Malec-Der Prinz von Idris

Kapitel 30 - Lord und Lady Lovelace

Alec war nervös, als er mit Camille aus dem Hunters Moon trat. Er wusste schließlich nicht, wie die anderen nun auf ihn reagieren würden.

Er selbst fühlte sich auch absolut unwohl in seiner Haut.
Das Korsett machte ihm das Atmen schwer, obwohl es noch nicht einmal richtig zugezogen war. Das Kleid an sich war zwar sehr schön, schien allerdings -wie auch die schwarze Langhaarperücke- tonnenschwer zu sein, sodass es ihm alles andere als leichtfiel, jeden Schritt mit der Grazie einer Dame auszufüllen. Die Haut auf seinen Wangen kratzte unangenehm wegen dem Puder und schien außerdem staubtrocken zu sein.
Die dunkle Maske, die den oberen Teil seines Gesichts verbarg, minimierte sein Sichtfeld und scheuerte mit ihren harten Bügeln auf seinen hohen Wangenknochen.
Kurzum, er bemitleidete jede Frau, die sich diesen Zirkus freiwillig antat und er schwor sich, sich nie wieder über seine Schwester lustig zu machen, wenn sie stundenlang vor dem Spiegel stand.

Die anderen sahen ihn durchaus überrascht und leicht irritiert an, aber sein Blick war nur auf Magnus gerichtet. Er sah einfach umwerfend aus, zum Niederknien gut.
Er trug einen langen, dunkelblauen Gehrock über einer cremweißen Weste. Dazu trug er eine ebenso cremweiße Hose und tiefblaue Lederschuhe. Die blaue, geschwungene Maske mit den katzenhaften Zügen und die cremfarbenen Handschuhe rundeten sein Outfit ab.

Seine Haare waren ordentlich gekämmt, nicht hochgegelt wie sonst, was Alec irgendwie störte, da er nun so ... herzlich normal aussah, nicht wie der Magnus, den er kannte und ... liebte.

Das leicht amüsierte Funkeln in seinen Augen verriet, dass er Alecs intensiven Blick auf sich bemerkte und genoss. Er leckte sich auch über die Lippen, was Alec zwar nicht ganz verstand, aber irgendwie furchtbar erregte.

Er wandte schnell den Blick ab, bevor die Gefahr bestand, dass er rot wurde oder die Beherrschung verlor oder beides.

Die anderen hatten sich ähnlich herausgeputzt, auch wenn niemand an Magnus heranreichte -vielleicht war er aber in dieser Hinsicht lediglich voreingenommen.

Ragnor hatte sich ebenfalls für einen Gehrock entschieden, wenn auch in grün und mit einem honiggelben Hemd kombiniert. Alec hatte ihn noch nie in einer derart hellen Farbe gesehen, weshalb ihn dieser Gelbton ziemlich überraschte, als er jedoch Catarina neben ihm sah, ging ihm ein Licht auf. Sie trug nämlich ein honiggelbes Kleid mit vereinzelten grünen Akzenten und ihre kunstvolle Hochsteckfrisur wurde von einem grünem Band zusammengehalten. Sie hatten sich vollkommen aufeinander abgestimmt, ähnlich wie Raphael und Camille, die sich für eine Kombi aus Rot und Silber entschieden hatten.

~Dann kann es ja endlich losgehen.~, sagte Raphael in die Stille hinein, wobei er aber leicht genervt klang. Allerdings schien er von allem und jedem genervt, weshalb Alec seinen Ton ignorierte.
~Dann husch husch! Ab in eure Kutsche!~, scheuchte sie Magnus mit einer wegwerfenden Handbewegung hinfort, bevor er sich strahlend an ihn wandte,~Komm!~

Magnus bot ihm seine behandschuhte Hand an, die er nur zu gerne annahm. Er ließ sich zu einer schwarzen Kutsche ziehen und anschließend in die geschlossene Kutschkabine helfen -er wollte das Kleid immerhin nicht gleich ruinieren.
Magnus schloss die Tür und ließ sich seufzend neben ihn auf die gepolsterte Bank fallen.

Er kniff die Augen zusammen und meinte~Gott, Alexander! Du kannst mir nicht glauben, wie gerne ich dir jetzt dieses Kleid vom Leib reißen würde. Du siehst einfach zu gut aus!~
~In einem Kleid?~, fragte er mit geröteten Wangen, während sich die Kutsche in Bewegung setzte.

Magnus öffnete wieder die Augen und sah ihn an. Irgendwie schienen sie dunkler zu sein als sonst, aber das könnte auch an der Dunkelheit der Kutsche liegen.
~Glaub mir, du würdest in allem zum Niederknien gut aussehen. Aber ich muss zugeben, in Blau kommt alles an dir noch etwas besser zur Geltung.~
~Ist mir noch nie aufgefallen.~
~Dir ist so vieles nicht aufgefallen.~, meinte er seufzend, während er sich Alecs Gesicht näherte.

Sein Atem streifte Alecs Lippen und er bekam eine Gänsehaut.
~Magnus, wir haben eine Mission. Wir können nicht ...~

Er wurde von weichen Lippen unterbrochen, die sich auf seine pressten und in einen leidenschaftlichen Kuss verwickelten. Alec seufzte überrascht auf, was Magnus sofort ausnutzte und seine Zunge vorschnellen ließ.
Seine Hände hatten schon lange ihren Platz hinter Alecs Nacken gefunden, als er seine Lippen gierig bewegte und an Alecs Unterlippe saugte.
Es war berauschend und sein ganzer Körper schien sich in ein kribbelndes Etwas verwandelt zu haben, doch Alecs Gewissen hinderte ihn daran, alles richtig zu geniesen, weshalb er ihn schwerenherzens wegdrückte.

~Nicht ... jetzt.~, sagte er mit rauer Stimme und schüttelte den Kopf, um seine Gedanken zu sortieren.

Magnus stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben auch wenn noch etwas Verklärtheit in seinen Augen steckte. Unkoordiniert betastete er seine geschwollenen Lippen.
Alec war wohl nicht ganz so standhaft gewesen, wie er es sich erhofft hatte.

~Schade. Dann eben später~, beschloss er und überschlug elegant die Beine,~Also was willst du wissen?~
Kann er Gedanken lesen?, fragte sich Alec überrascht, fasste sich aber schnell wieder.

~Als wen geben wir uns aus?~
~Wir sind der Lord und die Lady Lovelace.~, erklärte er nun, wobei er bei dem Wort Lady grinsen musste.
Alec fand das überhaupt nicht lustig, aber etwas anderes beschäftigte ihn.
~Lovelace? Der Name sagt mir irgendwas, aber ich weiß nicht was.~

~Da bist du nicht alleine. Früher waren die Lovelace' eine wahre Skandalfamilie, bis sie sich irgendwann auf ihren Landsitz zurückgezogen hat. Seitdem hat kaum einer etwas von ihnen gehört. Wir sind entfernte Verwandte aus einem Land Namens Schottland und sind hier, um unsere lieben Verwandten zu besuchen. Über sie haben wir von dem Ball erfahren und da wir nicht solche Langweiler sind wie sie, haben wir uns auf den Weg gemacht, um am Ball teilzunehmen.~, erklärte Magnus knapp.
Er schien noch immer leicht beleidigt zu sein, weil Alec den Kuss abgebrochen und ihn so abgewiesen hatte.

~Danke!~, platzte es aus ihm heraus. Er wusste nicht, woher das kam oder warum gerade jetzt. Er hatte einfach das ausgesprochen, was ihm gerade durch den Kopf gegangen war.

Damit schien er Magnus nun wirklich überrascht zu haben, denn seine Augen spiegelten pure Verwirrung wider.

~Danke, dass du, ihr, hier mitmacht und mir helft.~, versuchte er zu erläutern.
~Das ... ist doch selbstverständlich.~
~Nein, ist es nicht. Nicht bei dir.~
~Alexander ...~

Doch nun war es Alec, der ihn unterbrach, indem er sanft seine Lippen auf Magnus' legte. Es fühlte sich einfach richtig an. Seine Hand strich federleicht über Magnus' Wange und sofort bildete sich dort eine Gänsehaut.
Alec wunderte sich darüber, denn eigentlich erzeugte er so gut wie nie solche Reaktionen bei Magnus. Er musste wohl genauso nervös sein wie Alec, wenn er seine Gefühle so leicht durchscheinen ließ.
Alec konnte allerdings nicht behaupten, dass es ihn störte, wenn er so offen mit seinen Gefühlen und Reaktionen umging.

Langsam löste er sich von Magnus, um ihn wieder ansehen zu können.

~Trotzdem danke.~
~Wie gesagt, für mich ist es selbstverständlich~, meinte er und legte seine Hand zärtlich an Alecs Wange,~Ich glaube, wir sind gleich da.~
~Echt? So schnell?~, fragte er.

~Die Zeit verfliegt, wenn man sie mit dem richtigen verbringt.~
Alec lächelte leicht.
~Da hast du recht.~