Kapitel 34

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„Wer eine Ausrede sucht, findet zehn." ~Deutsches Sprichwort

Nervös lief Alakta in ihrem kleinen Büro immer wieder auf und ab.
Das lief nicht gut, gar nicht gut!
Jetzt hatte Sakerdos ihr Versagen und ihre Probleme mit eigenen Auen gesehen und er war wütend darüber.
Sie konnte seinen Zorn auch hier spüren, obwohl er sich noch in der anderen Welt befand, durch das kleine Tornado-ähnliche Tattoo auf ihrem Schlüsselbein, durch das die beiden verbunden waren. Damit konnte sie den Naruli auch heraufbeschwören, was sie gleich tun musste, denn Sakerdos wollte unbedingt mit ihr reden.
Sein Wut wirbelte und wütete in ihr wie ein schwarzes Feuer, er vermischte sich mit ihrer Angst, was keine gute Kombination war; Alakta musste das so schnell wie möglich hinter sich bringen.
Sie holte noch einmal tief Luft, breitete dann die Arme aus und ließ den kleinen Tornado aus ihrer Haut ins Freie. Er wurde immer größer, bis Sakerdos bekannte Gestalt in der Uniform, aber auch noch zwei weitere Personen daraus hervortraten: Ein hochgewachsener Mann mit roten Haaren und einer Lederhose, und eine schwarzhaarige Frau in einem silbernen Anzug.
Alakta wusste sofort, wer diese Leute waren; sie hatte die alten babylonischen Schriften so oft studiert, dass es unmöglich war, die beiden Neuen nicht zu erkennen: Laerta und Mukino, besser bekannt als Geiz und Wolllust.
Aber wieso waren sie hier?
Sakerdos drehte sich schrecklich langsam zu ihr um und kam hinter dem Miniatur-Tornado, der immer noch in der Luft stand, hervor. Seine Begleiter folgten ihm stumm und schienen jede ihrer Bewegungen mit Adleraugen zu verfolgen. Ein leichter Schauer überfuhr Alakta.
„Willst du mir vielleicht erklären, was das vorhin war?", begann Sakerdos. Er lächelte jetzt wölfisch und irgendwie war das noch schlimmer als seine sonstige wütende Fratze.
„Ich...tut mir leid, mein Herr; das war...ein Missverständnis, ein Fehler, ich werde mich natürlich gleich darum kümmern.", stotterte Alakta drauf los und hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen.
Seinen eigenen Fehler zugeben; nie gut!
Sakerdos summte kurz zustimmend, wobei er seine Augen einmal kalt durchs Zimmer schweifen ließ, bevor er fortfuhr:
„Aber das war nicht dein erster Fehler, nicht war Alakta? Oder eher dein erstes Versäumnis. Was ist eigentlich aus diesen Seelen vom Hofe dieses englischen Königs geworden, hm? Henry, der Achte, oder so? Wo sind die denn?", fragte er süffisant.
Mukino, der Mann mit den roten Haaren, begann leise hinter Sakerdos zu knurren, doch mit einem Fingerschnippen war er wieder still.
Sakerdos' Augen wurden noch kälter.
„Ich...Ich hatte keine Zeit, es gab so viel zu tun." Alakta wusste, dass sie genauso fertig aussah, wie sie sich auch fühlte: unter ihren Augen hatten sich dunkle Ringe gebildet und ihre Haare waren fettig und zerzaust.
„Keine...Zeit?", fragte Sakerdos verwundert und blinzelte sie an. Ihm war das Prinzip von ‚Zeit' gar nicht mehr geläufig.
„Siehst du meinen Bruder und meine Schwester hier? Wolllust und Geiz?"
Zögerlich nickte die Mentikerin, während Geiz sie berechnend beobachtete und Wolllust ihr zuzwinkerte.
„Sie haben nicht so viel Geduld wie ich, verstehst du?", Sakerdos war Alakta beim Reden ganz nahe gekommen, „und wenn sie ungeduldig werden und ihnen langweilig ist, tun sie manchmal sehr dumme Sachen, genau wie meine anderen Geschwister, weißt du? Sie könnten dir oder anderen sehr wehtun."
Jetzt klinkte sich auch Mukino in das Gespräch ein:
„Wir können ja mit den beiden Turteltauben da unten beginnen.", seine Lippen umspielte ein grausiges Grinsen.
Alakta wurde weißer als die Wand: unten auf der Couch saßen Jonah und Polonius vor dem Fernseher.
Niemand durfte ihnen etwas antun!
Sie durften auch nie etwas hiervon wissen.
Entsetzt und halb gelähmt vor Angst sah sie die drei Naruli an; Alakta wusste, dass sie gerade eine große Schwäche zeigt, aber es war ihr egal, schließlich ging es hier um ihren Bruder!
Sie spürte Sakerdos' Atem auf der Haut.
„Aber zum Glück ist es ja noch nicht soweit.", mischte sich Laerta mit einer seltsam rauchigen Stimme ein.
„Genau!", rief Sakerdos munter, „eigentlich sind wir ja wegen etwas anderem gekommen: wir haben ein kleines Geschenk für dich!"
Aus einer der Taschen an seiner Uniform holte er eine einfache Kette aus schwarzem Stoff mit einem Anhänger dran, hervor.
Hoheitsvoll übergab er sie in Alaktas leicht zitternde Hände; sie erkannte jetzt, dass es sich eher um eine Art Talisman in der Form eines im Flug dargestellten Falkens, handelte.
„Pass gut darauf auf", drohte Laerta; ihre Gesichtsmuskeln schienen sich beim Reden oder auch sonst, nicht zu bewegen.
Ängstlich umklammerte Alakta die Kette, während Sakerdos ihr seinen Plan erklärte.

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