Kapitel 59 - Madame Dorothea

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Nur widerwillig ließ Alec von ihm ab und richtete sich auf, um zu sehen, wer sie gestört hatte.

Sofort wurde er tiefrot im Gesicht.
Es war die alte Hexe, die in ihrer gekrümmten Haltung vor dem Bett stand und sie genervt ansah. Er meinte jedoch auch einen Funken Belustigung in ihren Augen aufblitzen zu sehen.

Jedenfalls war ihm diese Situation mehr als peinlich. Möglichst würdevoll -sofern er noch etwas wie Würde besaß- rutschte er an den Rand des Bettes, um der Hexe Platz zu machen, die sich auch promt auf die Bettkante setzte.
Wiedereinmal war Alec neidisch, auf Magnus' Pokerface, denn er schien überhaupt nicht beschämt oder dergleichen.

Man hätte meinen können, seine Verletzlichkeit von vorhin, war nie da gewesen, denn er wirkte so gelassen wie eh und je, aber Alec wusste es besser. Magnus war es zwar nicht peinlich, dass sie erwischt worden war -viel mehr war er verägert, weil er gern weitergemacht hätte-, doch noch immer war er noch nicht völlig entspannt. Er war nervös und hibbelig, was man an seinen Fingern sehen konnte, die unruhig auf der Bettdecke herumtrommelten.

Mittlerweile hatte auch er sich aufgesetzt und sah nun die Hexe mit einem jener analytischen Blicke an, bei dem Alec das Gefühl hatte, er konnte einem direkt in die Seele sehen.

Plötzlich änderte sich etwas in seiner Mimik, die Anspannung viel ab und machte einem kleinen, erfreutem und überraschtem Lächeln Platz.

~Dot?~, fragte er lächelnd, auch wenn sich leichter Unglaube in seinen Augen widerspiegelte.
Er schien die alte Dame zu kennen, das war klar, nur woher?

Alec fiel auf, dass er gar nichts über die Hexe wusste, einfach, weil er nie gefragt hatte. Ihn hatte ihr Privatleben schlichtweg nicht interessiert, denn in seinem Kopf war nur Platz für einen Gedanken gewesen. Den Gedanken an Magnus und dessen Wohlergehen.

Deshalb beschloss er, ersteinmal zuzuhören und so vielleicht mehr über diese Dot zu erfahren.

Die alte Dame nickte und zum ersten Mal war etwas wie Führsorge in ihrem Gesicht zu erkennen.
Das Nicken schien Magnus zu reichen und er zog die Frau in eine kurze, aber liebevolle Umarmung.

~Was machst du hier?~
~Dir verbieten zu sterben?~, fragte sie zurück,~Du machst schließlich alles, wenn es kein Verbot ist und oft sind dir selbst diese egal.~

Er lachte kurz, bevor ihm wieder einzufallen schien, dass Alec auch noch existierte.

~Alexander, das ist Madame Dorothea. Früher war sie die Hofhexe und hat in einer kleinen Hütte im Palastgarten gelebt. Immer wenn sich meine Eltern gestritten haben, bin ich zu ihr gerannt, um mich abzulenken. Wir haben Stunden damit verbracht, Zaubertränke zu mixen, uns die Pflanzenwelt im Garten anzusehen und Kekse zu backen und sie zu essen. Ich glaube, ich habe meine halbe Kindheit in ihrer alten Holzhütte verbracht. Nachdem ... das alles dann passiert ist, habe ich mich nicht getraut, sie wieder zu besuchen und als ich endlich einen Blick in den Garten gewagt habe, war ihre Hütte verschwunden. Warum eigentlich?~

~Ich kann den Großteil der Lightwoods nicht leiden. Lieber zieh ich in einen Wald als mir ihr hochnäsiges Geschwafel anzuhören~, antwortete sie,~Wenigstens sind nicht alle so verkorkst.~

~Ähm danke?~
Es war mehr eine Frage als eine Antwort, doch Dorothea schien das trotzdem zu genügen, denn sie wandte sich wieder Magnus zu.

Sie strich ihm ein paar verirrte Haarsträhnen aus der Stirn und betrachtete seine Augen mürrisch und obwohl er es sich kaum anmerken ließ, war Magnus dabei nicht ganz wohl bei der Sache, zumindest flackerte dies kurz in seinen Augen auf.

~Zumindest musst du dir jetzt nicht mehr diese schwarze Pampe um die Augen schmieren, um aufzufallen.~, meinte sie jedoch lediglich und entfernte ihre Hand wieder von seinem Gesicht.

~Ich frage jetzt mal nicht, woher du weißt, dass ich Lidschatten und Eyeliner benutze~, sagte Magnus mit einem leichten Grinsen im Gesicht,~Außerdem falle ich jetzt nur noch mehr auf, immerhin ist der Kontrast um einiges größer. Ich laufe sozusagen mit zwei Warnschildern im Gesicht durch die Gegend.~
Er hatte einen unbekümmerten Ton angeschlagen und grinste dazu, aber dieses Grinsen war nicht nur schelmisch, sondern besaß auch eine traurige Note.
Er versuchte, sich und die Veränderungen zu akzeptieren, was ihm aber noch nicht so leicht zu fallen schien.

Alec sah sich einfach dazu verpflichtet, seine Hand zu ergreifen und sie beruhigend zu drücken. Er wollte ihm zeigen, dass er nicht alleine war und dass er ihn trotzdem oder gerade deswegen liebte.

Oft sagten gerade solche, scheinbar beiläufige, Taten mehr als es tausend Worte je könnten.

Magnus warf ihm einen dankbaren Blick zu, der ihm zeigte, dass er genau richtig gehandelt hatte.

Madame Dorothea untersuchte ihn daraufhin nach weiteren Schäden oder Verletzungen, doch die blieben, den Engeln sei Dank, aus.
Alec hätte nämlich nicht gewusst, was er getan hätte, wäre Magnus nochmals in so eine tiefe Verzweiflung abgerutscht.

Als sie fertig war, sah sie einigermaßen zufrieden aus, was man an ihrem faltigem Gesicht jedoch nur schwer ablesen konnte.

~Es sieht so weit alles gut aus.  Trotzdem wirst du die nächsten drei Tage hier im Bett verbringen, zur Erholung~, dann sah sie zu Alec,~Und du wirst dafür sorgen, dass er sich daran hält.~

~Hallo? Ich kann dich immer noch hören.~, wandte Magnus genervt an, grinste aber noch immer.
~Ich weiß~, gab sie unbekümmert zu,~Aber dein Freund ist um einiges vernünftiger und konsequenter als du.~
~Wahrscheinlich.~, stimmte er zu und betrachtete Alec nachdenklich.

~Übrigens zählt die Bettruhe auch für den Sport im Bett. Magnus muss sich ausruhen. Nach diesen drei Tagen könnt ihr machen, was ihr woll. Dann ist es mir egal, aber für jetzt sind alle sportlichen Aktivitäten und alles, was sonst noch mit unnötiger Bewegung und Anstrengung zu tun hat, gestrichen, verstanden?~, fragte sie und sah abwechselnd von Alec zu Magnus und wieder zurück.

Während Alec, peinlich berührt, errötete, lächelte Magnus sie nur süffisant an.
~So etwas würden wir nie tun, Dot! Ich bin geschockt, dass du so schlecht von mir denkst!~

~Ich denke lediglich realistisch.~, meinte Dorothea, erhob sich ächzend und schlurfte zur Tür. Dort wandte sie sich nochmals mit ihrem bohrendem Blick zu den Beiden um.
~Solltet ihr mein Verbot missachten -so etwas merke ich-, dann glaubt mir, dass gelbe, eingewachsene Fußnägel und Fußpilz eure geringsten Sorgen sind.~

Dann verschwand sie durch die Tür und ließ die Beiden wieder alleine.

Malec-Der Prinz von IdrisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt