Kapitel 35 - Zwischen Zuneigung und Verachtung

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Alec wandte sich um und erblickte Raphael und Camille, die einer Raubkatze gleich, auf sie zugeschwebt kamen. Sie machten keinerlei Geräusche und mit ihrer blassen Haut und den unbewegten Mienen erinnerten sie Alec ein wenig an die Vampire aus seinen Büchern. Natürlich war das Unsinn, doch er konnte nicht behaupten, dass es ihm gefallen würde, mit den beiden allein in einem Raum zu sein.

Zum Glück stand er neben Magnus, der nicht nur eine angenehme Wärme, sondern auch seine übliche Selbstsicherheit austrahlte. Das beruhigte ihn ein wenig.
~Isabelle, Lydia, das sind ... meine Freunde Camille und Raphael.~, stellte Magnus die beiden Seiten vor.

Während die vier dann die üblichen Höflichkeitsfloskeln austauschten, drehte sich Alec zu Magnus und flüsterte~Wo waren die beiden?~

Sein Blick lag dabei aber auf einem diamantenbesetztem Armreif, der an Camilles Handgelenk hing und vor ihrer Abreise aus dem Hunters Moon definitiv noch nicht da gewesen war.
~Camille und Raphael lieben solche Veranstaltungen~, flüsterte er zurück,~Die Musik, die Atmosphäre, die vielen betrunkenen und naiven Adligen, die man spielend leicht um ihren Schmuck und ihr Geld bringen kann, ohne dass sie es merken. So etwas ist eine wahre Goldgrube für einen talentierten Taschendieb. Du glaubst mir nicht, wie schnell Camille dich um dein Geld bringen kann.~

Gegen Ende bekam seine Stimme einen verbitterten Unterton und seine Augen blitzten resigniert und traurig auf.
In Gedanken formulierte er, was er aus Magnus' Augen ablas.
Du glaubst mir nicht, wie schnell Camille dich um dein Herz bringen kann.
Er schluckte, als ihm klar wurde, dass Magnus noch immer unter Camille litt.
Er schien sie noch nicht ganz vergessen zu haben und das ließ Alecs Herz unerwartet schwer werden.

Als ob er seine Gedanken lesen könnte, legte Magnus einen Arm um seine Hüfte und zog ihn an sich.
Alec stieg der vertraute Geruch nach Sandelholz in die Nase und er atmete tief ein, um auch möglichst viel davon aufnehmen zu können.

Dann schloss auch er sich wieder der Unterhaltung der anderen an.
~Da wir uns nun alle kennen, können wir langsam zum Punkt kommen. Morgen werden Isabelle und Sebastian heiraten und das wollen wir um alles in der Welt verhindern. Valentin darf nicht an die Macht gelangen, weil er uns alle in einen Abgrund reißen und das Volk von Idris zugrunde richten würde. Deshalb werden wir die Trauung Morgen sprengen, um allen Anwesenden die Augen zu öffnen und das schlimmste zu verhindern. Dazu brauchen wir aber Details zur Trauung, weil wir bisher nichts darüber wissen.~

~Warum nochmal konntest du uns das nicht genauso knapp erklären?~, fragte Raphael grimmig.
~Weil ihr meine Freunde seid und ich euch ganz doll lieb habe!~, antwortete Magnus mit einem süffisantem Grinsen.
Auch Alec grinste und senkte den Blick.

~Und was genau gedenkt ihr zu tun, nachdem ihr das gemacht habt? Idris kann immerhin nicht herrscherlos bleiben.~, warf Lydia ein.
~Das wird es ja auch nicht~, mischte sich Izzy ein,~Magnus hat es mir erklärt. Wenn wir das alles hinter uns gebracht haben, können Alec und ich unter ein paar festgelegten Regeln regieren.~

Lydia machte noch immer einen skeptischen Eindruck, weshalb Magnus einsprang.
~Ich bin sicher, Ihr habt schon einmal Das Gesetzbuch von Idris in den Händen gehalten. Dort steht, dass niemand allein über Idris herrschen darf. Niemand darf die alleinige Macht haben. Zwei hingegen schon. Die meisten wählen in solchen Dingen die Heirat, aber genau so gut können zwei Geschwister oder Freunde herrschen. Der springende Punkt ist, dass einer königliches Blut braucht und seine Herrschaft daraufhin teilt. Wie ist nirgends festgeschrieben.~

~Nein, ich hatte noch nie ein solches Buch in den Händen, aber das ist gut zu wissen. Dennoch frage ich mich, warum wir nicht den einfachen Weg wählen und die Heirat so durchführen, wie es der ursprüngliche Plan war? Mit Alec und mir.~, warf sie ein und warf Alec einen erwartungsvollen Blick zu.
~Eine Hochzeit steht momentan nicht zur Debatte. Die Gründe dafür sind jetzt unwichtig.~, widersprach Magnus steif, wobei seine Stimme etwas harscher klang als nötig.

~Ich wollte es nur erwähnen.~
~Da wir das nun geklärt haben~, brachte Izzy sie wieder zum Thema,~Die Trauung findet auf der großen Ebene vor Alicante statt, um Punkt Mittag. Es werden aber mindestens hundert Soldaten anwesend sein.~
~Damit haben wir gerechnet.~, meinte Camille mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen, das irgendwie nicht so recht in ihr Gesicht passen wollte.

~Und wie wollt ihr an den Soldaten vorbeikommen?~, fragte Lydia.
Camille, Raphael und Magnus warfen sich einen wissenden Blick zu.
~Wir haben da so unsere Wege.~, erklärte Magnus dann.

~Können wir euch sonst noch helfen?~, fragte Izzy.
~Klar ...~, begann Raphael, doch ab da hörte Alec nicht mehr richtig zu, denn er hatte etwas entdeckt oder eher jemanden.

Er entdeckte Sebastian, der direkt auf sie zusteuerte.
Alec stieß seinen Ellbogen in Magnus' Seite, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.
Als Magnus ihn empört ansah, deutete er hektisch in die Richtung, aus der Sebastian kam.

Seine Miene verfinsterte sich und er warf Raphael einen bedeutungsvollen Blick zu.
Dann drehte er sich zu Alec und seine Augen strahlten wieder die Zärtlichkeit aus, die er so mochte.
~Komm.~, hauchte ihm Magnus ins Ohr, bevor er ihn mit sich zog.

Erst wollte Alec sich wehren, denn er hatte nicht vorgehabt, nach dem Tanz mit ihm je wieder ein Wort mit Sebastian zu wechseln, doch dann sah er zu Magnus.
Er würde auch ohne Alec zu ihm gehen und als er sich an den Blick erinnerte, den Sebastian Magnus zugeworfen hatte, war seine Entscheidung ziemlich schnell gefällt.

Er folgte Magnus und kam Sebastian entgegen, um zu verhindern, dass dieser etwas von ihren geheimen Plänen erfuhr.

~Ich dachte nicht, dass wir uns so schnell wiedersehen.~, begrüßte ihn Magnus mit einem gefälschten Lächeln, das ihm aber gar nicht aufzufallen schien.
~Ich war enttäuscht, dass Ihr mein Angebot nicht angenommen habt.~, antwortete Sebastian.

Alec knirschte mit den Zähnen und griff nach Magnus' Hand. Es war wie ein Reflex, er hatte nicht nachgedacht, sondern es einfach gemacht.
~Wisst Ihr, ich bin ziemlich glücklich so. Sie ist einfach reizend.~
Magnus sah ihn an und er konnte die Belustigung in seinen Augen nur so aufleuchten sehen.

~Das kann ich schlecht beurteilen.~
~Dann glaubt mir einfach, wenn ich Euch sage, dass sie reizender ist als manch andere Person, die ich in gerade diesem Moment angrinse.~, sagte er und grinste Sebastian strahlend an.

Dieser nickte, bis ihm aufging, was damit gemeint war.
Seine Miene verfinsterte sich und er fixierte Magnus mit seinen beinahe schwarzen Augen.
~Das wird Euch noch leidtun.~

~Ach, wird es das? Das muss mir wohl entgangen sein. Entschuldigt bitte.~, meinte er mit süffisantem Lächeln, wobei seine Augen wütend, aber auch triumphierend funkelten.
Sebastian schnaubte.
~Noch einen schönen Ball.~

Dann machte er auf dem Absatz kehrt und schritt davon.
~Du warst gut.~, meinte Alec, als er gegangen war.
~Ach, findest du?~, fragte Magnus und drehte sich zu ihm.

Nun war er wieder der Magnus, den er kannte. Dieser grenzenlos liebevolle, sanfte, aber auch etwas unsichere Kerl, der es jedes Mal schaffte, Alecs Herz zum Salti schlagen zu bringen.
Wieder sah Alec diese Unsicherheit in seinen Augen aufflackern, zusammen mit einer Brise Stolz.

Er legte Magnus eine Hand an die Wange.
~Ja, so bestimmend und unnachgiebig, so herrlich dominant. Einfach wunderbar.~, hauchte er, während er leicht errötete.
Doch es hatte geklappt.
Magnus strahlte, als er ihn zu sich hinabzog und in einen leidenschaftlichen Kuss verwickelte.

Alec konnte diesen ohne Gefahr erwiedern und vor allem gedankenlos geniesen, immerhin war er gerade eine Frau.

Malec-Der Prinz von IdrisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt