„Das Schlimmste zu befürchten, heilt oft das Schlimmere." ~William Shakespeare
Der große Tag war schneller da, als Finja erwartete hatte. Es fühlte sich so an, als hätte sie nur für eine Sekunde die Augen geschlossen, als es schon wieder morgen war und die durch die Fenster fallenden Sonnenstrahlen sie weckten.
Finja taten alle Knochen weh und ihre Muskeln protestierten schmerzhaft, als sie versuchte sich aus ihrer verrenkten Position auf Billys Luftmatratze zu lösen.
Vielleicht war das doch so keine gute Idee gewesen.
Stöhnend stand sie auf und traf die versammelte Truppe schon am Küchentisch. Anscheinend war sie die letzte. Wunderbar.
Jemand hatte Frühstück vorbereitet, aber niemand wollte einen Bissen davon probieren; alle waren zu nervös vor dem Kommendem. Einzig Jakob und Clara schlürften leise ihre Kaffees.
Billy versuchte seine leicht geröteten Augen vor seiner Mutter und Lilie zu verbergen, aber ohne Erfolg. Beide sahen ihn besorgt an.
Nikolai räusperte sich: „Wir sollten los.", verkündete er nüchtern. Seine Stimme war vor Nervosität viel tiefer als noch gestern.
Niemand hatte etwas einzuwenden und so wanderte die Gruppe stumm nach draußen. Alle waren dabei, außer Saki; sie war schlichtweg noch zu jung, um hier dabei zu sein. Allerdings war das Mädchen auch nicht zum ‚Frühstück' erschienen, wahrscheinlich schmollte sie oben in ihrem Zimmer.
Ihr erstes Problem war der Transport. Sie hatten für acht Personen nur ein Auto, Finjas Wagen, doch da passten sie nicht alle hinein. Also wurde beschlossen, dass Jamie, Lilie und Mia ein Taxi nehmen würden, während Billy, Jakob, Nikolai und Clara bei Finja mitfuhren.
Die Taxi-Fraktion würde auch die 13 Könige in Claras ausrangiertem Ruckssack mitnehmen, aus dem einfachen Grund, dass man ein Taxi, eines unter tausenden in Frankfurt, nicht so leicht aufspüren konnte; sollten die Mitraer es auf sie abgesehen haben und sie aufhalten wollen, würden sie wohl eher Finjas Auto abfangen; dann wäre es vorteilhaft, wenn die Steine nicht dort waren.
Gerade als sie auf den Gehweg vor dem Haus traten, fuhr ein Taxi die Straße entlang und Mia sprang wildwinkend vor, um dem Fahrer verstehen zu geben, dass sie seine Dienst in Anspruch nehmen wollten. Das gelbe Taxi hielt mit quietschenden Reifen direkt vor ihr. Die blonde Frau stieg auf dem Beifahrersitz ein und Lilie und Jamie, der den Rucksack fest umklammert hielt, setzten sich auf die Rückbank.
„Viel Glück!", rief Billy seiner Mutter noch zu, bevor er sich mit den anderen zu Finjas Wagen begab. Mia lächelte ihm beruhigend zu, doch Finja konnte die Sorge in den leichten Falten ihres Gesichtes sehen.
Hoffentlich ging alles gut!
Aber, dass sie so schnell ein Taxi gefunden hatten, musste doch ein gutes Zeichen sein, oder?
Vielleicht hatten sie tatsächlich mal etwas Glück!
Als alles saßen und angeschnallt waren, fuhr Finja los; das Taxi war schon weg, sie hatte gar nicht gemerkt in welche Richtung es gefahren war.Mia hatte dem Fahrer, einem Mann mittleren Alters mit sandblonden Haaren und einem 3-Tage-Bart, die Adresse genannt und er war schweigend losgefahren.
Während der Fahrt redeten sie nicht viel und Mia war tief in Gedanken versunken.
Würde alles gut gehen?
Könnten sie das Ende der Welt wirklich verhindern?
Würden sie und Billy heil aus der Sache rauskommen?
Ihre geistige Abwesenheit war wahrscheinlich der Grund , warum sie nicht sofort bemerkte, dass sie in eine völlig falsche Richtung fuhren.
Erst als Lilie stirnrunzelnd nachfragte, fiel es auch Mia auf.
Doch der Taxifahrer grinste nur breit, sagte kein Wort und fuhr unbeirrt weiter.
Zumindest solange bis Jamie, der direkt hinter ihm saß, den Sicherheitsgurt des Fahrers in die Hand genommen und um seinen Hals geschlungen hatte.
Völlig überrumpelt begann der Fahrer zu röcheln und Schlangenlinien zu fahren. Lilie schrie auf, während sie sich im Sitzen den Rucksack zu Jamies Füßen umschlang.
Jamies Ziehen wurde immer stärker, sodass der Mann, der eindeutig kein Taxi-Fahrer war, zuerst rot und dann blau anlief. Der Junge lachte dabei schon fast psychopathisch:
„Wie gefällt dir das?!"
Derweil hatte Mia das Steuer in die Hand genommen und brachte den schlingernden Wagen zum rechten Fahrbahnrand, wo sie die Handbremse betätigte. Das Auto kam mit einem Ruck zum Halt und Mia schrie:
„Raus hier! Los!", Lilie und Jamie ließen sich das nicht zweimal sagen. Wie die Verrückten rannten sie durch Straßen.
Der Fahrer war offenbar noch etwas zu benommen, um etwas zu registrieren, geschweige denn, um mit seinen tauben Fingern das Schloss des Gurtes zu entriegeln.
Mia musste feststellen, dass sie in einem kompletten anderen Stadtteil waren (es war ein verlassen wirkendes Wohngebiet mit heruntergekommenen Häusern und vertrockneten Vorgärten), wie konnte ihnen das nicht aufgefallen sein?
„Wir müssen so schnell es geht zum Hafen!", keuchte Lilie, der der Rucksack immer wieder gegen den Rücken knallte.
„Aber wir haben keine Zeit, zu Fuß dahin zu gehen! Selbst wenn wir die ganze Zeit rennen, brauchen wir viel zu lange!", kam Mias pfeifenden Antwort.
„Ich glaube darüber, müssen wir uns keine Sorgen mehr machen...", meinte Jamie, der als Einziger amüsiert wirkte, geheimnisvoll und schaute nach oben.
Dort, aus den Höhen des Himmels, schwebte sanft ein Mann mit weiten, weiß-violetten Schwingen zu ihnen hinunter. Mia beobachtete staunend, wie der Engel anmutig einige Schritte vor ihnen landete.
Der dunkelhaarige Mann verlor keine Zeit und fragte sogleich:
„Wie kann ich helfen? Ich hab euch schon meine Polizisten vom Leib gehalten; tut mir leid, dass es nicht mehr war.", entschuldigte er sich.
„Wie viele Leute kannst du mitnehmen?", fragte Lilie pragmatisch und wollte sich die Brille hochschieben, nur um zu bemerken, dass diese ja gar nicht mehr da war. Stattdessen trug sie Kontaktlinsen.
„Leider nur einen.", meinte der Engel zerknirscht. Doch die Rebellen ließen sich nicht aus dem Konzept bringen.
„Okay, dann machen wir es so:", begann Mia entschieden; von weiter hinten aus der Straße konnten sie den Taxi-Fahrer auf sie zu rennen sehen.
„Engel, du nimmst Jamie hier mit. Und die 13 Könige. Beschützte sie, verstanden!", donnerte sie.
Der Engel salutierte wie beim Militär.
„Ja, Ma'am!"
„Lilie, du fliegst neben den beiden her, wenn du das hinkriegst?"
„Natürlich!", sagte Lilie und übergab Jamie wieder den Rucksack.
„Und was ist mit dir?", fragte die Dunkelhaarige leicht besorgt.
„Ich werde gegen unseren Freund hier kämpfen und ihn aufhalten; macht euch keine Sorgen um mich; geht! Und rettet die Welt!"
Die drei erhoben sich, wobei der Engel Jamie mit den Armen unter den Achseln hob und später im Flug auch noch seine Beine um die des Jungen schlang.
Jamie schien die ganze Sache immensen Spaß zu machen.
Sie flogen davon, und als nur noch Engels Flügelrauschen zu hören war, war der Fahrer bei Mia angekommen.
„So", begann er höhnisch. „Dann wollen wir mal kämpfen."
Das Gesicht des Mannes veränderte sich: es schien in sich selbst zusammenzufallen, nur um jünger und brauner wieder aufzutauchen.
Er war jetzt auch etwas größer und hatte schwarze Haare.
Doch der Ausdruck in seinem Gesicht war derselbe.
Mia wusste, wer das war; Billy hatte ihr von Mikos Novak erzählt.
Mit einem ernsten Blick ließ sie rassiermesserscharfe Feuerkreise in ihren Händen erscheinen. Los geht's.Saki hatte den letzten Sitzplatz im Bus Richtung Hafengebiet ergattert. Er hatte Verspätung, und Saki konnte nur hoffen, dass sie noch rechtzeitig am Ort des Geschehens ankam.
Wie erwartet, hatten die anderen sie zuhause gelassen. Sie hatte etwas gebockt und geschmollt, war aber artig in ihrem Zimmer geblieben, und schon hatten sie sie in Ruhe gelassen.
Manchmal war es ja fast schon zu einfach.
Es ging Saki ja nicht nur darum bei der Action dabei zu sein, sondern sie musste vielmehr sicherstellen, dass alles nach ihrem Plan lief, zumindest der Teil mit der Bombe.
Wenn Baxter nicht so handeln sollte, wie sie sich das vorgestellt hatte, musste sie die anderen warnen.
Nervös biss sie sich auf die Lippen, während sie die Leute, die gerade ausstiegen oder neu dazu stiegen, beobachtete.
Mit etwas Glück würden sie auch morgen noch Bus fahren.
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Projekt Pandora
FantasyFinja ist eine ganz normale 18-Jährige, bis sie eine sehr seltsame Erfahrung bei der Arbeit macht. Als sich dann aber die Ereignisse überschlagen, findet sich Finja in einer magischen Welt wieder mit Kreaturen älter als die Zeit und Geheimnissen, di...