24. Kapitel

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Er schließt die Schlafzimmertür und kommt zu mir, wir gehen die Treppe herunter und laufen in die Innenstadt. Leute gucken uns an, daran muss ich mich wahrscheinlich gewöhnen. Manu hat seine Kapuze aufgesetzt, den Blick am Boden läuft er mit den Händen in den Jackentaschen neben mir an der Straßenseite.

   „Alles gut?“, frag ich ihn.

   Er schaut kurz zu mir runter und nickt. „Ich weiß, dass du das nicht magst, wenn ich angesprochen werde.“

   „Lässt sich nicht ändern.“

   „Trotzdem.“ Er reibt sich mit seiner linken Hand über die Augen. „Ist egal“, er lächelt kurz, aber irgendwas ist trotzdem. Mittlerweile sind wir bei McDonalds angekommen. Manu hält mir die Tür auf. Am McCafé-Stand bleiben wir stehen, bestellen uns Muffins und Kaffee. Er beugt sich zu mir runter und fragt mich, ob es mir was ausmachen würde, wenn wir uns mit dem Essen raussetzen. Ich hab nichts dagegen, also setzen wir uns weiter weg auf eine Bank. Ich wickle das Papier von meinem Muffin ab, während Manu an seinem Kaffee nippt. Auf einmal grinst er vor sich hin.

   „An was denkst du?“, frag ich ihn. Ich will wissen, warum er grinst.

   „Ach nichts“, er grinst weiter.

   „Sag schon“, ich schlag ihn vor den Oberarm.

   „Wegen vorhin, bei mir…“, er sieht mich an und ich verstehe was er meint. Ich werde rot, schüttle meine Haare ins Gesicht, damit er es nicht sieht. „Musst nicht rot werden“, lacht er.

   „Sei still.“ Ich dreh mich weg und lächle. Ich esse meinen Muffin auf und werfe das Papier weg. Dann setze ich mich nah neben ihn und trinke meinen Kaffee.

   „Jetzt sag mal“, er legt seine Hand auf mein Bein, „du bist siebzehn Jahre alt, wo sind deine Eltern?“

   „Tot.“

   „Deine beste Freundin ist tot, jetzt auch deine Eltern? Sind sie wirklich tot oder nur für dich gestorben?“

   „Woah“, ich kann es nicht fassen, „du willst echt sagen, dass ich Witze über den Tod meiner Eltern mache? Was denkst du von mir? Dass ich so herzlos bin und mich damals als vierzehnjähriges Mädchen gefreut hab, als ich erfahren hab, dass meinen Eltern auf der Autobahn die Vorfahrt genommen wurde und sie von ‘nem LKW überrollt wurden? Ja du, das war so geil für mich, ehrlich.“

   „Boah es tut mir ja Leid“, er nimmt seine Hand weg. „Es tut mir wirklich Leid. Ich konnte dich so schlecht einschätzen. Ich lern dich doch erst kennen und ja, ich habe dich als einen ziemlich kalten Menschen kennengelernt, aber verurteile mich nicht schon wieder dafür, dass ich Zweifel daran geäußert hab.“

   „Sorry…“ Ich sehe ihn aus dem Augenwinkel an, ehe ich meine Augen schließe, um nicht zu weinen.

   „Ich heul gleich mit“, sagt er sanft und fasst mich an der Schulter, zieht mich in seine Arme, ich lehne mich an ihn, er streicht mir über den Rücken.

   Wir sitzen da ein paar Minuten, bis ich mich von ihm löse und sage: „Ich würde gern den Tag allein verbringen, es ist schön mit dir, aber ich muss erstmal klarkommen.“

   Er schaut mich an, bisschen traurig, wenn ich mich nicht täusche, aber nickt. „Ich bring dich nach Hause.“

   „Danke.“ Ich nehme meine Tasche und wir laufen wieder zurück zu meiner Wohnung. Unentschlossen wie zwei Teenager stehen wir vor der Haustür, Manu sieht auf den Boden, nimmt dann meinen Ellbogen und zieht mich zu sich ran. Er legt seine Arme um meine Schultern und hält mich an sich gedrückt.

   „Mach’s gut“, sagt er und geht, ohne sich noch einmal umzudrehen.

   Ich schließe die Tür auf und renne die Treppen ins Obergeschoss hoch. Drinnen angekommen lege ich mich ins Bett und schlafe erstmal.

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