Kapitel 55 - Verpasste Momente und zweite Chancen

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Ab da passierte alles wie in Zeitlupe.
Ohne nachzudenken, drehte Magnus sie beide herum und stieß Alec dann vor sich auf den Boden.

Dieser gab einen erstickten Laut von sich, als er auf dem Boden aufkam, doch da spürte Magnus auch schon, wie sich die Dolchspitze durch seine Haut und tief in seinen Körper bohrte. Er spuckte Blut aus und da wurde ihm klar, dass der Dolch wohl seine Lunge durchstoßen hatte.
Dann gaben auch schon seine Beine unter ihm nach und er krachte ebenfalls zu Boden, unfähig zu schreien oder auch nur zu fluchen.

Sein Körper fühlte sich furchtbar an, auch wenn der Schmerz nur dumpf zu ihm durchdrang. Er nahm alles nur noch verschwommen war, als befände er sich tief unter Wasser. So nahm er auch nur am Rande war, wie Alec aufschluchzte, zu ihm kroch, seinen Kopf in seinem Schoß bettete und ihn sanft hin und her wiegte, wie ein Kind, welches man zu trösten versuchte.

Magnus konnte sein Gesicht nur verschwommen wahrnehmen, bei den Geräuschen um sich herum hatte er das schon längst aufgegeben.
Langsam verschwanden die Farben und machten einem kontrastlosem grau Platz. Lediglich Alecs tiefblaue Augen konnte er noch sehen.

Sie waren tränenüberströmt.
Tränen seinetwegen.
Da wurde es ihm klar.
Er würde sterben.
Wieder erfüllte ihn keine Panik, denn das letzte, was er sehen würde, war das einzige, was er wirklich sehen wollte. Nämlich dieses faszinierende Blau.

Entgegen aller Klischees zog vor Magnus' innerem Auge nicht sein Leben vorbei, sondern all die Dinge, die er bereute getan zu haben oder eben nicht getan zu haben.

Er bereute, dass er Will -seinen ersten Schwarm- so lange aus der Ferne bewundert und ihm seine Gefühle so lange vorenthalten hatte.
Er bereute es, seinem Vater nie widersprochen zu haben oder einfach nur tatenlos zuzusehen, wenn dessen Hand gegen seine Wange schlug.
Er bereute es, den Hass in den Augen seines Vaters ignoriert und ihn dennoch vergöttert zu haben.
Er bereute es, dass er sich für seine erste Liebe Imasu so verbogen hatte, bis er jemand völlig anderes als er selbst gewesen war.
Er bereute, sich nach Ettas Tod, selbst so zerstört und sich bei Camille so auf seine blinde Naivität verlassen zu haben.
Er bereute, dass er seiner Sehnsucht, geliebt zu werden, so intensiv nachgejagt war, dass er es einfach ignoriert hatte, dass Camille es einfach nicht ernst mit ihm meinte.
Er bereute es, dass er sich vor seinen eigenen Freunden versteckt hatte, immerhin waren sie diejenigen, denen er am meisten vertraute und doch nie genug vertraut hatte, um ihnen die Wahrheit zu sagen.
Er bereute es im allgemeinen, sich so lange vor der Wahrheit versteckt zu haben.

Und da war da noch Alexander.
Ihnen war viel zu wenig Zeit vergönnt gewesen, die sie viel zu ineffektiv genutzt hatten.

Er hatte Alec so vieles nicht gesagt.
Er hatte ihm nie gesagt, wie sehr ihn seine Führsorge rührte, wie niedlich es aussah, wenn er rot wurde und dass sich sein Schnarchen einfach nur herzzerreißend süß anhörte. Er hatte ihm nie gesagt, dass es ihm innerlich jedes Mal eine Gänsehaut verpasste, wenn Alec ihn anlächelte.

Jetzt hatte er keine Zeit, ihm das alles noch zu sagen.
Man lernte wohl erst etwas zu lieben, wenn man dabei war, es zu verlieren.

Und dennoch wollte Magnus in seinen letzten Augenblicken stark sein, für sie beide. Er musste Alec noch etwas wichtiges sagen, dass er bisher zwar nur gedacht, aber wirklich ernst gemeint hatte.

Also legte er, unter Höchstanstrengung, seine Hand an Alecs Wange und strich ein paar der Tränen weg, die unaufhörlich über seine Wangen kullerten. Er sah aus wie ein Engel, wenn man Magnus fragte.

~Alexander ...~, begann er, wurde aber von einem rauen Husten unterbrochen und würgte erneut Blut hoch, welches ihm in einem stetigem Rinnsal aus dem Mundwinkel lief.
~Du musst deine Kräfte schonen. Bitte, du musst still sein.~, flehte Alec und legte ihm einen Finger auf die blutbefleckten Lippen.

Malec-Der Prinz von IdrisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt