„Du bist wach oder?“, frage ich Manuel, in der Nacht um zwei.
„Ja. Kannst du nicht schlafen?“
„Nicht mehr, nein. Wollen wir noch was unternehmen?“
„An was hättest du denn da gedacht?“
Ich grinse. „Das wirst du noch früh genug erfahren“, ich stehe auf und mache mich fertig zum Ausgehen.
Wenig später stehen wir schon vor einem Nachtclub, Manuel hält seinen Ausweis dem Security-Mann hin, dieser nickt und lässt ihn durch, Manu nimmt meine Hand und zieht mich einfach mit durch die Kontrolle. Um zuzugeben, ich sehe auch nicht aus wie siebzehn, sondern viel erwachsener, was mich in solchen Situationen echt rettet. Schon als ich vierzehn war, konnte ich in Filme ab sechzehn, obwohl ich mit meinen 1,65m auch nicht die Größte bin. Ich weiß nicht, woran es liegt.
Ich hab mich extra vergewissert, dass das hier kein Puff ist, trotzdem ist alles in einen verräterischen Rot-Ton getaucht. Wir setzen uns an die Bar, während Manu für uns schon mal „Getränke“ bestellt, schau ich mich um, wer hier noch so ist. Niemanden den ich kenne und niemand der irgendwie komisch aussieht. Wird bestimmt eine entspannte Nacht.
Der Mann am Tresen stellt zwei Kurze und zwei Cocktails zu uns und lächelt mir zu. Ich lächle zurück, nehme meinen Schnaps. Manu und ich schauen uns in die Augen, während wir trinken.
„Dass wir um drei in der Nacht in einen Club gehen, hätte ich nicht gedacht“, lacht er.
„Ich hätte nicht gedacht, dass du da mitmachst“, ich ziehe meine Augenbraue hoch und lächle. „Gehst du tanzen?“, ich deute zur Tanzfläche.
„Nein, ich mag das nicht so“, er schaut auf den Boden.
„Find ich gut, ich auch nicht, bin mehr so der Bar-Hocker.“
Er lacht laut, hält sich die Hand vor den Mund und dreht sich leicht weg.
„Hey komm mal klar, so gut war der Spruch jetzt gar nicht okay?“ Ich muss selbst lachen, schüttle meinen Kopf und bestelle eine neue Runde Schnaps, die uns der nette Barmann auch gleich gibt, sich dann wieder mit einem Mädchen paar Meter weiter unterhält. Wir trinken wieder schnell, spülen mit dem etwas milderen Cocktail nach. Der ist echt lecker und ich freu mich, hier zu sein. Ich drehe mich auf meinem Hocker, den Blick zu den tanzenden Leuten da drüben. Wenn die wüssten, wie bescheuert sie beim Tanzen aussehen, sie würden es sofort sein lassen. Schon jetzt spüre ich, wie der Alkohol wirkt. Ich hab die Angewohnheit, ziemlich schnell zu trinken, sodass mein Cocktail schon fast halb leer ist. Meine Wangen fangen an zu glühen, ich schau zu Manu rüber, ihm geht’s nicht anders. Er steht von seinem Barhocker auf, beugt sich zu mir herunter, sagt etwas lauter in mein Ohr: „Ich komm gleich wieder“, und verschwindet zu den Toiletten.
Ich nehme meinen Strohhalm erneut zwischen die Lippen und trinke, als ein Mann, der die ganze Zeit ein paar Meter weiter an der Bar saß, zu mir kommt. Er setzt sich auf Manus Platz und sieht mich an. Ich beachte ihn nicht, ich bin schließlich nicht gekommen, um irgendwelche Typen aufzureißen.
Der Typ rückt zu mir heran und sagt: „Na, darf man Gesellschaft leisten?“
Ich drehe meinen Kopf zu ihm, setze meinen arroganten Blick auf. Seine Fahne riecht man zehn Meilen gegen den Wind. Er trägt ein weißes Camp David Hemd, dunkelblaue Jeans, hat seine Haare so hässlich glatt nach hinten gegelt. Er sieht sehr schmierig aus, überhaupt nicht attraktiv und ich bezweifle, dass sein Charakter sein Aussehen ausgleicht. Ich sage: „Nein, ich bin in Begleitung hier.“
Er lacht, deutet mit dem Kinn zu den Toiletten. „Dieser Typ da eben? Du stehst also auf kleine Jungs, okay.“ Trotzdem bleibt er sitzen, hält mich auch noch seine Hand hin. „Ich bin Frank.“
„Tschüss, Frank, und nein, es war mir keine Ehre dich kennengelernt zu haben.“
„Du weißt was du willst, das find ich gut.“ Er legt seine Hand auf meinem Bein ab. Bevor ich sie wegschlagen kann, steht Manu vor uns und dann geht alles ganz schnell. Frank sieht Manu, lacht laut los. Daraufhin hat er Manus Faust im Gesicht, torkelt mit schmerzverzerrtem Gesicht nach hinten, kommt dann wieder und holt auch mit seiner geballten Faust aus, trifft ihn sogar. Ich renne zu Manuel, ziehe ihn weg und verlasse den Club, die Security schreit uns noch hinterher, dass wir Hausverbot haben. Können sie sich jetzt auch in den Arsch stecken, denk ich mir. Wir laufen ein Stück, stehen unter einer Laterne. Ich krame in meiner Handtasche nach Taschentüchern, reiche Manu eins. Er blutet aus der Nase, macht den Kopf nach hinten.
„Nicht. Mach den Kopf nach vorn.“ Ich berühre seine Wangen, er macht was ich sage. „Du musst das ausbluten lassen, sonst kann man an dem Blut ersticken.“
„Ich weiß nicht ob Ausbluten besser ist, als Ersticken“, lacht er unter Schmerzen. „Ich wähle ein sanftes Ende.“ Sein ganzer Pullover schon voller Blutflecken, er sieht mich an.
„Du hättest das nicht machen müssen, ich kann auf mich selbst aufpassen, konnte ich schon immer.“
Er seufzt: „Man hat gesehen, wie du auf dich aufpassen konntest.“
„Du hast mir gar nicht die Chance gegeben, mit dem Typ fertig zu werden, da sind schon die Fäuste geflogen.“
„Hab ich gern gemacht“, er lächelt, wir laufen weiter.
„Danke. Aber beim nächsten Mal lässt du deine Eifersucht bitte im Zaum, okay?“
„Das war keine Eifersucht, ich hatte einfach nur Angst um dich. Ich hoffe, dass es gar kein nächstes Mal geben wird.“
„Weiß man’s?“ Ich nehme seine Hand in meine und wir laufen noch das restliche Stück zurück zu meinem Wohnhaus.