Manu tippt mich an meiner Schulter an, ich merk es sofort. „Hey“, flüstert er, „du hast geschlafen, ich wollte dich nicht wecken, aber“, er fuchtelt mit seiner Hand rum, hält die drei Pizzakartons.
„Alles gut“, ich gähne und lächle.
„Deine Augen sind voll rot.“ Er rafft seine Hose und setzt sich an meine Beine auf die Matratze.
„Deine Augenringe sind lila.“
„Deine auch“, er lacht und öffnet den einen Pizzakarton. „Thunfisch?“
„Klar.“ Ich nehme ein Stück und beiße ab.
Manu räuspert sich. „Ey also, ich will dir jetzt nicht zu nahe treten, aber warum hast du nichts gegessen? Ich find das voll krass, über zwei Tage?“
Ich zucke mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“
Er steht auf und setzt sich neben mich, wir lehnen uns an der Wand an. Er schaut mich an. „Komm, sag schon.“
„Da gibt’s eigentlich nichts zu sagen. Ich esse nicht, wenn ich mich nicht dazu in der Lage fühle.“
„Das heißt ja dann eigentlich, dass ich schon ‘n kleinen Einfluss auf dich hab.“
„Lassen wir das bitte, weil“, ich schüttle meinen Kopf, kämpfe wieder mit den Tränen. Es wird wieder schlimmer, gerade.
„Alice, das ist alles okay“, er lächelt. „Voll krass dich jetzt mal mit Namen ansprechen zu können, voll schön.“
Ich schau weg. In solchen Momenten komm ich nicht klar.
„Iss was“, sagt er.
„Hab keinen Hunger mehr“, ich lächle.
„Mach kein Scheiß. Selbst wenn du kein Hunger mehr hast, musst du essen. Du brauchst das. Du siehst aus wie ein Skelett.“
„Na danke.“
„Nein“, er dreht sich zu mir und schaut mich mit großen Augen an, „so mein ich das nicht. Also ich find dich wunderschön, aber du bist halt einfach total dünn.“ Er reicht mir ein Stück Pizza und hält es mir vor den Mund. Ich halte seine Hand fest und beiße ab, danach beißt er ab. Es ist richtig cool, ihn wieder bei mir zu haben.
Zwei Stunden und drei Pizzen später sitzen wir immer noch nebeneinander, ohne Ende satt. Ich schiebe die Pizzakartons weg und stehe auf, um meine Hose auszuziehen, dann lege mich unter die Decke. Manu sieht mich an, legt seinen Kopf schief.
„Schau mich nicht so an“, lache ich und werde rot, zum Glück ist es dunkel.
„Wie alt bist du?“
„Siebzehn.“
Manu lächelt, hebt meine Decke an und legt sich neben mich. Er liegt auf dem Bauch, stützt sich auf den Ellbogen ab und sieht mich an. „Warum hast du mir so lange nicht gesagt, wie du heißt?“
„Weil ich nicht wollte, dass du was von mir weißt. Denn, desto mehr man von dem anderen weiß, desto mehr kann man sich an einen binden. Ich will nicht, dass sich jemand an mich bindet.“
„Du willst einfach nicht verletzt werden. Aus Angst vor Schmerz rennst du blind umher und siehst gar nicht, dass es manche Menschen echt gut mit dir meinen.“
„Ach, das meinst du?“
„Wurdest du schon oft verletzt?“
„Nein, von Männern noch nie. Ich hab so ’n Tick, immer die Hand über dem Anderen haben zu müssen. Wenn ich was mit einem anfange, muss klar sein, dass ich es beende wann immer ich will.“ Ich lächle, in der vollen Gewissheit, dass er das nicht verstehen wird, ziehe die Decke über meine Schultern. Manu legt sich auf die Seite, mit dem Gesicht zu mir. Er sieht so nett aus, so harmlos. Ich rutsche näher zu ihm ran. Ganz vorsichtig legt er seine Hand an meinen Kopf und drückt mich an sich.
„Ich werd dich nicht verletzen.“