Kapitel 19

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„Der Mensch kennt alle Dinge der Erde, aber den Menschen kennt er nicht." ~Jeremias Gotthelf

Wütend und besorgt zugleich, stiefelte Alakta durch ihr Büro.
Das konnte einfach nicht sein! Nicht jetzt! Eine Energierwerferin? Sie konnte alles aus dem Plan werfen! Alles!
Mit exakter Genauigkeit ordnete sie die Ordner und die Stifte auf ihrem Schreibtisch in einer Reihe an.
Jetzt ging es ihr immerhin ein wenig besser, die Ordnung beruhigte sie.
Allerdings unterbrach sie nicht den pulsierenden Schmerz in ihrem Oberschenkel, von dem Wurfstern dieser Luftmagierin.
Sie hatte sich behilsmäßig einen Verband um die Wunde gebunden, eigentlich bräuchte sie noch mehr medizinische Hilfe, aber das musste jetzt warten; es gab viel größere Probleme.
Sie spürte wie wieder alte Bilder in ihr hochkamen; Bilder, von denen sie dachte, sie wären längst vergessen.
Aber hier waren sie.
Sie kamen immer wieder.
Nein, nein, nein....
Ein Flieger
Eine Explosion
Versengte, rauchende Kleider auf der Straße
Eine Alarmsirene
Schreiende Menschen
Irgendwie schaffte Alakta es aus ihrem Büro und an der Wand entlang zu gehen, wobei ihre Finger Halt suchend an der Tapete entlang fuhren.
Ihr wurde schwindelig, sie musste sich nur kurz hinsetzten...
„Alakta, alles okay?" Das war Polonius. Auch er war heute in der Bücherei dabei gewesen, allerdings war das vielleicht ein Fehler gewesen: Der Grieche schien davon nur noch mehr verängstigt worden zu sein, aber sie konnten ihn nicht nochmal alleine zu Hause lassen...
Naja egal, es war eben geschehen.
Jetzt stand Polonius jedenfalls vor ihr und sah sie unschlüssig an.
Mit Schrecken musste Alakta feststellen, dass ihre Wangen tränennass waren.
Sie hatte geweint?
Sie konnte sich nicht mal mehr daran erinnern, als sie das letzte Mal geweint hatte.
Alle war schon so lange her.
Aber jetzt konnte sie den Fluss an Tränen nicht mehr aufhalten.
Polonius setzte sich neben sie und hielt sie in den Armen.
Alakta schluchzte in seine Schulter, während der Grieche die junge Frau sanft hin- und herschaukelte wie ein Kind und ihr dabei ein altes, längst vergessenes Einschlaflied vorsingt.
Das hatte seine Mutter immer für ihn gesungen, als er noch ganz klein war; damals in einem anderem Leben, bevor sie an einem schrecklichen Fieber starb und Jahre später sang er es jetzt für die Frau, die ihn aus seinem Leben gepflückt hatte wie einen frischen Apfel.
Κάμωε, νάνι μου το νάνι νάνι."
Alakta wurde wie ein Kind behandelt und seit langer Zeit fühlte sie sich auch so.
Vielleicht saßen die beiden stundenlang so da, aber irgendwann richtete sich Alakta auf und meinte nur: „Danke."
Mehr brauchte es nicht.
Polonius nickte und beide erhoben sich.
Der Grieche kehrte wieder zurück zu Jonah und Alakta hatte noch zutun: Sasja und Mikos waren ins Krankenhaus gefahren; Mikos Wunde wurde einfach nicht besser; aber Nikolai und Clara waren noch frei.
Sie müsste die beiden anrufen, und ihnen auftragen die 13 Könige einzusammeln.
Die Steine bei sich zu tragen, wäre wahrscheinlich sicherer, als sie an verschiedenen Orten zu lassen.
Jetzt durfte nichts mehr schief gehen.
Dann würde sie sich um die kleine Energiewerferin kümmern...

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