Kapitel 9

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„Die Menschen sind aus Gewohnheit abergläubisch und aus Instinkt Schurken." ~ Voltaire

Billy schloß die Haustür auf, und die beiden betraten den überraschend schön eingerichteten Eingangsbereich. Kaum hatte Finja die Tür wieder so leise wie möglich hinter sich zu gemacht, rief jemand genervt: „Na endlich! Was hat denn da schon wieder so lange gedauert?" Die Stimme schien von weiter hinten im Haus zu kommen, und tatsächlich trat dann ein Junge in Finjas Gesichtsfeld. Er war etwas jünger als sie, aber auf keinen Fall älter als 16. Er trug teure Designerklamotten; nämlich ein edles weißes Hemd und eine dünne schwarze, halb zerrissene Hose, die wohl mehr gekostet hat, als Finjas halber Kleiderschrank.
Unzufrieden wanderte sein Blick von Billy zu Finja. „Und wer ist das?", fragte er patzig und beäugte sie misstrauisch. „Jakob jetzt beruhig dich doch mal, ich erkläre euch alles schon noch. Trommel mal die anderen zusammen", erwiderte Billy gutgelaunt.
Er ging in die Richtung aus der der Junge -Jakob- gekommen war und machte hinterrücks eine Handbewegung um Finja zu verstehen zu geben ihm zu folgen.
Finja lief schnell an Jakob vorbei, der sie immer noch böse aus dunklen, fast schwarzen Augen anstarrte, und jetzt sogar die Zähne zusammen gebissen hatte.
Finja folgte Billy in eine moderne Küche. Sie lehnte sich an die Kücheninsel, auf der Billy gerade dabei war jede Menge Essen aus dem Kühlschrank zu verteilen.
Von ihrem Platz konnte sie zwar keine Treppe sehen, aber sie hörte wie Jakob eine hinaufstürmte, wahrscheinlich um die anderen Bewohner des Hauses auf ihre Ankunft aufmerksam zu machen.
Billy zimmerte sich ein großes Sandwich aus den Zutaten zusammen und Finja, aus Mangel an anderen Aktivitäten, schaute ihm dabei zu. Der Blonde biss einmal davon ab, stoppte dann aber und sah Finja verunsichert an.
„Willst du auch was?", fragte er noch mit vollem Mund. Aber Finja hatte nach den Geschehnissen des heutigen Tages keinen Appetit, und schüttelte nur kurz angespannt den Kopf.
Sie war ziemlich aufgeregt, wollte aber dennoch natürlich ihre Fragen beantwortet haben, wie Was zur Hölle ist heute eigentlich passiert?
Nach einiger Zeit Stille, die wohl für Billy unangenehm war, aber für Finja nicht -für sie ist Stille nie unangenehm, sondern immer eine willkommene Abwechslung- hörten sie wie sich wieder Schritte näherten, diesmal von mehreren Personen und nicht nur Jakob.
Jakob kam in die Küche gestampft, offensichtlich immer noch wenig begeistert über Finjas Aufenthalt in dem Haus, und ihm folgten zwei Frauen und ein junges Mädchen.
„Ah", verkündete Billy, „Finja, darf ich vorstellen: Das sind Theia Nejem, Lilie Abara und Saki Nakara. Und Jakob Perez kennst du ja schon etwas.", stellte er die drei Unbekannten vor.
Theia, eine Frau mit brauner Haut, die schon einige Falten hatte, und schulterlangem gewelltem dunklem Haar, das auch einpaar graue Strähnen aufwies, war die Älteste. Finja schätzte sie auf Ende 40 oder Anfang 50. Theia trug einen anthrazitfarbenen teuer aussehenden Anzug, und sie hatte es irgendwie geschafft sowohl freundlich und mütterlich auszusehen, als auch professionell und geschäftlich.
„Lilie" war das genaue Gegenteil von der älteren Frau. Sie hatte wunderschöne dunkle Haut, ihre schwarzen Haare waren gelockt und Finja konnte darin erliche blaue und rosa Strähnchen erkennen. Außerdem hatte sie sich eine Lilie an die rechte Seite ihres Kopfes geflochten, das hat ihr wohl auch ihren Namen eingebracht. Ihre Kleidung war bunt zusammengemischt: Von dem neonpinken Oberteil über die goldenen Sneaker bis hin zu den vielen glänzenden Halsketten, war alles dabei. Und auch ihre Brille glänzte in einem sehr ungewöhnlichem Silberton.
Saki wiederum sah aus wie 13 und hatte eindeutig asiatische Züge, ihre Haare waren allerdings dunkelrot. Sie war die einzige rothaarige Asiatin, die Finja kannte, aber sie fragte sich auch ob die Haare echt oder gefärbt waren. Saki trug einen kulturellen asiatischen Umhang, zumindest dachte Finja das, bis sie bemerkte, dass der Unhang eigentlich aus Naruto stammte.
Wenigstens etwas, was sie ansatzweise kannte.
Billy zappelte neben ihr herum und versuchte ganz eindeutig die richtigen Worte zu finden.
Jakob trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Küchentresen herum.
„Also, hört zu, das war so: Ich hab Finja hier vor einem der Limenti gerettet", verkündete Billy schließlich, nicht ganz ohne Stolz in der Stimme, „Bin grade noch rechtzeitig gekommen, dann hab ich sie hergebracht, weil ich dachte... naja... vielleicht ist sie eine... na ihr wisst schon... eine von uns." Billys Stimme war zum Ende hin immer leiser und weniger enthusiastisch geworden.
„Bitte?!", höhnte Jakob, „Jakob!", zischte Theia ihm ungehalten zu und lächelte dann Finja mit freundlichen strahlend grünen Augen ermunternd zu. „Das kann gar nicht sein. Wenn sie eine von uns wäre, wüssten wir das", erklärte Jakob genervt weiter. „Wie alt bist du, Finja?", meldete sich Lilie sanft zu Wort. Finja wandte sich ihr zu, „18, wieso?" „Da hast du es. Sie ist noch zu jung", lächelte Lilie.
Finja verstand kein Wort mehr. Billys Erklärung sagte zwar den anderen etwas, aber Finja hatte sie nur noch ratloser zurückgelassen. Eine von ihnen? Von wem denn? Und was sind Limenti?
Sie wollte schon etwas sagen und endlich eine richtige Erklärung fordern, aber da hatte Jakob schon wieder das Wort ergriffen: „Die Behörden führen aber Liste, auch über die Jüngeren. Und da steht nichts von einer Finja, ich muss es wissen, schließlich hab ich die Liste auswendig gelernt." „Musst du grade sagen", mischte sich jetzt auch Saki ein, die sich auf einen der Barhocker vor der Kücheninsel gesetzt und eins von Billys Sandwiches geklaut hatte. „Du standest doch auch nicht auf der Liste" „Das ist etwas komplett anderes!", zischte Jakob ihr zu. „Und das weisst du auch." Saki grinste nur.
„Das reicht jetzt!", führ Billy sie aufeinmal scharf an, alle Belustigung war aus seinem Gesicht verschwunden. „Jakob du weisst, dass die Behörden nicht immer alles richtig machen, also lass es jetzt gut sein."
„Ich will ja wirklich nicht bei eurem Familienstreit stören, aber könntet ihr das bitte irgendwann anders ausfechten? Und mir endlich mal sagen, was eigentlich passiert ist?" Lilie räusperte sich.
„Das mag jetzt vielleicht komisch für dich klingen, aber wir sind... so etwas wie Zauberer."
„Mentiker!", rief Jakob dazwischen. „Wir sind keine Zauberer, und auch keine Magier, sondern Mentiker, und ich bestehe auf diesen Nam-", „Ruhe jetzt!", donnerten Theia und Saki gleichzeitig. Der Junge schaute beide kurz überrascht an, verzog sich dann aber schmollend in eine Ecke.
„Also wir sind Mentiker", führ Lilie mit einem Blick auf Jakob fort, „es gibt verschiedene Bereiche für unsere Magie, wie Feuermagie oder Luftmagie, aber auch etwas ausgefallenere, wie das Durchgehen von Billy oder Ort-Zeit-Reisen von Jakob. Wir vermuten, dass du auch Magie einsetzten kannst, da der Limenti so schnell bei dir war, sie können nämlich Magie riechen. Wir denken auch, dass dein Chef und dein Kollege, Paul, etwas zu tun haben mit den Mitraern, das ist eine Art Geheimorganisation, die ein uraltes, mystisches, aber auch unglaublich mächtiges Wesen auf die Welt loslassen will, damit die Erde zerstört, und die Menschheit ausgerottet wird, bis nur nich sie über die Überreste herrschen können. Und wir versuchen sie aufzuhalten." Nach Lilies langem Monolog, sagte erstmal niemand etwas.
Das soll wohl ein Scherz sein?
„Klar, eine böse geheime Organisation, die die Welt zerstören will. Davon hab ich auch schon gehört", antwortete Finja sarkastisch. Verarschen konnte sie sich selbst.
Sie wandte sich schon zum Gehen, diese Scheiße hier musste sie sich nicht geben, als die Tür plötzlich in Flammen stand.
Finja stolperte zurück und sah mit ungläubigen Blick in die Runde. Saki kicherte, wischte kurz mit ihrer Hand in der Luft und die Flammen verschwanden.
Das war doch nicht echt!... Oder?..was..?
„Hier kleines, damit kannst du üben, versuch einfach ihn schweben zu lassen oder zu verbrennen.", Theia kam auf sie zu und gab ihr einen Stein und sagte noch etwas, das für Finja nach Arabisch oder etwas ähnlichem klang.
„Ein..Stein??". Theia nickte nur lächelnd.
Finja hatte alle Anwesenden bereits als komplett wahnsinnig und potenzielle Mörder abgestempelt, als es an der Tür klingelte.

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