Kapitel 3

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"Angst ist der Schwindel der Freiheit." ~Søren Kierkegaard

Wenn man sich erschrickt, konnte man nicht schreien. In allen Büchern und Filmen fangen die Figuren immer gleich an zu gilfen, aber vor lauter Schreck bekam man in Wahrheit keinen Ton raus.
Diese Erfahrung machte Finja jetzt zum ersten Mal.
„P-paul?", fragte sie ängstlich. Eigentlich wollte Finja das Zittern aus ihrer Stimme verbannen, und sich nicht von so einem Verrückten wie Paul einschüchtern zu lassen, aber auch hier scheiterte sie kläglich.
Irgendetwas an Paul, vielleicht seine untypische Handlung oder die Art wie sein Gesicht erstarrt und gleichzeitig seltsam verzerrt, ließ ihn auf einmal anders erscheinen. Gefährlich.
Fast schon automatisch trat Finja wieder einige Schritte zurück, während Paul langsam auf sie zukam.
„Ich hab doch gesagt, dass das hier mein Raum ist... du darfst hier NICHT REIN!", Paul wurde immer lauter, sodass er an Ende schrie und sich seine Stimme überschlug.
Aus irgendeinem Grund erschrak dieser plötzliche Wutausbruch, Finja mehr als alles andere.
„Tut mir leid! Ich sags auch niemandem, versprochen!", Finja hasste die zittrige Unsicherheit, die in jedem ihrer Worte mitschwang, aber im Moment konnte sie nichts dagegen tun und es war ihr auch ziemlich egal. Im Moment gab es wichtigeres.
„Bitte, tu mir nichts...", fügte sie noch kleinlaut hinzu.
Auch sonst war Finja eher das genaue Gegenteil von schlagfertig und mutig, aber jetzt schnürte ihr auch noch die Angst die Kehle zu und drückte mit ihrer eiskalten Hand ihre Lungen zusammen...
Gott, Finja, tu irgendetwas! Egal was, Hauptsache du kommst hier raus! Aber mit Finja war im Moment nichts anzufangen.
Auf einmal schien sich die Wand neben den beiden zu bewegen. Nein, nicht die Wand, sondern die Schatten, die auf ihr tanzten.
Finja merkte wie sich Pauls Atem verdoppelte und auch er schaute mit Entsetzen auf dieses unmögliche Geschehen.
Das konnte doch nicht sein! Wurde sie etwa doch verrückt?
Paul setzt nochmals zum Reden an, doch vor lauter Angst bekam er zuerst keinen Ton raus, bevor er ängstlich sagte: „Das hättest du nicht tun sollen. Ich hab doch gesagt nicht hier reingehen, aber du hast es doch getan. Und hetzt ist er wütend. Sie sind wütend..." Sein seltsames Gebrabbel, ging plötzlich in einen unglaublichen, unmenschlichen Schrei unter.
Großer Gott! Was war das? Anscheinend irgendetwas, das auch Paul eine Riesenangst einjagte, obwohl er diese Person, dieses Wesen zu kennen schien.
Finjas Angst übernahm jetzt endgültig die Kontrolle und sie konnte eine ausgewachsene Panikattacke fühlen.
Der Ältere hatte sich mittlerweile neben Finja auf dem Boden zusammengekauert und wiegte sich zu seinem Gejammere rhythmisch, wie ein Kleinkind, hin und her.
Während dieses Gehabe Paul tatsächlich etwas zu beruhigen schien, verursachte es bei Finja nur eine unbändige Wut.
Das soll wohl ein Scherz sein! Zuerst mir einen Riesenschreck einjagen und sich dann nicht mal nützlich machen können!
Eigentlich war ihr Zorn in dieser Situation mehr als unangebracht, schließlich ging hier irgendetwas vor, das Finja weder einschätzen konnte noch wollte, aber ihr Gehirn schien von dem ganzen Stress und Aufregung erstmal kurzzeitig abgeschaltet zu haben.
Die Tür war erneut zugefallen und bis auf das beunruhigende, flackernder Leuchten vieler kleiner bunter Lampen und Monitore, war es stockduster, aber alle Gedanken an Paul und jegliche Kurzschlußreaktionen waren wie weggeblasen, als von den Schatten um sie herum ein seltsames, mystisches Licht ausging, das in geradezu hypnotisierten Kringeln, Kreisen und Bewegungen durch die Luft wirbelte, sie zum Zischen brachte und sich an der Wand gegenüber von Finja und Paul, der sich mittlerweile die Hände auf die Ohren gepresst und die Augen fest zugekniffen hatte, zu einer ungefähr kopfgroßen Kugel aus reiner weißer Energie manifestierte.
Mit einem ohrenbetäubend lauten Knall, explodierte die Kugel und Finja und Paul wurden quer durch den Raum an eine Wand geschleudert.

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