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Was nun folgt kann ich nicht mehr genau beschreiben. Ich fühle mich wie in Trance, wie in einem falschen Film. Wie als sei ich in einer falschen Alternative. Timur und Thore bleiben eng an meiner Seite. Sie halten mich und lassen meine Hände kaum los. Ich fühle mich schrecklich, immerhin haben die beiden sich als Mates bekommen und nun stecke ich zwischen ihnen. Mama und Papa umarmen mich beide ganz fest und sagen mir dass sie mich lieb haben. Dann bieten sie mir an dass ich bei ihnen heute nacht schlafen dürfe. Ich schüttel meinen Kopf. Ich möchte meine erste Nacht als erwachsener Alpha nicht weinend zwischen meinen Eltern verbringen. Dann lieber weinend in meinem eigenen Haus. Das Fest überstehe ich  irgendwie und als sich Timur und Thore dann zurückziehen muss ich ganz schnell auch in mein neues Haus um zu flennen. Ulv ist mir gefolgt und er nimmt mich in seine Arme. Gut dass ich so einen lieben kleinen Bruder habe. Ich schluchze die ganze Zeit. Natürlich habe ich den Betafunk gekappt. Es fehlte ja noch dass ich Timur und Thore die Hochzeitsnacht mit meinem Gejammer versaue. Aber kurz nachdem ich mich halbwegs beruhigt habe und Ulv mich dann doch alleine gelassen hat sind Timur und Thore zu mir gekommen. "Wir können nicht ohne dich!" sagen sie einfach und legen sich neben mich. Die beiden nehmen mich in ihre Arme und sie schlafen mit mir. Also ich versenke mich in Timur und Thore sich in mir. Ich bin genau zwischen meinen beiden Lieblingswölfen und lasse mich von ihnen so richtig verwöhnen und auffangen. beseelt durch ihren verführerischen Duft lasse ich mich von ihnen oberhalb meines Herzens beissen und ich beisse ihnen ebenfalls in die Brust. Sie haben sich dort schon gegenseitig markiert und ich makiere einfach darüber. Ich liebe diese beiden Wölfe und mein Biss kommt aus tiefstem Herzen. Ich vergesse für die Nacht meine Trauer und schlafe halbwegs glücklich in den Armen meiner beiden Brüder ein.

Doch am nächsten Morgen überkommt mich das schlechte Gewissen. Ich bin nicht der Mate der beiden. Ich bin ihr Alpha. Sie sind meine Beta und sonst nix. Ich habe eine Mate doch das Mädchen ist mir so fern wie nur irgendetwas. Selbst meine Geschwister kann ich in meinem Herzen fühlen, meine Mate nicht. Ich kenne weder ihr Gesicht, noch ihren Geruch, sonst noch etwas von ihr. Ich weiss nur dass sie existiert und das macht mich traurig. Ich glaube ich könnte besser leben wenn es sie nicht gäbe. Mein Herz verkrampft bei der Vorstellung eines Tages nicht mehr meine Brüder mit der gleichen Liebe zu bedenken die ich gestern mit ihnen geteilt habe. Ich will das nicht ändern! Ich will einfach nicht! Die beiden schlafen eng an mich gekuschelt und duften ganz herrlich. Ich kann mich kaum satt an ihnen riechen. Ganz vorsichtig winde ich mich aus ihren Armen und dann schleiche ich aus dem Haus. Es ist noch ganz früh morgens und der Nebel hängt tief über dem Dorf und der Wald ist hinter dem weissen Vorhang versteckt. Die leere Festwiese sieht einsam aus. Genau so fühle ich mich: als wäre das pralle Leben vorbei. Bis gestern morgen war meine Welt in Ordnung und ich konnte lachen und fröhlich sein, doch jetzt ist alles leer, die Bänke umgeworfen, alles durcheinander und verlassen. Ich bin verlassen. Ich bin niemandes Mate, ich habe eine Idee, ein Versprechen beziehungsweise eher eine Drohung als Mate. Ich will sie nicht, ich kann nicht. Lautlos schleiche ich mich in den Wald. Ich versuche an nichts zu denken und meine Füsse laufen einfach los. Ich will weg, weg aus meinem alten Leben, weg von meinen Lieben. Ich kann es nicht ertragen sie glücklich zu sehen und dafür schäme ich mich. Sie haben mir immer mein Glück gegönnt und ich kann es nicht! Ich durfte immer einen von ihnen alleine zurück lassen und sie haben sich nie beschwert. Nun bin zum ersten mal in meinem Leben ich der Zurückgelassene und ich komme damit nicht klar. Ich muss anhalten um zu weinen. Ich schäme mich für meine egoistischen Gefühle. Anstatt mich für meine Brüder zu freuen bin ich eifersüchtig. Anstatt ihnen alles Glück der Welt zu wünschen bin ich neidisch. Anstatt mit ihnen ein Rudel zu führen laufe ich weg und triefe vor Selbstmitleid. Wiso bin ich so? Wieso bin ich so unzulänglich? Wieso erkennt man eigentlich immer noch nicht auf den ersten Blick dass ich ein Alpha bin? Überhaupt, dass ich ein Junge bin? Jeden Morgen beim Blick in den Spiegel schaut mir ein Knabe entgegen der auch ein Mädchen sein könnte. Gut, Timur und Thore sehen genau so aus und bei ihnen stört es mich nicht. Im Gegenteil, ich finde die beiden perfekt so wie sie sind. Aber ich? Wieso ich? Ich bin doch ein Alpha? Ich habe doch gestern meine Alphakräfte geweckt bekommen? Wieso fühle ich mich dann gerade alles andere als stark und unbezwingbar? Wieso fühle ich mich schwach und klein? Ich laufe und laufe so schnell ich kann und so weit mich meine Füsse tragen. Die Betaverbindung hab ich gekappt. Wenn ich mich schon nicht für meine Brüder freuen kann so will ich mich doch wenigstens nicht zwischen sie drängen. Sie sollen ein glückliches Paar werden. Und wenn das halt nur dann geht wenn ich nicht mehr dabei bin dann ist das eben so. Ich laufe geduckt vor meinem Leben davon und mit jedem Schritt merke ich dass mein Herz schwerer wird und mein Geist trauriger wird. Doch ich bin gewillt meinen Brüdern ein schönes Leben zu ermöglichen. Ohne dass ich mich einmische, ohne dass sie wegen mir ein schlechtes Gewissen haben müssen, ohne dass sie sich genötigt fühlen sich zu mir zu legen. Ich will das alles nicht mehr. Jedes mal wenn mein Herz verkrampft dass ich keine Luft mehr bekomme jage ich meine Beine vorwärts. Jedes mal wenn ich umdrehen will verbiete ich es mir. Ich kämpfe gegen mich selber und renne einfach weg. Ich hoffe dass mich zu hause niemand vermisst. Immerhin haben die mich ja noch zwei mal. Sie können also auf mich verzichten. Ich laufe bis mir der Biden unter den Füßen wegkrocht und alles schwarz vor meinen Augen wird.

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