Zwei Tage sind vergangen, es ist Montag. Es ist April. Es ist kalt. Es regnet. Es ist eklig, ich bin eklig, mir ist langweilig, ich bin allein.
Ich zieh mir die Decke über den Kopf und penn weiter.
Jemand klingelt. Wer auch immer es ist, ich kille ihn. Ich hasse es, beim Schlafen unterbrochen zu werden. Schon auf 180 stampfe ich zur Wohnungstür, während ich mir schon zurecht lege was ich dieser Person an den Kopf knalle. Wutentbrannt reiße ich die Tür auf und schreie die ersten Beleidigungen, ehe ich sehe wer da steht.
Wer hätte es gedacht. Es ist der Rapper. Ich halte meinen Mund und knalle die Tür zu. Er drückt weitere dreimal auf die Klingel. Durch die Tür schreie ich: „Was?"
„Wollte mal Hallo sagen."
„Hast du ja jetzt. Tschüss."
„Lass mich rein."
„Nein."
Er klingelt sturm. Und ja, es ist nervig. Erneut reiße ich die Tür auf und lass ihn eintreten. „Jetzt zufrieden?", schnautze ich ihn an.
„Ja, schon irgendwie." Brav zieht er seine weißen Nike Air Force aus, die ich zufällig auch hab, und grinst mich an. Ich verschwinde im Bad, lasse mir extra lange Zeit beim Duschen, Schminken und Anziehen. Er sitzt auf der Couch im Wohnzimmer, auf der immer noch die Decke liegt, mit der er sich am Wochenende zugedeckt hatte. Ich werde kurz rot, dann halte ich meinen Kopf in den Kühlschrank und suche nach Essen. Ich merke, wie meine vornehme Blässe wieder zurückkommt, aber die Augenringe drücken trotzdem noch sehr. Ich sehe trotz Schminke aus als hätte ich 24/7 gekifft. Leider ist mein Kühlschrank genauso leer wie ich selbst. Bis auf Bier und Senf hab ich nichts mehr. Joa, dann esse ich halt auch nichts. Wieder peinlich berührt, schließe ich den Kühlschrank und tu so als würde ich die Küche putzen.
Ich höre wie Manu aufsteht und zu mir rüberläuft. „Ich hab noch nichts zum Frühstück gegessen, willst du mir Gesellschaft leisten?", fragt er.
„Lust auf was zu essen hätte ich schon", zugegeben.
„Komm mit", er geht voraus in den Flur, ich laufe ihm hinterher, zieh absichtlich dieselben Schuhe an, wie er, worüber er kurz lächeln muss. Wir laufen schweigend die Treppen hinunter, zum Bäcker am Ende der Straße. Manu bestellt zwei Kaffee, wahrscheinlich ist einer davon für mich, und sagt, dass ich mir noch was zu Essen raussuchen soll. Ich wähle einen Schoko-Donut und einen Blaubeermuffin. Wir setzen uns in eine Ecke und warten darauf, dass die Bedienung ihren Tratsch beendet und uns unser Essen bringt.
„Alter wie lange braucht die denn noch?", sagt er genervt und legt sich mit den Armen und Kopf auf den Tisch. Die Bedienung kommt langsam zu uns, ich kneife Manu in die Seite, sonst hätte er es nicht gecheckt. Wir essen leise, ich lehne mich danach mit vollem Bauch und schweren Gliedmaßen zurück und atme tief durch.
„Na, satt?", fragt er.
„Und wie."
Er lächelt. „Los, jetzt sag schon, wie heißt du?"
„Beginnt mit A", ich grinse, ja, ich spiele gerne Spielchen.
„Anna? Oh ja, du heißt Anna, jede Wette", er scheint sich sicher zu sein.
„Nope. Aber niedlich wie du rätselst."
„Anastasia?"
„Nein."
„Annalena? Angela? Alina? Amelie?", er sucht nach weiteren Namen, ihm fallen aber keine mehr ein.
„Immer noch nicht gefunden. Lass es einfach", ich lege kurz meine Hand auf sein Bein, ziehe sie dann wieder zurück.
„Gehst du noch zur Schule?", er lächelt.
„Nein."
„Oh, hast du abgebrochen?"
„Realschulabschluss. Warum willst du das wissen? Wofür?"
„Ich interessiere mich für dich."
„Kannst du nicht ein anderes Mädchen stalken? Ich komm auch alleine klar."
Er legt den Kopf schief und blinzelt mich an aus blau-grauen Augen an. „Nein, kann ich nicht. Du bist also alleine?"
„Guck mal darüber", sag ich und deute zu einem jungen Mädel am anderen Ende des Raumes, sie starrt die ganze Zeit Manuel an, „die will was von dir, ich nicht." Damit nehme ich meine Handtasche über die Schulter und verlasse die Bäckerei. Er läuft mir hinterher, es macht mich wütend und ich laufe schneller. Kann er mich nicht einfach allein lassen?
„Bleib stehen", ruft er, aber ich ignoriere ihn. Er holt mich ein und drückt mich gegen die bröckelnde Fassade eines Hauses. Ich wehre mich vor seinen Griffen, unter Panik kann ich ihn nicht wegdrücken, so sehr ich mich anstrenge.
„Lass mich los, lass mich bitte los", schreie ich, seine Hände an meinen Oberarmen, an der Wand gefesselt. „Bitte."
Er lässt mich los, seine Hand gleitet meinem Arm herunter zu meiner Hand, nimmt sie. Ich ziehe meine Hand weg, schließe meine Augen, keuche nach Luft. „Hey", sagt er sanft, „ich tu dir nichts." Er kommt mir wieder näher und ich spüre, wie er mich in seine Arme nimmt. Ich lehne meinen Kopf an seine Brust und konzentriere mich darauf, wieder normal zu atmen. „Du zitterst", flüstert er. Ich rieche ihn, drücke mich näher an ihn und beruhige mich.
Meine Augen schlagen auf, ich sehe ihn an. Mit zusammengepressten Lippen trete ich von ihm weg, winke kurz und laufe zu meinem Block.