Kapitel 45

2 1 0
                                    

„Die Gleichgültigkeit ist auch ein legitimes Kind der Toleranz." ~Nikolaus Cybinski

Alakta hatte sich extra einen weniger besuchten Teil des Hafens ausgesucht, damit sie ungestört waren. Außerdem gab es ja noch die versteckte Ebene, so konnten eigentlich keine Menschen ihnen in den Weg kommen.
In der weitläufigen Ebene wurde vor allem noch gebaut; doch Polonius hatte sich in das Computersystem der Baufirma gehackt und für heute allen Mitarbeitern freigegeben.
Trotzdem ragten die Maschinen wie monströse Kreaturen in den Himmel und ließen sie erschaudern.
Ihre kleine Truppe bestand aus ihr, Jonah, Polonius, dem in Ketten liegenden Lake, Sana und Sasja. Sie hatte schon erfahren, dass Kris tot und Clara und Nikolai abgehauen waren, was sie vor zwei weitere Probleme gestellt hatte:
Einmal, dass die beiden alles über den Plan wussten, also auch den Ort des Portals; Alakta hatte ihn nicht verändert, denn dann hätte sie auch Sakerdos über die Änderungen unterrichten müssen, und...naja, sie hatte viel zu viel Angst vor ihm. Außerdem mussten sie die Rebellen irgendwie zu ihnen locken; schließlich hatten diese immer noch die 13 Könige und Alakta hatte Sakerdos geschworen diese Steine endgültig zu zerstören.
Die zweite Schwierigkeit waren die eben schon erwähnten Steine. Dass Nikolai und Clara sie gestohlen hatten, war ein herber Schlag gewesen; aber bisher hatten sie schon alle Probleme besiegt.
Mikos hingegen hatte den Auftrag bekommen, die eine Fuhre der Rebellen abzufangen und umzubringen. Falls sie die Könige hatten, würde Mikos sie gleich mit an den Hafen bringen; sollte der andere Teil der Rebellen die Steine bei sich führen, würden Sana und Sasja versuchen sie ihnen abzunehmen.
Endlich hatten sie die geeignete Stelle gefunden: ein sonst leerer Platz, auf dem Lake prima das Portal öffnen konnte.
Es hatte wohl in der Nacht zuvor etwas geregnet, denn einige schmutzige Pfützen waren über der steinigen Erde verteilt; das störte sie aber nicht weiter.
Während Sana Lake von seinen Fesseln befreite, befahl Alakta dem Mann:
„Jetzt! Tu es hier, sofort!", die Ungewissheit ließ ihre Stimme schneidend klingen.
„Bitte! Ihr müsst das nicht tun!", unternahm Lake einen letzten Versuch das Schlimmste zu verhindern. Doch mit einem Blick in Alaktas kalte Augen, wusste er, dass das alles zwecklos war.
Doch, müssen wir., dachte Alakta.
Seufzend begann Lake; mithilfe von Polonius Berechnungen konnte eigentlich nichts mehr schief gehen:
Er hielt die Arme etwas abgewinkelt von sich gestreckt und kniff angestrengt die Augen zusammen.
Mit einem dumpfen Grollen, öffnete sich die Erde vor ihnen zu einem kleinen Spalt, der immer größer wurde, als wäre die Welt ein Monster, das sein riesiges Maul aufsperrte, um sie gleich alle zu verschlingen.
Gesteinsbrocken fielen unter lauten Geräuschen in die Tiefe und mitten im Schlund erschien ein zweiter Riss; diesmal war er aber flammendrot; es war das Portal
In dem Moment trat Alakta vor, an Lakes Seite, der unter der Anstrengung drohte zusammenzubrechen; und ließ den kleinen Tornado aus ihrer Haut kommen. Zielstrebig flog er auf das Portal zu und als die beiden verschmolzen, hatte die Auferstehung der Naruli begonnen.

Finja und die anderen kamen gerade noch rechtzeitig am Hafen an, um zu sehen, wie ein rotes Licht aus der Erde zu kommen schien.
Shit", fluchte Billy, während er sich eilig abschnallte und den anderen aus dem Wagen folgte, „es hat schon angefangen."
Aber noch war es nicht zu spät.
Wo, verdammt, waren Mia, Jamie und Lilie? Sie brauchten die 13 Könige!
Anscheinend hatten jetzt auch die Mitraer sie bemerkt, denn sie drehten sich allesamt zu ihnen um; bis auf Lake, der schweißüberströmt umkippte und auf dem Boden liegen blieb.
Finja konnte erkennen, das Alakta irgendetwas sagte, verstand auf die Entfernung aber nichts.
Die Mitraer rannten los, die Rebellen ebenfalls.
Sana hielt ihre Eis-Axt in der Hand, während Lilie Feuerbälle in ihren Händen erschienen ließ. Billys gezückte Messer glitzerten in der Morgensonne und Clara bereitete ihre elektrischen Ladungen vor. Jonah lief mit gezückter Pistole vor Polonius um ihn zu schützen, Sasja hatte sich bereits in die Luft behoben.
Eine etwa handgroße runde Kugel landete genau in ihrer Mitte, als sie nur noch wenige Meter voneinander entfernt waren. Schlitternd kamen beide Seiten zum Stehen.
„Was ist das denn?", fragte Sana verwirrt; es klang zum ersten Mal, seit Finja sie kannte, aufrichtig.
„Fasst das nicht an!", schrie eine Stimme hinter Finja. Alle drehten die Köpfe um die Person, die eilig über den Platz auf sie zu rannte, zu sehen.
Mit Erstaunen erkannte Finja Saki.
Was machte sie denn bitte hier?
Nach Atem ringend hielt das Mädchen vor den Rebellen an und meinte tief Luft holend:
„Das ist von Baxter, er wi-", doch da wurde sie schon von einer zweiten Stimme unterbrochen:
„Keine Bewegung, oder ihr seit alle tot!", kreischte Elija Baxter aufgebracht über die halbe Baustelle hinweg.
Baxter hatte sich anscheinend hinter einem Müllberg versteckt und nur auf den richtigen Moment gewartet. Er stand so weit weg, dass sie ihn kaum erkennen konnte. Dass sie ihn trotzdem alle verstanden hatten, fand Finja schon wieder beeindruckend.
Baxter kam auf sie zu geeilt. Zum ersten Mal hatte er sein emotionsloses Gehabe abgelegt; aber es stand ihm nicht wirklich gut: in seine Augen hatte sich ein fast schon wahnsinniger Ausdruck geschlichen, der von den vielen Spucketröpfchen, die ihm beim Reden übers Kinn liefen, nur noch unterstrichen wurde. Finja glaubte, Baxter bemerkte seinen Zustand nicht einmal.
Mit gebührendem Abstand blieb er stehen.
„Ach, nein, wartet...das werdet ihr sowieso!", lachte der Mann und holte etwas Kleines aus seiner Tasche.
„Alles gut, bleibt einfach ganz locker.", versicherte Saki ihnen entspannt; sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt, doch Baxter beachtete das Mädchen nicht im Geringsten.
Mit einem hässlichen Lachen drückte er auf den Timer. Ein schnelles, leises Ticken war zu hören; allerdings kam es nicht aus der Bombe, sondern von dem Timer in Baxters Hand. Verwirrt starrte er darauf.
Oh verdam-
Doch bevor er die Chance hatte, diesen Gedanken zu Ende zu denken, oder irgendwie zu reagieren, explodierte Baxter in einem Meer aus Flammen und Blut.
„Sagte ich doch.", flüsterte Saki zufrieden, ihre Freunde starrten sie ungläubig an. 
„Nun gut...", meinte Alakta irritiert, aber da spürte sie schon, wie ein wenig von Sakerdos Kraft an sie überging und sie erschuf etwa drei Duzend Limenti.
Sofort ging der Kampf los:
Claras Blitze gingen durch die Limenti wie ein Messer durch warme Butter; Billy tötete alles, was ihm unter die Klingen kam und Nikolai ließ die Schattenwesen einfach mit einem Schlenker seiner Hand zu einer ekligen schwarzen Masse zerschmelzen.
Finja allerdings sollte sich bei einem Kampf zurückhalten und sich nur, in Notfällen, verteidigen, um ihre Kräfte zu schonen.
Jakob versuchte derweil Saki zum Gehen zu bewegen:
„Du musst wieder gehen, Saki; es ist viel zu gefährlich hier!", rief er panisch über den Lärm hinweg. Doch bei dem sturen Mädchen stieß er nur auf taube Ohren.
Einer der Limenti wollte sich hinter Jakobs Rücken auf diesen stürzten, doch Saki ließ ihn mit einem Wink über den halben Platz fliegen. Erschrocken sah Jakob sich um; ab da kämpften er und Saki Seite an Seite.
Die Mitraer hingegen hatten sich hinter ihren Soldaten verschanzt, waren aber immer bereit ein-oder anzugreifen, sollte die Situation danach verlangen.
Alakta allerdings war mit Polonius wieder zu dem Riss und dem roten Licht zurückgekehrt; dort hatte sie mit konzentrierter Miene die Arme ausgebreitet.
Genau dort musste Finja auch hin!
Möglichst unauffällig versuchte sie sich an den Limenti und den verbleibenden Mitraern vorbei zu schmuggeln.
Aber ohne Erfolg: Jonah hatte sie zuerst entdeckte und richtete seine Waffe auf Finja. Sie überlebte den Kugelhagel nur, weil Saki alle ablenkte und die tödlichen Kugeln in eine der großen Arbeitsmaschine landen ließ.
Doch damit nicht genug: Sana stürzte ihr entgegen, wurde aber von Billys Messern fast aufgespießt; er war Finja zur Hilfe geeilt. Er wich Sanas Eisdolchen aus, bevor er im Boden versank. Alarmiert starrte Sana auf ihre Füße, konnte aber nichts dagegen tun, als sich eins von Billys Messern von unten in ihr Bein bohrte.
Gequält schrie die Weißhaarige auf, doch Finja achtete nicht besonders auf sie.
Wie sollten sie das schaffen?
Es war hoffnungslos und das Portal war schließlich schon geöffnet! Sie mussten schnell handeln, nur wie?
Ihre Rettung kam von oben.

Projekt PandoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt