10. Kapitel

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„Lass mal was unternehmen“, er springt auf, schmeißt sich seinen Pullover über die Schulter und geht zur Tür. „Würde sich die gnädige Dame vielleicht mal erheben?“ 

   Ich stöhne genervt und gehe zu ihm, er hält mir die Tür auf und wir laufen nebeneinander die Treppe hinunter, durchs Tattoo-Studio, nach draußen. Und ohne Witz, wir gehen wirklich spazieren. Mit der Straßenbahn fahren wir zum Park und laufen irgendeinen Weg lang.

   „Wenn wir hier weiterlaufen“, er zeigt in eine Richtung, „kommen wir zum Wasser.“ Er schaut auf mich runter, mein Blick nach vorn gerichtet. Wir laufen stillschweigend den Weg entlang, bis zum Ende. Die Luft ist kühl, aber ich friere nicht. Es sind nicht viele Leute im Park, paar Pärchen, paar Mütter mit Kinderwagen, paar Singlemänner mit Hunden. Zwischen Manu und mir ist ein Meter Abstand. Der Weg gabelt sich nun, nach links und nach rechts. Ich sehe zu Manu hinauf. Er lacht: „Du willst von mir wissen wo wir hingehen? Wo bleibt denn Madame ‚ich brauch niemand und schon gar nicht dich‘?“ Er nimmt meine Hand und zieht mich geradeaus ins Gebüsch. Ich zieh meine Hand weg und bleibe oben stehen, während er schon so halb auf dem Abhang steht. „Komm“, sagt er, „lass mich dir helfen, ohne Hilfe fliegt hier jeder beim ersten Mal runter.“ Manu streckt noch immer seine Hand aus, ich nehme sie und er zieht mich näher an ihn. „Tritt da auf die Steine.“ Ich mach was er sagt, lasse ihn los und komm auch ohne Hilfe herunter. Manuel kommt mir hinterher gestolpert. Wir stehen am Ufer eines Flusses. Manu geht nach rechts und setzt sich ins Gras. Mit einer Hand klopft er neben sich ins Gras, ich setz mich neben ihn, zieh meine Knie an mich heran.

   „Arbeitest du was?“

   „Nein. Hab verpasst mir eine Ausbildung zu suchen, jetzt warte ich einfach.“

   „Machst du überhaupt irgendwas?“, fragt er lächelnd, seine Hand ruhig zwischen uns. „Was wolltest du denn für ‘ne Ausbildung?“

   „Weiß ich nicht, deswegen hab ich ja keine.“

   „Sicher nichts mit Menschen“, lacht er.

   „Wie kommst du darauf? Nur weil ich nicht jedem gleich um den Hals falle, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht mit Menschen kann.“

   „Glaub ich dir nicht.“ Sein Lächeln verschwindet nicht aus seinem Gesicht. „Was mit Tieren bestimmt auch nicht. Magst du Technik?“

   „Ich hasse Technik und sehe keinen Sinn in dieser Art von Unterhaltung, okay? Okay.“

   „Du siehst keinen Sinn in jeder Art von Unterhaltung, also mach mich nicht dumm an.“

   Ich schau weg von ihm, ein Boot kommt näher. Ich betrachte es.

   Er legt seine Hand an meine Wirbelsäule. „Alter wie krank, man spürt voll deine Knochen.“

   Ich schlag seine Hand weg und leg mich nach hinten. Er tut es mir gleich.

   „Was ist los mit dir?“

   „Nichts, Manu, lass mich einfach kurz in Ruhe“, ich dreh mich von ihm weg.

   „Ich würde aber gern wissen, was mit dir ist, du reagierst immer voll abnormal, egal was ich mache“, er beugt sich über mich, sodass er mir in die Augen schauen kann. Ich lege meine Hände an seine Brust und schieb ihn weg von mir. Er ergreift meine Hand, geht nicht von mir weg. „Bist du eigentlich ein Beziehungsmensch?“

   „Was soll die Frage?“ Ich schau ihn verwundert an, kümmere mich nicht um meine Hand, welche er immer noch fest in seiner hält. „Nein, ich bin kein Beziehungsmensch, ich hatte noch nie eine Beziehung, und du?“

   Er legt sich wieder zurück auf seinen Platz neben mir. „Du hattest noch nie einen Freund, ganz ehrlich?“

   Ich setz mich auf, schau auf ihn herunter. „Nein. Warum sollte ich dich anlügen?“

   „Noch nie geliebt?“

   „Manu“, flüstere ich, „ich kann das nicht.“

   Er setzt sich hin, breitet seine Arme aus und sieht mich fragend an. Ich rutsch ein Stück zu ihm heran, er nimmt mich in seine Arme und drückt mich an sich. Aus Angst löse ich mich von ihm, er legt seine Arme locker auf meine Schultern und sieht mich an. Er sagt: „Jeder kann lieben“, und steht auf.

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