Kapitel 8 - Ein guter Schauspieler

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Nachdem sich Alec noch einen Mantel übergeworfen hatte, gingen sie zum Stall, der direkt neben dem Huntersmoon lag. Dort holten sie sich zwei Pferde, stiegen auf und schon ging es in einem gemächlichem Schritttempo los.
Die Umhängetasche stieß immer wieder gegen Alecs Bein, aber das hatte eher eine beruhigende, statt eine nervende Wirkung auf ihn.

Aber das erbitterte Schweigen zwischen ihm und Magnus machte ihm zu schaffen, denn es wurde lediglich von dem Geräusch der Pferdehufe auf dem Waldboden unterbrochen.
~Michael war also euer Spion.~, schnitt er das erstbeste Thema an.

Alec wollte nicht über die Situation im Weinkeller sprechen, vor allem, weil ihn Magnus' Worte noch immer verletzten.

Deine Rettung war ein Fehler, Magnus hätte ihn also einfach sterben lassen.
Alec schluckte den bitteren Geschmack, der sich auf seiner Zunge befand, hinunter. Er wollte nicht weiter darüber nachdenken.

~Er war einer unserer Spione.~, gab Magnus widerwillig zu. Er trug wieder den schwarzen Mantel, aber so unauffällig, wie Alec geglaubt hatte, war dieser gar nicht. An den Schultern hingen ein paar Silberketten, die im Mondlicht geheimnisvoll glitzerten.

~Das heißt, ihr habt mehrere?~
~Was hast du denn gedacht? Dass wir alles zu neunt, oder mit Michael, zu zehnt machen?~, fragte Magnus mit einem belustigten Unterton. Alec konnte es kaum erkennen, dazu war es zu dunkel, aber er meinte, ein leichtes Grinsen auf seinen Lippen zu sehen.

Magnus schien wohl auch aufzufallen, dass er lächelte, denn sofort sah er wieder ausdruckslos gerade aus.
~Genau genommen habe ich das tatsächlich geglaubt.~, nahm Alec den Faden wieder auf.

~Das ist sehr schmeichelhaft, aber unwahr. Wir haben viele Verbündete im ganzen Land, mehr oder weniger aktive Spione und Mitglieder und mehrere Stützpunkte in unterschiedlichen Städten. Aber unser Hauptaugenmerk lag immer auf Alicante.~, erklärte Magnus schließlich.
~Weil dort meine Familie residiert?~
~Auch, aber vor allem, weil Valentin sich dort verkriecht.~
~Was hat unser Berater damit zu tun?~, fragte Alec verwirrt.

~Der Kerl ist besessen davon, uns, und vor allem mich, umzubringen, am besten unter dem Schutz der Krone. Er ist kalt, berechnend, etwas verrückt, aber leider auch furchtbar schlau und er nimmt die Menschen schon allein mit seinen Worten ein, das Rezept für einen perfekten Bösewicht. Sein Sohn, dieser gefühlskalte Bastard, ist sein Ass im Ärmel und kommt haargenau nach seinem Vater. Er ist lediglich etwas impulsiver, was ihn glücklicherweise auch vorhersehbarer macht.~, erkärte er mit eisiger Stimme.

~Ich wusste zwar, dass die beiden euch hassen, aber nicht wie sehr. Ich bezweifle, dass mein Vater das weiß. Sonst hätte er schon längst etwas dagegen unternommen.~
Magnus schnaubte.
~Der hat seine ganz eigenen Leichen im Keller, aber er weiß tatsächlich nichts von Valentins Plänen.~
~Was sind denn seine Pläne?~

~Das weiß keiner so genau. Deshalb war Michael ja auch so ein wichtiger Informant für uns. Jemand aus Valentins direkter Umgebung mit so nützlichen Informationen, wie seinen, ist unglaublich wertvoll.~
~Wir müssen ihn dringend heilen.~
~Ja, das müssen wir.~, stimmte ihm Magnus zu.

~Aber wie kann es sein, dass ich davon überhaupt nichts weiß? Ich lebe immerhin mit solchen Menschen unter einem Dach.~
~Sebastian ist doch kaum im Palast anzutreffen, so oft wie er von Valentin auf geheime Missionen und Einsätze geschickt wird~, warf Magnus achselzuckend ein,~Und Valentin selbst ist ein hervorragender Schauspieler, das muss man ihm lassen.~

~Aber er ist darin nicht besser als du.~, warf Alec lächelnd ein, wobei er seinen Blick verträumt auf Magnus' Profil lenkte, ohne über seine Worte nachgedacht zu haben.

Dafür bekam er auch gleich die Quittung in Form eines so eisigen Blickes, dass sich Alec, trotz des dicken Mantels, die Nackenhaare aufstellten.
~Du kennst mich nicht. Also wage es nicht, dir eine Meinung über mich zu bilden!~, zischte Magnus, trieb sein Pferd mit starken Schenkeldruck an und preschte in die Dunkelheit davon.

Alec direkt hinter ihm.
Den ganzen Weg nach Alicante legten sie im gestreckten Galopp zurück, was im Wald zu einigen Komplikationen führte. Alec wollte sich für sein Gesagtes entschuldigen, aber er war viel zu sehr damit beschäftigt, nicht vom Pferd zu fallen. Dabei war er ein exzellenter Reiter.

Wie konnte er nur so dumm sein, einfach das zu sagen, was ihm durch den Kopf ging? Das machte er doch sonst nie, sondern dachte immer genau über seine Wortwahl nach, aus Angst, etwas falsches zu sagen. Und genau da lag der Punkt: In Magnus' Gegenwart -so abweisend sie auch war- fühlte er sich so sicher, dass er diese Angst nicht verspürte. Bei Magnus war er einfach nur Alec und das war wohl ein Fehler für den er jetzt bezahlen durfte.

Bald verließen sie den Wald und galoppierten über eine weite Ebene. Da der Mond hell und klar leuchtete, konnte er schon bald die gläsernen Türme Alicantes sehen, die das Mondlicht reflektierten, sodass die Stadt einem Gemälde ganz aus Silber glich, in dessen Mitte auf einer Anhöhe der Palast mit seinen massiven Mauern thronte. Auch die marmornen Mauern, die den oberen Teil der Stadt schützten, waren gut zu sehen. Ab da fiel die Stadt immer weiter ab, die Häuser wurden einfacher und flacher bis zu den niedrigsten Hütten am äußerstem Rande Alicantes.

Magnus wurde erst langsamer, als sich die ersten ärmlichen Häuser von Alicante von der Dunkelheit abhoben. Vor den ersten Häusern sprang er aus dem Sattel, noch ehe das Pferd richtig zum Stehen gekommen war, und schritt mit seiner, wie üblich, katzenhafter Eleganz weiter.

Alec hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten, als er ebenfalls abgestiegen war. Seine Beine fühlten sich so wackelig an, dass er befürchtete bei jedem Schritt zusammenzuklappen.

Magnus band das Pferd an einen Pfosten an und schulterte den vollen Rucksack, den er in einer Satteltasche verstaut hatte. Alec band sein Pferd ebenfalls fest, bevor er sich beeilte, ihm zu folgen.

Staunend beobachtete er Magnus, der von einer Tür zur anderen huschte, Silberstücke durch die Türritzen schob und vereinzelt Decken auf die Fensterbänke legte. Er tat so viel Gutes und das mit so einer Selbstverständlichkeit, die Alec erstaunte.
Also folgte er ihm still durch die Straẞen der Stadt, bis er hinter einer Straßenecke endlich die hohen Mauern aus Marmor erblicken konnte.

Dort, wo sie entlangliefen, war der Weg bereits wieder gepflastert und stieg leicht an, bis er durch das große Tor führte, das den Stadtkern mit dem Rest verband.
Sie mussten nur noch der Straße folgen und dann ... stand ihnen ein kleines Mädchen im Weg.

Malec-Der Prinz von IdrisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt