du heißt."
„Verarsch mich nicht."
„Ich find den Namen schön."
„Ach? Wie heiß ich denn?", uns beiden wird klar sein, dass er das gar nicht wissen kann, denn keiner meiner Nachbarn weiß es.
Er seufzt. „Ja okay."
Ich gebe mir ein inneres High-Five. „In einer Stunde musst du gehen, dann kommen Freunde von mir zu Besuch."
„Glaub ich dir nicht", sagt er rotzfrech, als hätte ich keine Freunde. „Deine Kontakte sind leer", nickt er zum Telefon.
„Na und?", ich werde lauter. Ja, ich habe mich verraten. Hier hab ich niemanden.
„Ich habe mich eingespeichert, jetzt hast du wenigstens einen Kontakt."
„Wie gnädig von dir."
Er beugt sich nach vorn, zieht seine Jacke aus und legt sie zwischen uns. „Lass uns was unternehmen, komm schon, du bist voll allein hier."
„Ich habe es mir ausgesucht allein zu sein, hatte nicht vor es zu ändern."
„Niemand ist freiwillig allein."
Ich ignorier ihn, weil ich weiß dass er Recht hat.
„Hast du speziell nur gegen mich was? Oder bist du bei allen Menschen so abweisend?"
Auch diese Frage übergehe ich.
„Wollen wir spazieren gehen?"
„Kein Mann geht gerne spazieren."
„Du bist ja auch kein Mann", lächelt er.
„Aber du." Ich stehe auf und gehe in mein Schlafzimmer, lege mich in mein Bett und vergrabe mich unter meiner Decke. Und, oh Wunder, er kommt nicht hinterher. Ich schlafe ein.