Kapitel 48

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„Vertrauen ist die größte Selbstaufopferung." ~Friedrich Hebbel

26. September 2019
Frankfurt am Main

Einige Wochen waren seit dem großen Tag vergangen.
Finja war auf einigen Beerdigungen gewesen.
Sie war bei Theias dabei, wobei sie und Liam nicht zusammen beerdigt wurden. Das wäre ja noch schöner gewesen.
Sie war bei Jakobs Beisetzung, wo sie Saki gehalten hatte.
Bei beiden musste sie weinen.
Sie war auch auf Alaktas und Polonius Trauerfeiern, bei der sie Jonah das letzte Mal gesehen hatte.
Wie ein Stein stand er in der ersten Reihe und schien ganz leer zu sein; als hätte er schon alle Tränen aufgebraucht und alle Worte gesagt.
Finja war selbst auf Sasjas Beerdigung, aber von ihren Freunden ging sonst niemand hin.
Vieles hatte sich in letzter Zeit verändert: Tyler Lake, der Portaleur, und der Engel hatten sich persönlich daran gemacht in den Behörden ein paar Reformen durchzubringen: die Suche nach neuen Mentikern wurde erheblich modernisiert und es wurden extra Leute für das Aufspüren ausgebildet.
Finja half ihnen so gar bei diesem Mammut-Unternehmen; sie kümmerte sich um den Papierkram, oder begleitet den Engel vor Gericht, um ihre Ideen durchzubringen.
Ansonsten hatte sie viel mit ihrem Training zu tun; schließlich musste sie immer noch lernen ihre Kräfte besser kontrollieren und gezielter einsetzen zu können.
Finjas Freunde hatten ebenfalls neue Wege eingeschlagen:
Lilie und Clara waren jetzt ein Paar; auch wenn ihr erstes Treffen etwas unkonventionell war, schienen die beiden glücklich zu sein und das war schließlich das wichtigste. Sie halfen sich sogar gegenseitig: Mit ihrer selbstvertrauenden Art konnte Lilie Claras Selbstwertgefühl anheben, und die Rothaarige schaffte es ihrer Freundin in den schweren Zeiten etwas Rückhalt und Sicherheit zu geben. Die beiden hatten Saki bei sich aufgenommen, und waren in eine andere, etwas kleinere Wohnung gezogen; anscheinend konnte keiner der Freunde ihr altes Haus mehr sehen. Und für Saki, die seit diesem Tag nicht mehr gelächelt hatte, war es wahrscheinlich sowieso besser, einige Erinnerungen zurückzulassen.
Nikolai derweil war wieder nach Russland gegangen; er war dort Botschafter in St. Petersburg. Finja glaubte allerdings, dass er irgendwie versuchte vor den Ereignissen hier zu fliehen, denn auch, wenn Nikolai nichts gesagt hatte, hatte Finja das Gefühl, dass ihn Jakobs Tod doch mehr getroffen hat, als er zugeben wollte. Obwohl Nikolai viel reisen musste, schaffte er es mindestens einmal die Woche nach Frankfurt zurückzukehren und sich mit Clara, Lilie, Saki und Finja zum Kaffee und Kuchen zu treffen, oder einfach nur zum Reden.
Billy hingegen musste mit einem Notfall-Krankentransport ins nächstgelegene Krankenhaus gebracht werden, dort allerdings konnte man ihm nicht helfen, weshalb er kurz darauf nach Zürich in eine Spezialklinik verlegt wurde.
Er war erst letzte Woche aus seinem Koma aufgewacht und Finja und die anderen haben sofort den nächsten Flieger in die Schweiz genommen.
Sana hatte dem Blonden zunächst die Beine gebrochen, aber auch noch einen Teil seiner Wirbelsäule vereist, was die Nervenenden immens geschädigt hatte.
Es stand immer noch in den Sternen, ob er je wieder laufen könnte.
Sie hatten Billy alles erzählt, und ihn gehalten, als er von Jakob erfuhr.
Vor Billy lagen einpaar harte Monate: mit viel Physiotherapie und Übungen, aber wenn es jemand schaffen würde wieder ein Gefühl in den Beinen zu bekommen, dann war es Billy.
Finja und die anderen waren wieder nach Frankfurt zurückgekehrt, aber Finja wusste Billy bei Mia, seiner Mutter, in guten Händen.
Mia hatte ihr erzählt, wie sie gegen Mikos gekämpft und ihn schließlich besiegt hatte. Und was es für ein Schock gewesen war, ihren Sohn dort so auf dem Boden liegen gesehen zu haben.
Einige Tage nach dem großen Tag, war überraschend Jamie wieder aufgetaucht. Finja wären beinahe die Augen aus dem Kopf gefallen, als sie den kleinen Jungen, der grinsend auf sie zukam, entdeckte.
„Ich...aber, du...du wurdest...was?!", begrüßte sie ihn sprachlos. Daraufhin hatte Jamie nur gelacht und ihr erklärt, dass er immer noch kein Mensch und kein Mentiker sei, und es schon mehr brauchte um ihm etwas anzuhaben.
Anscheinend gehörte ‚komplett in Stücke gerissen zu werden' nicht zu den Dingen, die ihm dauerhaft schaden können.
Auf jeden Fall war Jamie danach wieder verschwunden und trieb, weiß der Teufel was, aber hin und wieder glaubte Finja einen Blick auf ihn hinter irgendwelchen Schaufenstern oder zwischen den Menschenmassen zu erhaschen.
Jonah hingegen war verhaftet worden. Die Beerdigung seiner Schwester und seines Freundes waren sein letzter Freigang gewesen.
Jonah blieb aber nicht lange im Knast; schon nach einer Woche musste er in eine geschlossene psychiatrische Einrichtung verlegt werden, aufgrund eines Nervenzusammenbruchs. 
Die ganze Geschichte hatte ihn wirklich arg mitgenommen und Finja wünschte sich von ganzem Herzen, dass es ihm bald besser ginge. Das tat sie wirklich.
Obwohl die Welt gerettet war, waren noch nicht alle Gefahren gebannt: Sana war noch immer auf freiem Fuß, alle Anstrengungen, die der Engel und seine Polizisten auf sich genommen hatten, waren ins Leere gelaufen.
Sana war wie vom Erdboden verschwunden.
Noch eine Sache, die Finja immer im Hinterkopf hatte, waren diese Franzosen und ihr mysteriöser Code.
Was hatte er zu bedeuten? Und für wen arbeiteten die drei? Oder waren Sie selbstständig?
So viele Fragen auf die Finja keine Antwort parat hatte, aber eins stand fest: egal, welche Probleme sich ihnen auch in den Weg stellen sollten, sie würden sie meistern, gemeinsam.

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