Kapitel 23

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„Es gibt keine unbequemeren Dummköpfe als die, die Geist haben." ~ La Rochefoucauld

Jakob saß an einem der Labortische, vor ihm lagen jede Menge Blätter mit den verschiedensten komplizierten Mathematik-Formeln verstreut, und neben dem Jungen stand eine etwa hüfthohe, schwach blinkende Maschine aus grauen Eisen.
Hin und wieder stand der junge Mexikaner auf um an ihr herumzuschrauben oder ärgerlich vor sich hinmurmelnd etwas zu verbessern.
Hoffentlich würde es funktionieren.
Der Junge hatte Finja versprochen eine andere Lösung zu finden und er hatte nicht vor dieses Versprechen zu brechen.
Du bist kein schlechter Mensch.'
Das hatte sie gesagt und er fragte sich immer noch ob es stimmte.
Hatte er eine Wahl? Konnte er sich ändern? Oder war es schon zu spät für ihn?
Jakob hatte in seinem Leben viel Leid gesehen und viele, die es verursacht hatten.
Er wusste, dass es aus der Grausamkeit keinen Weg mehr zurück gab.
Manche Dinge konnte man einfach nicht verzeihen, denn wer den grausamen verzieh, übersah damit alle Opfer.
So wie Finja da in ihrem Garten gesessen hatte, hatte sie ihn so sehr an seine Schwester erinnert, dass es auch nach all den Jahren weh tat.
Seine kleine Marianna, die in seinen Armen verblutete war....
Und sie hatte gesagt, dass es noch Hoffnung für ihn gibt.
Hoffnung...
So was hatte Jakob schon ewig nicht mehr gespürt, doch jetzt erfüllte ihn dieses Gefühl bis in die Haarspitzen und es war überwältigend.
Finja hatte auch gemeint, dass er wütend sein durfte.
Und Jakob war wütend.
Immer so wütend.
Nur nicht auf die Falschen.'
Und Finja hatte Recht. Jetzt fragte er sich, wie er die ganze Zeit so blind gewesen sein konnte: er war zornig schon seit Jahren; er musste zu oft vergeben und vergessen, um nicht wütend zu sein; doch jetzt hatte er es satt diesen Zorn staändig mit sich rumzutragen. Erst recht, wenn er die falschen Leute traf. Das war unfair und er hatte es auch satt unfair zu sein.
Also hörte er damit auf.
Ja, es würde alles gut werden: Sie würden die Welt retten, und dann würde er ein besserer Mensch werden und könnte endlich all den Schmerz vergessen.... er musste grinsen.
Leise öffnete sich die Tür zu dem Labor.
Mierda! Wer war das denn jetzt? In dem Labor arbeiteten noch andere Studenten, menschliche Studenten, aber sie hielten ihn alle für ein merkwürdiges, unsoziales Wunderkind und ließen ihn auch die meiste Zeit in Ruhe arbeiten.
Als er hier ankam und gesehen hatte, dass sonst niemand da war, war das ein großes Glück gewesen: Keine Ablenkung. Doch jetzt...
Zu Jakobs Überraschung war es Baxter, der betont leise die Tür wieder schloß.
Seine ausdruckslosen grauen Augen fanden Jakobs und Baxter sagte:
„Guten Tag, Jakob." In seiner Stimme schwang überhaupt keine Emotion mit, als wäre er nur ein Roboter und kein Mensch aus Fleisch und Blut. Vielleicht war er das auch gar nicht.
Mit einer Geschmeidigkeit, die Jakob viel zu sehr an eine Schlange erinnerte, ging er auf den Jungen zu und setzte sich schließlich auf einen der Hocker vor ihm.
„Ich bin hier, um dir einen Vorschlag zu machen: Du scheinst noch der Intelligenteste aus deiner kleinen Gruppe zu sein: Schließ dich mir an, zusammen können wir die Naruli heraufbeschwören und sie bezwingen; sie unterwerfen. Wir könnten die mächtigsten Männer der Welt werden! Vieler Welten, um genau zu sein."
Man könnte meinen bei so einem emotionalem Vorschlag, würde Baxter irgendeine körperliche Reaktion zeigen, doch Fehlanzeige. Nix. Nada.
Jakob hätte dem Älterem am liebsten ins Gesicht gespuckt, nur um zu sehen, ob das etwas bei ihm auslösen würde.
Angewidert sah er in Baxters farbloses Gesicht und erwiderte:
„Du bist krank, Elija. Dein Plan kann gar nicht funktionieren, also lass es lieber sein."
Elija Baxter seufzte tief, zeigte aber sonst keinerlei Reaktion.
„Wie du willst, mach's gut, Jakob; wir werden uns wohl nie wieder sehen." Mit diesen Worten stand er auf und ging Richtung Tür.
Irgendetwas an seinen Worten ließ Jakob aufhören: Nie wieder sehen? Wie meint er das?
Das klang irgendwie gar nicht gut...
Baxter öffnete die Tür, trat hinaus in den Gang und ließ das Schloss wieder zufallen. Doch bevor das geschah, hörte man noch ein ganz leises Schnippen von Baxters Fingern und die Maschine neben Jakob explodierte.

Die ganze Welt bestand aus Dunkelheit und Flammen und Kreischen und brannte.
Im allerletzten Moment hatte Jakob es geschafft aus dem Labor in die kleine Seitengasse neben dem riesigen Gebäudekomplex zu teleportieren. Trotzdem hatte die Explosion ihn schlimm zugerichtet: seine komplette linke Seite war verbrannt und auf der Haut hatten sich schon duzende Brandblasen gebildet und er blutete aus etlichen Wunden.
Blendend heißer Schmerz durchzuckte Jakob; er musste sich sogar auf dem Boden zusammenrollen, um nicht ohnmächtig zu werden.
Stöhnend drehte Jakob noch einmal den Kopf, nur um durch seine, an den Rändern schon schwarz werdende Wahrnehmung, zu sehen, dass sich das Feuer mittlerweile ausgebreitet hatte: viele grelle Flammen züngelten ungeduldig aus den Fenstern in den Himmel. Mehrere Sirenen waren gleichzeitig losgegangen und ihr Lärm bereitete Jakob so starke Kopfschmerzen, dass er dachte, er müsste sich davon übergeben.
Aber er würde nicht aufgeben. Nicht jetzt. Nicht so kurz vor dem Ziel.
Krankenhaus...
Er musste dringend ins Krankenhaus, also richtete er sich entschlossen auf, sammelte seine letzten Kräfte und teleportierte ins Krankenhaus, wo er prompt zusammenbrach.
Seinen kleinen Schatten hatte Jakob immer noch nicht bemerkt.

Das letzte was er sah, war, wie panische Schwestern und ernstdreinblickende Ärzte auf ihn zustürmten, bevor alles endgültig schwarz wurde.

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