Kapitel 6 - Magnus

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Alec hatte Probleme, seine Atmung unter Kontrolle zu halten, denn im Licht, selbst wenn es nur Kerzenlicht war, sah er einfach unglaublich aus.

Er trug eine enge Hose aus einem robust wirkendem Material und schwarze, verdreckte Wanderstiefel. Unter einem langen, unauffälligen Mantel trug er ein enges, weißes Baumwollhemd, welches sich provokant über seine trainierte Brust spannte. Seine Augen waren schwarz umrandet, wahrscheinlich mit Kohle, wie sie die Frauen oft und gerne benutzten. Seine Haare waren kunstvoll nach oben gegelt, auch wenn sich mittlerweile ein paar Strähnen gelöst hatten und ihm ins Gesicht fielen. Seine karamellfarbene Haut verriet, dass er aus einem anderem Land stammte und auch seine geschwungenen, feinen Gesichtszüge ließen dies vermuten.

Alec folgte dem Mann mit den Augen, als er sich den Mantel abstreifte und ihn achtlos auf einen Stuhl warf, bevor er sich mit einem provozierenden Grinsen an den älteren Mann wandte.
Ihm stand dieses Grinsen übrigens unglaublich gut.

~Ragnor, so spricht man doch nicht mit Gästen.~, tadelte er dem Mann, der wohl Ragnor hieß.
~Mit Gefangenen, Magnus, er ist ein Gefangener. Wie würdest du ihn denn behandeln, wenn er behauptet, die Brut des Tyrannenkönigs zu sein?~

Magnus, so hieß der mysteriöse Kerl also. Alec hatte den Namen zwar noch nie gehört, fand aber, dass er perfekt zu ihm passte.

~Ach das? Er ist doch vom Pferd gefallen und hat sich dabei den Kopf gestoßen. Da kann es schon einmal passieren, dass man da etwas vertauscht~, erklärte Magnus leichthin, warf Alec aber einen kalten Blick zu.
~Achja, und wer ist er dann? Und vor allem, was macht er hier?~

~Elias Blackthorn natürlich. Ich hab ihn gefunden, als ihn gerade vier Soldaten kalt machen wollten. Dann ist er mir wohl hierher gefolgt und dann in einer eurer dämlichen Seilfallen geraten. Danke, Simon.~
Der Junge neben dem rothaarigen Mädchen hob abwehrend die Hände.
~Es hat aber funktioniert.~
~Ja, leider~, murmelte Magnus leise.

~Ich kenne gar keinen Elias Blackthorn.~, bemerkte der dunkelhäutige Kerl mittleren Alters, der ebenfalls am Tresen lehnte, skeptisch.
~Das könnte sowohl daran liegen, dass du lange nicht mehr in Alicante warst, Luke, aber auch, dass Elias nur ein entfernter Verwandter der Blackthorn Geschwister ist.~, log Magnus, ohne auch nur den Hauch eines schlechten Gewissens.
~Vielleicht.~, gab Luke zu.

~Würdet ihr Elias vielleicht losbinden? Seht ihn euch doch an! Er kann noch nicht einmal ner Fliege was zu Leide tun!~, sprach er, wobei seine Stimme vor Hohn nur so tropfte.

Alec wollte nicht, doch seine Augen wurden von Magnus' praktisch angezogen und so zuckte er leicht zusammen, als er die Kälte darin erkennen konnte. Aber da war noch etwas anderes in seinen Augen. Etwas, das er nicht genau definieren konnte. War es Schmerz?

Jedenfalls schien Magnus alles gesagt zu haben, was er wollte, denn er wandte sich ab, ging um den Tresen herum und verschwand in der Tür, die Alec schon vorher aufgefallen war.

Dann wurden die Stricke um seine Gelenke gelöst und er konnte sie wieder bewegen. Er rieb sich die schmerzenden Handgelenke, an denen man die roten Striemen, die das Seil dort hinterlassen hatte, genau erkennen konnte.
~Lass mich mal sehen.~, bat die Frau vor ihm und nahm sanft sein rechtes Handgelenk zwischen ihren erdfarbenen Hände.

~Keine Sorge, es sieht schlimmer aus als es ist~, beruhigte sie ihn und stand dann auf,~In ein paar Tagen ist das verheilt. Wenn es morgen noch immer schmerzt, gebe ich dir eine Salbe. Für jetzt sollte es genügen, wenn du deine Hände mit Wein desinfizierst. Den findest du im Keller.~
Sie deutete auf die Tür, hinter der Magnus verschwunden war.
Alec sah wieder zu ihr und murmelte ein ungeschicktes~Danke.~

Dann stand er mit wackligen Beinen auf und ging ebenfalls auf die versteckte Tür zu.
Wider seiner Erwartungen führte diese Tür nicht in einen Raum sondern in einen engen, kaum beleuchteten Flur, von dem rechts und links jeweils zwei Türen abgingen und der am anderem Ende in einer engen Wendeltreppe endete.

Auf gut Glück öffnete Alec die erste Tür und trat in einen quadratischen, schummrig beleuchteten Raum ein.
Sofort stieg ihm der fruchtige und schwere Geruch von Wein in die Nase. Er war also genau dort, wo er hingewollt hatte.

Die Wände waren von Regalen gesäumt, in denen dutzende von Flaschen steckten. Aber Alec bezweifelte, dass man hier nur Wein aufbewahrte. Dazu war der Raum einfach etwas zu groß.
Er zuckte erschrocken zusammen, als ihn eine tiefe Stimme von der Seite ansprach~Was willst du hier?~

Er wandte sich zur Seite und erkannte Magnus, der ihn feindselig musterte.
~Man hat mir gesagt, ich soll einen der Weine benutzen, um meine Gelenke zu desinfizieren.~, stammelte er nervös.

Seine Nervosität stieg, als Magnus mit drei großen Schritten auf ihn zukam, ihn an den Schultern packte und gegen eins der Regale presste, sodass dieses gefährlich schwankte. Er kam Alec so nah, dass er seinen Atem auf seiner Haut spüren konnte. Sofort überzog eine Gänsehaut Alecs Körper und sein Herzschlag beschleunigte sich, als ihm Magnus' Geruch in die Nase stieg.
Er roch nach Sandelholz.
Sofort war er betört von diesem Duft und wollte nie wieder etwas anderes riechen. Alec versank wieder in seinen Augen, die ihm auf einmal so nahe waren, dass er jeden einzelnen Farbtupfer in diesem Braun hätte zählen können.

Magnus war ihm so nah, dass Alec seine Körperwärme spüren konnte und er wurde sich ebenfalls bewusst, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. Alec hätte sich nur ein wenig vorbeugen müssen und schon wären ihre Lippen vereint und er war auch gerade auf dem besten Wege, dies zu tun, als Magnus' Worte, zusammen mit seinem warmen Atem sein Ohr streiften.
~Hör zu: Ich weiß, wer du bist und vor allem, was du bist. Deine Rettung war ein Fehler. Verschwinde von hier. Ich werde nämlich nicht mehr lange für einen verträumten Heuchler lügen.~

Mit diesen Worten schnappte sich Magnus eine Weinflasche, die neben Alecs Kopf in einem Regal steckte, löste sich ruckartig von ihm und verließ den Weinkeller.
Alec sackte mit einer plötzlichen Kälte in seinem Herzen auf die Knie, während die Tür krachend ins Schloss fiel und ihn der Leere in seinem Körper vollkommen auslieferte.

Malec-Der Prinz von IdrisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt