Kapitel 27 - Camille und Alexander

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Den ganzen Vormittag und auch den Mittag über arbeitete Magnus in akribischer Kleinarbeit an dem Kleid, denn es sollte sein Meisterstück werden.
Es sollte perfekt werden.

Er redete sich zwar ein, dass er wegen seines eigenen Perfektionismus' so genau arbeitete, doch insgeheim wusste er, dass er sich nur für Alec solche Mühe gab. Er wollte ihn verblüffen und beeindrucken, auch wenn er das eigentlich nicht musste, das wusste er.

Alec mochte ihn, hatte gar Gefühle für ihn, aber trotzdem hatte Magnus das Bedürfnis, ihn von sich zu überzeugen. Er konnte rein gar nichts dagegen tun.

Doch obwohl er sich die ganze Zeit in den Details des Kleides verlor, hingen seine Gedanken größtenteils an seinem Alexander. Der Schwarzhaarige, der sein Herz im Sturm erobert hatte, ohne dass er es gewollt hatte -und er hatte es wirklich nicht gewollt. Alec hatte seine Abweisungen nicht gekümmert und Magnus bereute es kein Stück, dass er seinen Gefühlen irgendwann nachgegeben hatte.

Doch etwas beunruhigte ihn auch. Er hatte gesehen, wie Catarina sich zu Alec nach draußen gesellt und mit ihm geredet hatte.
Er wusste es nicht sicher, aber er vermutete, dass sie sich Alec vorgenommen hatte, weil sie gemerkt hatte, wie viel er ihm bedeutete.

Wahrscheinlich hatte sie ihm eine klare Ansage gemacht und ihm gesagt, dass er es bereuen würde, wenn er Magnus verletzte. Das wäre zumindest nicht das erste Mal, dass sie diese Art von Kampfansage machte. Er fand es herzerwärmend, dass sich seine beste Freundin so für ihn einsetzte und ihn beschützen wollte.

Catarina hatte schon immer diesen beinahe mütterlichen Beschützerinstinkt besessen, der ihm, als er noch mit Ragnor zusammenlebte, sehr gelegen kam. Er mochte Ragnor wirklich, aber er war einfach nicht der Typ, dem man seine tiefsten Sorgen und Ängste anvertrauen konnte und dem man mitten in der Nacht aufsuchen konnte, nur um einfach mal sein Herz auszuschütten. Nein, er war ganz sicher nicht der Typ dafür, weshalb er Catarina umso mehr mochte.

Doch so dankbar er auch für ihre Existenz war, er befürchtete, sie hatte sich bei ihrem Verhör -er fand kein anderes Wort dafür- verplappert und etwas über Magnus' bisheriges Leben erzählt hatte. Sie hatte bestimmt nichts direktes gesagt, jedoch war Alec viel zu schnell darauf gekommen, dass Camille eine seiner Ex-Geliebten war.
Er wusste zwar, dass Alec jegliche Wahrheiten aus seinen Augen herauslesen konnte -er schätzte es wirklich sehr, dass ihn jemand durchschauen konnte, außer Catarina natürlich- , doch das war selbst für ihn zu schnell und leicht gewesen.

Bei dem Gedanken an Camille wurde sein Herz schwer und bekam erneut Risse. Er hatte Alec ein klein wenig über seine Beziehung mit ihr angelogen, oder viel mehr untertrieben.

Seine Gefühle für Camille waren in etwa so intensiv wie die für Alec, auch wenn Magnus länger gebraucht hatte, um sich dies einzugestehen.
Er hatte Alec verschwiegen, wie lange er um sie geworben hatte, wie oft er abgewiesen worden war und wie er immer weitergekämpft hatte.
Er hatte ihm verschwiegen, was für ein Glücksgefühl es gewesen war, als sie seine Liebe erwiedert hatte und dass ihm gar nicht aufgefallen war, dass er viel mehr gab als sie.

Er hatte kein Wort darüber verloren, dass er Camille in dem Bett eines anderen Mannes gefunden hatte und so erfahren hatte, dass sie seine Liebe kaum halbherzig erwiedert und sich stadessen mit anderen, ständig wechselnden Geschlechtspartnern vergnügt hatte.
Und er hatte auch nichts darüber gesagt, wie schlecht es ihm nach dieser Erkenntnis und ihrer Trennung wirklich erging, dass er seinen Schmerz nicht selten in Alkohol ertränkt hatte. Auch hier war Catarina eine wichtige Stütze gewesen.

Er hatte Alec all dies nicht anvertraut, weil er sich zum Einem selbst schützen wollte. Wenn er offen über seinen Schmerz reden würde, würde das zu viele alte Wunden aufreißen, die eigentlich schon längst hätten veheilt sein sollen.
Zum Anderem war Magnus nicht blind. Er hatte sehr wohl die Eifersucht in Alecs Augen aufblitzen sehen und hatte es nicht schlimmer machen wollen.
Eifersucht war ein so hässliches Gefühl.

~Magnus?~
Er zuckte erschrocken zusammen und wandte sich um. Er war so in Gedanken vertieft gewesen, dass er die nahenden Schritte gar nicht gehört hatte.

Doch als er sah, wer da im Türrahmen stand, schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen.
~Du bist zurückgekommen!~
~Ich halte meine Versprechen.~, antwortete Alec mit einem leicht verlegenem Lächeln auf den Lippen.

Es war noch immer der Alec, den er kannte, aber er bemerkte, dass seine Haltung viel eleganter und geschmeidiger war. Auch hatte er den singsangähnlichen Ton übernommen, den die adligen Frauen so vergötterten. Offensichtlich hatte das Training mit den Mädels etwas bewirkt.
~Das ist überaus interessant. Ich sollte dich öfters Dinge versprechen lassen.~, meinte er in unbekümmertem Ton, während Alec auf ihn zuging.

Innerlich war er gespannt wie eine Bogensehne. Er wusste nicht, was Alec nun tun würde. Das war nicht das erste Mal, dass Magnus dies geschah.

Einerseits schien Alec so unwissend und unschuldig zu sein, wie eine frisch erblühte Blume. Doch andererseits war er auch so ungestüm und dominant, wie ein junger Hengst.
Es war für Magnus zu einem Ratespiel geworden, ob Alec ihn jetzt auf diese unschuldige oder doch auf diese dominante und einnehmende Art berühren würde.

Als Alec ihm hauchzart über die Wange strich, seinen Kopf leicht anhob und ihn dann zärtlich küsste, wusste Magnus die Antwort.
Jetzt ist er wieder unschuldig.

Dennoch genoss er das Gefühl von Alecs Lippen auf seinen eigenen und das leichte Kribbeln in seinem Bauch, nach dem er sich die letzten Monate oft genug gesehnt hatte.

Dass ausgerechnet der vermeindliche Thronprinz genau diese Sehnsucht erfüllte, war seltsam, doch keineswegs ungewöhnlich. Magnus' Herz liebte Herausforderungen und komplizierte Beziehungen mit komplizierten Menschen, die man erst irgendwie für sich gewinnen musste.

Als Magnus schließlich den Kuss beendete, lehnte er seine Stirn an Alecs.
~Hat es sonst noch irgendeinen Grund, warum dich die Mädels schon so früh entlassen haben? Nicht, dass ich mich darüber beschweren würde, aber es ist ungewöhnlich, um ehrlich zu sein.~
~Um ehrlich zu sein, gibt es auch einen Grund.~, gab Alec zu und sah ihn unsicher durch seine tiefblauen Augen an.

Gott, Magnus könnte für immer in diesen herrlichen Augen versinken, die tief und geheimnisvoll wie ein dunkler See schienen. Wie der Lyn-See, wenn er so darüber nachdachte.

Jedenfalls war es wohl kaum von Bedeutung zu erzählen, dass Magnus eine Schwäche für blaue Augen hatte. Vor allem, wenn diese in der Kombination mit schwarzen Haaren vorkam, so wie es bei Alec der Fall war.
Natürlich war das nicht der einzige Grund, warum Magnus ihn begehrte, aber es war eines der ersten Dinge gewesen, die ihm aufgefallen waren.

~Und der wäre?~
~Kannst du mir das Tanzen beibringen? Sie meinten, ich sei ein hoffnungsloser Fall und dass du solche Herausforderungen liebst.~, sagte er schließlich, während seine Wangen wieder in einem leichten Rotschimmer aufleuchteten.

Langsam fragte er sich, wie man denn so attraktiv aussehen konnte, wenn man lediglich errötete! Aber vielleicht war er auch voreingenommen und fragte sich das deshalb, weil er das bei Alec so süß und doch irgendwo auch erregend fand.

~Das tue ich in der Tat und ich glaube nicht, dass du ein hoffnungsloser Fall bist, Alexander.~
~Sag das nochmal, nachdem du mich tanzen gesehen hast.~
~Ich werde dir das immer wieder sagen~, meinte er und küsste Alec kurz, bevor er dessen Hand ergriff,~Komm, ich kenne den perfekten Ort dafür. Da haben wir unsere Ruhe.~

Dann zog er Alec mit sich.

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Malec-Der Prinz von IdrisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt