Kapitel 12

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„Das Jahrhundert ist vorgerückt; jeder einzelne aber fängt doch von vorne an". ~ Johann Wolfgang von Goethe

Roskilde, auf der Ostseeinsel Sjælland, etwa 30 km westlich Kopenhagens, Dänemark
05:00 Uhr Ortszeit
Das Handy klingelte und spielte die Melodie von „You had a bad day".
Sasja würde dieses Lied wohl eine ganze Weile nicht mehr mögen, dabei war „einen schlechten Tag haben" die Untertreibung des Jahrhunderts.
Aber es half ja alles nicht. Leise stöhnend setzte sie sich in dem quietschenden Bett auf, ganz darauf bedacht Mikos nicht aufzuwecken, wobei das Handylicht allein schon einem Flutlichtscheinwerfer glich, sie blendete und eigentlich niemand mehr so schlafen konnte.
„Hallo?", flüsterte sie.
„Ja, hallo, Sasja, hier ist Jonah. Wollte nur mal nachfragen wie weit ihr seid und so?", antwortete der junge Mann am anderen Ende der Leitung in voller Tonlautstärke.
Sasja zuckte kurz zurück, sie hatte sich schon während Jonas Ansage halb im Bett gedreht, und sah nun, dass ihre Anstrengungen ihren Freund nicht zu wecken, vergebens waren, denn der Platzt neben ihr war leer, und wie ihr eine kurze Berührung zeigte, auch schon lange kalt und verlassen.
Dass Jonah sie so früh anrief, war nichts ungewöhnliches, schließlich hatten sie einen Auftrag, Schlaf war da überbewertet, aber dennoch hätte sie gerne etwas von Alakta selbst gehört.
Natürlich ruft dich nicht die Chefin höchstpersönlich an; wer denkst du denn, wer du bist?
„Wir haben so um die fünfzig neue Seelen am Hofe von König Henry, dem Achten, gefunden. Ich denke ihr werdet zufrieden sein.", Sasja sprach vielleicht nur mit dem Bruder der Chefin, aber dennoch war sie sich nicht zu Schade, sich etwas einzuschleimen. Wie gesagt, Jonahs Schwester war ihr großes Vorbild und da wo Alakta heute steht, wollte sie irgendwann auch sein.
„Nur...", sie verstummte und wartete auf die Reaktion des Mannes.
„Was ist?", er klang angespannt, was gar nicht zu dem lebensfrohen Jonah passte.
„Gestern gab es einen Vorfall, wahrscheinlich sind auch die Rebellen darin verwickelt, aber keine Sorge, ich kümmere mich gleich darum."
„Aha", Sasja war es schon gewohnt, dass Jonah eher weniger geistreiche Kommentare abgab, da waren sie sich sehr ähnlich, aber aus dieser Antwort konnte sie nicht wirklich etwas lesen.
Dann tutete auch schon das Freizeit in ihrem Ohr.
Sich leise beschwerend stand Sasja auf, streckte sich kurz in der kalten Sommerluft Dänemarks und schlich dann in die Küche.
Es war keine grosse Überraschung, dass dort am Küchentisch stumm und stur vor sich hinstarrend Mikos saß.
Er bewegte keinen Muskel, auch nicht, als Sasja ihn von hinten umarmte, und ihm einen kleinen Kuss auf die Wange drückte.
Keine Reaktion.
Sie hat Mikos erst vor einem Jahr getroffen, damals als Alakta und Jonah sie für ihr Vorhaben angewerbt hatten. Sie sollte zusammen mit dem hübschem, ruhigen Tschechen ihre ersten Seelen für Sakerdos herausfinden.
Zuerst war er ihr gänzlich unsymphatisch.
Er schien sich gar nicht für sie zu interessieren und ignorierte sie sogar die meiste Zeit.
Erst als Mikos anfing, ihr jeden Morgen ihren Lieblings Chai-Latte-Tee zu machen und ihr sogar zu ihrem Geburtstag einen Strauß Wildblumen geschenkt, die er selbst gepflückt hatte, obwohl er gegen die meisten Arten schrecklich allergisch war, schmolz ihr Herz für den 22-jährigen. Dass sie sich verliebt hat, konnte sich Sasja zunächst nicht verzeihen, vor allem weil sie Mikos tatsächlich aufrichtig, von ganzem Herzen, liebte; er ihr die drei magischen Worte noch nie zurückgesagt hatte.
Mikos saß immer noch grübelnd am Tisch.
Sasja wusste, was jetzt kommt, diese Phase hasste sie.
Mikos hatte ihr schließlich irgendwann gestanden, dass er Bipolar war, und einige Probleme mit deiner Krankheit hat.
Jetzt kam wieder eine manische Phase, aber immerhin hatte er es geschafft aus dem Bett aufzustehen. Er dachte immer viel nach bevor es mit seiner Impulsivität losging.
Das einzige, was etwas half, war der Gedanke, an ihre Mission, der ihn noch hin und wieder etwas runterbringen konnte.
Deshalb musste Sasja auch alles dafür tun, dass sie beiden weiter Ergebnisse lieferten und Alakta sie nicht rausschmieß.
Naja, immerhin gab es noch die Aussicht, auf die Begegnung mit den Rebellen.
Das würde Mikos wieder aufheitern.
Schmunzelnd machte sie zwei Mal einen Tee, während vor dem Fenster langsam die Sonne aufging, und sie vor einem niegelnagelneuen Tag stand, der versprach sehr spannend zu werden.

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