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POV Thore
„Jetzt hört auf zu zanken und kommt endlich zum Essen!" brüllt Mama meine beiden Zwillingsbrüder lautstark an. Instinktiv ziehe ich meinen Kopf zwischen die Schultern und mache ein ängstliches Gesicht. Ich hasse es wenn Mama so laut rumbrüllt. Ich bekomme dann immer richtig Schiss vor ihr obwohl sie noch nie mit mir geschimpft hat. Zumindest nicht so laut und nicht mit so einem drohenden Timbre in der Stimme. Dafür bemühe ich mich viel zu sehr immer  zu gefallen und stets alles richtig zu machen. Egal worum man mich bittet, ich führe es stets prompt und gewissenhaft aus. Muss ich ja auch, denn ich bin als Omega Werwolf geboren. Omega Wölfe sind die rangniedersten Tiere im Rudel. Für gewöhnlich haben sie keine Rechte, nur Pflichten. Doch Mama sieht das anders als alle anderen Wölfe auf dieser Welt. Sie ist die Alpha Wölfin in unserem Rudel und hier dürfen Omega wie ich sogar in die Schule gehen. Ich bin mir nicht sicher ob Mama verstehen kann was das für mich bedeutet. Als einziger Omega zwischen all den starken Wölfen existieren zu müssen und ihrem Spott und Hohn ausgesetzt zu sein. Zum Glück habe ich meine beiden Zwillingsbrüder. Tarek ist eindeutig ein Alphawolf und Timur sein Beta. Die beiden gehören also per Definition zu den coolen und angesagten Kids in unserer Klasse. So viele Alpha und Beta gibt es ja nicht. Die meisten Werwölfe sind ganz normal, also ohne besonderen Rang oder so. Sie werden später wenn sie erwachsen sind einen Rang wie Jäger oder Krieger oder Wächter bekommen. Meist sucht man sich selbst aus was man später machen darf. Nur Omega dürfen in der Regel nicht wählen, sie sind von Geburt an dazu verdonnert zu putzen und den anderen gefügig zu sein. Wenn man als Omega Glück hat bekommt man einen Mate, dann braucht man sich nicht mehr dem ganzen Rudel hingeben. Bei uns im Rudel geht es zwar gesitteter ab, weil Mama den Omega deutlich mehr Rechte einräumt aber in der Schule bin ich den Lehrern und Schülern der anderen Rudel ausgesetzt. Ohne Tarek und Timur hätten sie mich bestimmt schon mehr als ein mal vergewaltigt. Besonders vor den anderen Alpha an unserer Schule muss ich mich in Acht nehmen. René vom Marti Rudel mit seinem Beta Philippe macht mir das Leben besonders schwer. Manchmal habe ich das Gefühl dass die beiden es auf mich abgesehen haben und sobald sie mich alleine erwischen verhauen sie mich, erzählen mir gemeine Dinge und nehmen mir meine Sachen weg um sie zu zerstören oder wegzuwerfen. Sie lachen mich bei jeder Gelegenheit aus und machen mich fertig. Am liebsten würde ich gar nicht mehr zur Schule gehen. Ich mein, wozu um alles in der Welt muss ein Omega was lernen? Damit er später die Putzmittelmenge besser ausrechnen kann die es benötigt um einen Boden korrekt rein zu wischen? Als ich Mama das mal gefragt habe hat sie mich ganz lange und ganz komisch angeschaut. „Dir, mein Sohn steht die Welt offen. Natürlich darfst du putzen wenn es dir Spaß macht aber du kannst auch alles andere werden." hat sie gesagt und ich habe ihr das bis heute nicht geglaubt. Meine Lehrer und Klassenkameraden sagen nämlich alle dass Omega nur zum Putzen und Ficken gut wären, nichts sonst.
Als nun Tarek und Timur wegen Mamas Gebrüll aufhören sich zu kloppen und zu ihr schauen entdecken sie mich als Häufchen Elend am Frühstückstisch. Gegen meine schreckgeweiteten Augen kann ich ärgerlicherweise fast nichts unternehmen. Dass ich unkontrolliert zittere geht mir selbst dermaßen auf den Zeiger dass ich mich fast ein bisschen schäme. Aber nur fast. Denn auf meine beiden Brüder hat mein verängstigtes Verhalten stets die selbe Wirkung. Sie hören unmittelbar auf sich auszuzanken und quetschen sich rechts und links von mir neben mich auf die Bank um mich zu umarmen und zu trösten. „Hey, Thoribaby! Nicht weinen, schhhh, ist doch alles gut!" säuselt mir Timur ins Ohr währen Tarek mir einen feuchten Kuss auf meine Wange drückt und mir zeitgleich durch die Haare wuschelt. Als ich mich so weit wieder beruhigt habe schaut Tarek Mama böse an und sagt: „Mama! Musst du Thore immer so erschrecken?!?" Mama schaut schuldbewusst zu mir rüber und streichelt mir die Wange, doch meine Brüder funkelt sie böse an und sagt streng: „Wenn ihr euch auf der Klassenfahrt auch nur kloppt dann fahrt ihr nicht mit!" Nun schauen wir sie alle drei geschockt an. Wie soll ich denn bitte schön eine Klassenfahrt überleben wenn Tarek und Timur nicht dabei sind? Die heftigsten Horrorszenarien gehen mir in Sekunden durch den Kopf und aus meinem Mund kommt ein ängstlicher Quietschlaut. War das eben ich?!? Omg! Ich bin so peinlich! Zum Glück sehen Tarek und Timur das anders und halten mich nur noch fester in ihren starken Armen. Zwischen ihnen fühle ich mich geborgen aber ohne die beiden bin ich richtig hilflos. Wenn die beiden nicht bei mir sind bin ich aufgeschmissen und wehrlos. Ich habe den anderen Wölfen genau gar nichts entgegenzusetzen. Mag Mama mich nicht dass sie mich ohne meine beiden Beschützer auf Klassenfahrt schicken will? Mama schaut die beiden großen, starken Wölfe neben mir sehr streng an. Ihre Augen funkeln böse und ihre Nase hat sie kraus gezogen. Ihrer Kehle entfleucht ein warnendes Knurren. Meine beiden Brüder kläffen aufgeregt dass es ja wohl nicht Mamas Ernst sein könnte sie von der Klassenfahrt auszuschließen. „Oh doch! Das kann ich und das werde ich wenn ihr zwei beide euch nicht zu benehmen wisst!" Ich sacke noch ein wenig mehr in mich zusammen und kauere mich winzig zwischen die beiden. Mama würde mich hoffentlich dann mit zu Hause lassen, oder? Ängstlich schaue ich sie von unten her an und Mama tätschelt mir beruhigend den Kopf. „Du Thore, darfst selbstverständlich mit auf die Klassenfahrt, du hast ja nix ausgefressen." Nun springen mir automatisch die Tränen aus den Augen und ich rutsche unter den Tisch durch um mich meinem Papa in die Arme zu werfen, der gerade mit unserem jüngeren Bruder Ulv die Küche betritt. Gefühlt Stunden liege ich schluchzend im Papas Armen und obwohl er mir beruhigend den Rücken krault und leise auf mich einredet kann ich mich nicht beruhigen um ihm meinen Kummer zu erzählen. Mama übernimmt das aber in ihrer Version klingt meine Angst lächerlich. „Tarek und Timur haben sich gekloppt und ich habe ihnen gedroht dass sie nicht mit auf die Klassenfahrt gehen dürfen wenn sie sich nicht benehmen können." seufzt Mama und Tarek und Timur versichern Papa winselnd dass sie sich schon zu benehmen wissen. Sie haben nur gestritten weil jeder von ihnen mich mit auf seinem Zimmer haben will. Es gibt leider nur Zweibettzimmer so dass einer von uns mit jemand anders aufs Zimmer muss. „Ich hab keinen Bock mit dem Blödmann Calvin aufs Zimmer zu gehen!" sagt Tarek aggressiv. „Der stinkt und duscht nie." „Meinst du ich hab Bock den Stinker die ganze Nacht riechen zu müssen?!?" keift Timur und funkelt Tarek böse an. Ich winsle an Papas Schulter und flüstere: „Ich mach's!" plötzlich herrscht in der Küche Stille. Jeder schaut mich entsetzt an. „Warum das denn, mein Liebling?" fragt Papa ganz sanft und krault mich weiter ganz zart. „Damit Tarek und Timur aufhören zu zanken und mitfahren dürfen. Ohne die beiden bin ich doch aufgeschmissen!" gebe ich flennend zu. Mein kleiner Bruder Ulv streichelt mich auch ganz lieb und dann knurrt er in Richtung Tarek und Timur: „Ihr seid solche Riesenidioten! Calvin wird Thore fertig machen wenn er in seinem Zimmer schlafen muss!" Ich schlucke betroffen weil ich weiß dass Ulv Recht hat. Ich schließe meine Augen und halte mich ganz fest an Papas Hemd fest. Leider zittere ich nun wieder vor Angst was Calvin alles mit mir anstellen würde wenn ich sein Zimmerkollege werden würde. Meine Zwillingsbrüder schauen nun richtig betroffen und dann sagt Timur: „Na, gut, ich mach's. Ich zieh zu Calvin." Tarek sagt ganz kleinlaut: „Ich würde auch zu ihm ziehen. Du zwei Nächte und dann ich zwei Nächte?" schlägt Tarek reumütig vor. Timur grinst ihm zu und nickt. Ich schlucke meine Tränen und frage leise: „Können wir nicht zu dritt in den beiden Betten schlafen?" Ich würde mich viel sicherer fühlen wenn ich meine beiden Brüder bei mir hätte. Ich schlafe viel ruhiger wenn ich so richtig eng an und in die beiden gekuschelt bin. Hier zu Hause schlafe ich ja auch mit beiden im Bett. Ok, oft schlafen auch noch unsere anderen Geschwister bei uns und ganz manchmal sogar Jupiter, Mamas Beta. Jupiter ist gerade einmal vier Jahre älter als wir und wir mögen ihn sehr. Er geht auch an unsere Schule, ist aber natürlich ein paar Klassen über uns. Mama hat Jupiter damals als Beta akzeptiert als seine Mama ihn verstoßen hat. Mama war gerade dabei unser Rudel zu übernehmen und sie fand die Idee dass ein gesundes Kind sterben soll nur weil der neue Partner der Mutter es nicht akzeptiert gruselig. Weil es eine Adoption unter Werwölfen eigentlich nicht gibt hat sie ihn kurzerhand zu ihrem Beta gemacht. Es gab deswegen wohl damals ein Riesengeschrei. Doch Mama war das egal, sie hat sich durchgesetzt. Ist ja auch klar! Mama ist nen Alpha. Wo ich gerade an den Juppi denke kommt er lachend mit unserer Schwester Jasnenka zum Frühstück. Jasnenka ist wie Mama eine Alphawölfin. Sie hat deswegen fast so viele Hater wie ich in der Schule. Keiner mag weibliche Alphawölfe. Sie werden normalerweise bei der Geburt getötet. Doch Mama fiele es nie im Traum ein Jasnenka was zu Leide zu tun. Im Gegenteil. Sie liebt und unterstützt unsere Schwester und ist sichtlich stolz auf sie. Jasnenka ist aber auch eine Hübsche! Sie hat wie Mama ganz hellblondes Haar und grüne Augen. Als Wolf sehen sie unglaublich Elegant aus. Sehr kraftvoll und geschmeidig. Papa und Ulv haben beide schwarze Locken und braune Augen. Als Wolf sind sie ebenfalls schwarz und beide sehr zierlich obwohl Ulv ein Alpha und Papa ein Omega ist. Dennoch ähneln sie sich sehr. Tarek, Timur und ich sind blond und wir haben bernsteinfarbene Augen. Als Wölfe sind wir grau. Tarek und Timur sehen hinreißend aus während ich eher, na, ja, eben ich bin. Nix besonderes. Ein Omega durch und durch.
Als Jasnenka mich sieht fragt sie in Richtung meiner Zwillingsbrüder: „Was habt ihr denn nun schon wieder angestellt dass Thore so weint?" Jasnenka funkelt meine beiden Brüder genau so böse an wie Mama. Doch die beiden strecken ihr die Zungen raus und sagen: „Wir haben Thore nicht zum Weinen gebracht! Mama wars! Die will Thore allen Ernstes ohne uns alleine auf die Klassenfahrt schicken." Nun reißt Jasnenka ihre Augen auf und sagt entsetzt: „Aber Mama! Das kannst du nicht machen! Thore ist tot wenn er nach Hause kommt!" Mama grummelt und sagt mit bestimmender Stimme: „Thore ist ein großer Junge. Optisch ist er von Tarek und Timur nicht zu unterscheiden. Ich bin mir sicher dass er auch genau so stark wie die beiden ist. Ich glaube nicht dass er einen Babysitter braucht." Nun schnauben alle meine Geschwister ungläubig. Tarek und Timur brüllen ihre Ablehnung lautstark heraus, so dass niemand sie versteht, Jasnenka starrt Mama stumm aber entsetzt an. Nur Ulv reagiert besonnen. Er geht zu Tarek und Timur und legt ihnen seine Hände auf die Schultern so dass sie verwundert verstummen. Dann sagt er mit seiner leisen und lieben Stimme ganz ruhig: „Mama, da irrst du leider. In der Schule wissen alle dass Thore ein Omega ist. Sie behandeln Thore nicht als ebenbürtigen Wolf. Während Jasnenka und ich nur ihren Spott ertragen müssen wird Thore auch körperlich angegangen. Letztens hat René versucht ihm nach dem Sportunterricht aufzulauern um ihn zu verprügeln. Zum Glück hat Loan der Dummkopf vor ein paar Mädchen damit lautstark angegeben, so dass wir es mitbekommen haben und Renes Plan vereiteln konnten. Thore ist wirklich in Gefahr, Mama. Er bildet sich das alles nicht nur ein." Mama schaut nun unseren Jüngsten sehr aufmerksam und ein bisschen betroffen an. „Und als Omega hast du keine Chance dich zu wehren. Würde Thore es versuchen dann hätte er sämtliche Wölfe gegen sich. Ich glaube die ganze Schule, inklusive der Lehrer würden ihn dann verkloppen. Omegas dürfen sich doch nicht wehren." Nun schaut Mama richtig traurig. „Das ist so falsch!" sagt sie bekümmert. „Aber leider die Realität." sagt Ulv seufzend. Papa mischt sich nun ein und er sagt mit seiner zarten Stimme: „Da Tarek und Timur sich geeinigt haben Thore mit in ihr Zimmer zu nehmen ist doch alles gut." Er schaut Mama lieb an und sie lächelt ihm automatisch verliebt zu. „Mit dem Direktor dieser Schule müssen wir uns einmal ernsthaft unterhalten." sagt Mama zu Papa. „Demnächst werden einige unserer Omega die Schule wechseln und ich möchte nicht dass ihnen einLeid geschieht." Papa entlässt mich aus seinen Armen und ich setze mich wieder neben Tarek auf die Bank. Ich lasse mir von Tarek meine Müslischale geben und futter die Reste meines Frühstücks auf. Die Unterhaltung meiner Eltern wegen unserer zahlreichen Adoptivgeschwister interessiert mich herzlich wenig. Mama und Papa lieben es nämlich Kinder zu retten und zu adoptieren. Jupiter ist nicht der einzige dem die das Leben gerettet haben. Mama und Papa nehmen Waisenkinder und ausgesetzte Kinder bei sich auf. Da niemand einen Alpha aussetzt sind sechs meiner acht Adoptivgeschwister Omegas. Die sind alle ganz lieb und wir verstehen uns blendend. Aber sie haben keine Alpha und Beta Zwillingsbrüder die ihnen gegen die Werwolfschulgemeinschaft zur Seite stehen können. Ich frage mich wie die die Schule überleben werden ohne ernsthaft zu Schaden zu kommen.

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