Kapitel 12 - Vergammelte Socken

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Alec erwachte aus einem unruhigem Schlaf und stellte beinahe mit Erleichterung fest, dass der nächste Morgen angebrochen war und er endlich aufstehen konnte. Der Schlaf hatte seinem Körper zwar gut getan, aber er hatte furchtbares geträumt.

Er hatte geträumt, dass er Magnus sein Herz ausgeschüttet hatte, der aber einfach kehrtgemacht und davongerannt war. Alec hatte noch versucht ihn einzuholen, vergeblich.

So schmerzte sein Herz, als er die Treppen ins Wohnzimmer runterschlich, doch als er unten angekommen war, schien eine große Last von seinen Schultern zu fallen.
Magnus war noch da.

Er saß in einem großen Sessel und schlief. Obwohl er sehr erschöpft aussah, war er wunderschön, wie Alec fand. Zwar war die Kohle um seine Augen etwas verwischt, seine Kleidung zerknittert und seine Frisur war hinüber, doch das alles interessierte Alec nicht.

Schlussendlich riss er sich trotzdem von diesem Anblick los. Magnus hatte ja klar gemacht, dass er lieber ohne ihn wäre.

Also schlenderte Alec in die Küche, auf der Suche nach etwas Essbarem. Er fand einen Leib Brot, einen Apfel, Butter und ein paar Kräuter.
Alec versuchte einen Tee aufzusetzen, das hatte er seid Kindesbeinen nicht mehr gemacht, weshalb dies auch ziemlich lange brauchte, doch schlussendlich klappte es. Ob das Gebräu dann aber auch schmecken würde, wusste er nicht.

Dann schnitt er mit dem Dolch, der sich noch immer in seinem Schuh befand -er war ein Erbstück und Alec war unglaublich froh, dass er noch da war- zwei dünne Scheiben von dem Brot ab und bestrich diese mit der Butter. Zum Schluss viertelte er den Apfel und verteilte alles auf zwei Holzteller. Als der Tee fertig war, goss er ihn in zwei Tassen, die er in einem der Regale gefunden hatte und balancierte dann alles Richtung Wohnzimmer.

Beinahe hätte er aber alles fallen lassen, als er Magnus an Michaels Seite vorfand, aber er schaffte es noch gerade so, sein Gleichgewicht zu halten.

~Guten Morgen. Ich dachte du schläfst noch.~, begrüßte er Magnus zögernd, während er alles auf den kleinen Tisch vor dem Sofa abstellte.
~Ich habe ja auch noch geschlafen, bis du aufgetaucht bist.~, erklärte er unterkühlt und wechselte die Wadenwickel.

Danach erhob er sich und verschwand wortlos in der Küche. Alec versuchte sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen und ließ sich seufzend auf einem der Sessel nieder. Er hatte gehofft, dass sich Magnus nach seinem Ausbruch gestern wieder beruhigt hatte, aber noch immer herrschte diese unterschwellige Wut in ihm, die ihn so kalt und unnahbar wirken ließ.

Alec war so sehr damit beschäftigt, sich einzureden, dass Magnus das nicht war. Er hatte ihn Gestern Nacht gesehen, diesen liebevollen Ausdruck in seinem Gesicht und die zarte Zuneigung in seinen Augen, die ihm gegolden hatte. Er klammerte sich so sehr an diese Erinnerung, dass er gar nicht merkte, wie Magnus zurückkam und sich wieder auf den Boden kniete, nun mit einer kleinen Schale in der Hand, in der eine nicht zu erkennende Flüssigkeit hin und her schwappte.

Alec zuckte erschrocken zusammen, als Magnus zu ihm aufsah. Im Gegensatz zu letzter Nacht konnte er jetzt keinerlei Emotion aus seinen Augen herauslesen. Stadessen glichen sie der Oberfläche eines spiegelglatten Sees, sie verrieten rein gar nichts.
~Kannst du mir helfen?~, rissen ihn Magnus' Worte aus seinen Gedanken. Er hatte schon wieder gestarrt, dabei wollte er sich das doch abgewöhnen!

~Wobei?~, fragte er zitternd. Mist, er wollte ihm doch zeigen, dass ihn die Abfuhr völlig kalt ließ!

Statt einer Antwort nickte Magnus kurz in Richtung des kranken Mannes und Alec verstand. Er kniete sich neben Magnus, wobei sich ihre Knie hauchzart berührten, was eine Gänsehaut auf Alecs Körper zur Folge hatte. Magnus schien diese Berührung auch zu bemerken, denn er zuckte erschrocken zurück, als wäre er glühend heiß und sah ihn erstaunt an.

Die Spiegelflächen, denen seine Augen momentan glichen, bekamen Risse, aus denen Alec erneut diese Unsicherheit heraussickern sah. Zusammen mit der Angst und wieder dieser Sehnsucht, die ihm den Atem raubte.

Minutenlang sahen sie sich einfach nur an, genossen das kribbelnde Gefühl, das der andere bei ihm auslöste und lauschte dem Knistern, das beinahe greifbar zwischen ihnen herrschte. Es wurden keine Worte gewechselt und doch so viele Sätze gesagt, für die es einfach keine Worte gab.

Schlussendlich war Magnus derjenige, der den Blick abwandte und auf die Schale starrte. Auch Alec wandte sich, wenn auch widerwillig ab, und widmete sich seiner Arbeit. Sanft hob er Michaels Kopf an, damit Magnus ihm den geheimnisvollen Trunk Stück für Stück einflößen konnte.

Als er fertig war, legte er die Schale fort und entfernte sich dann beinahe fluchtartig von Alec, um sich in einem der Sessel niederzulassen. Dann sah er auf den Teller und die Tasse hinab, als hätte er beides erst jetzt bemerkt.

Er sah erst zu Alec und dann wieder auf den Tisch. Vorsichtig nahm er die Tasse in seine Hände und murmelte ein leises~Danke.~
Dann trank er einen Schluck und verzog kaum merklich das Gesicht.

~Dir schmeckt es nicht.~, stellte Alec lächelnd fest, während er sich auf den gegenüberliegenden Sessel setzte.
~Nein, gar nicht. Es ... ich habe nur noch nie ... so einen Tee getrunken.~, stammelte Magnus.

Alec hielt verwirrt Inne. Magnus stotterte? Das war neu.
Das schien nun auch Magnus aufzufallen, denn er sah schnell zur Seite, doch seine Verlegenheit konnte er so bei weitem nicht kaschieren. Das war auch neu.

~Es tut mir leid, aber ich habe beinahe noch nie einen Tee zubereitet, vor allem nicht mit den Kräutern, die ich hier gefunden habe.~, versuchte Alec weiterzureden.
~Das schmeckt man, aber ... die Geste zählt~, meinte er und biss in das Butterbrot,~Dafür kannst du aber die besten Butterbrote schmieren.~

~Dazu gehört ja auch nicht viel Talent.~
~Naja, Ragnors Brote haben immer nach vergammelten Socken geschmeckt, also gehört sehr wohl Talent dazu.~
~Du kennst Ragnor schon lange, oder?~, fragte Alec interessiert.

Er mochte den Ausdruck auf Magnus' Gesicht, der etwas nostalgisch war, aber in einem gutem Sinne.

~Er hat mich gewissermaßen großgezogen~, erzählte er stockend,~Er hat mir alles beigebracht, was ich weiß und war immer für mich da. Vor allem, nachdem ...~
Seine Stimme versagte und seine Augen schimmerten verdächtig.

Schnell senkte er den Kopf, stand auf und eilte in die Küche.

Malec-Der Prinz von IdrisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt