Kapitel 13

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„Rascher als alles andere entsteht Angst." ~ Leonardo da Vinci

Sie mussten den Besuch bei Lilies Bruder verschieben, da es erstens schon recht spät war, und alle, vor allem Finja, müde und erschöpft waren, und zweitens weil Billy sich darüber beschwerte, dass er schon wieder Hunger hatte.
Dabei hat er doch gerade erst ein riesiges Sandwich verdrückt!
Aber auch Finja und die anderen spürten dann ihre leeren Mägen und stimmten schließlich teils erfreut, teils murrend, zu, den Ausflug auf den morgigen Tag zu verlegen.
Theia kochte ein unglaublich leckeres und unglaublich scharfes indisches Curry.
Die Araberin hatte ihr begeistert erzählt, dass sie immer mit Rinder- statt mit Schweinefleisch kochte, und das Gericht jetzt sogar noch besser schmeckte, während Finja die Paprika etwas unbeholfen schnitt.
Als alle satt und zufrieden waren, nutzte Finja die entspannte Stimmung am Tisch, um sich endlich noch mehr Informationen zu holen:
„Also, erzählt mal: Wer oder was seid ihr?"
Zu ihrer Überraschung ergriff Jakob das Wort, seit ihrem Wutausbruch vorhin, war er verdächtig nett zu ihr:
„Also gut, wie du schon erfahren hast, sind wir Magier, wie du, nur, dass es bei dir anscheinend einen kleinen Fehler gab, und dir niemand etwas erzählt hat.
Aber das ist jetzt nunmal so, dagegen können wir auch nichts machen."
Es war ganz still im Esszimmer und Jakob fuhr fort:
„In unserer Welt, gibt es einige...Geschöpfe. Genauer gesagt, sieben. Man sagt, dass diese sieben Geschöpfe praktisch alles sind. Alles was die Menschheit ausmacht: Ihre Werte, ihre Ängste und Fehler, ihre Psyche und ihren Willen. Man kennt sie auch in deiner Welt: Die sieben Todsünden.", beendete er seinen Monolog theatralisch.
Da hätte ja nur noch ein dramatischer Donner und Blitzeinschlag gefehlt.
„Die sieben Todsünden, ernsthaft?", Finja musste einfach lachen, das Ganze war doch zu absurd.
„Ja", erwiderte Jakob säuerlich, aber er fuhr nicht wieder aus der Haut; immerhin hier ein Fortschritt.
„Wie Lilie dir vorhin schon erklärt hat, gibt es die Mitraer, die diese Geschöpfe, wir nennen sie übrigens Naruli, auf die Erde bringen wollen. Allerdings würden die Naruli alle Zivilisation auf unserem Planeten auslöschen; es heisst nur die, die ihnen geholfen haben und ihnen untertänig sind, werden verschont. Sie gehen dabei folgendermaßen vor: Die Naruli brauchen Magie und Energie, um auf der Erde zu überleben; sehr viel Magie und Energie. Deshalb sammeln die Mitraer von überall auf der Welt und in allen möglichen Zeiten geeignete Leute zum Opfern ein. Sie können sie an dem Tänzen, wie du es auf den Videoaufnahmen gesehen hast, identifizieren. Es muss also einen Verräter in der Regierung geben, denn es muss gewährleistet werden, dass diese Menschen, wie du, unentdeckte Magie besitzen; andernfalls könnten die Mitraer ja nicht so unauffällig agieren. Ihre obersten Leute sind wohl die einzigen Ort-Zeit-Reisenden unter ihnen: die Geschwister Alakta und Jonah Dahl. Sie müssen wir zuerst ausschalten. Wir gehören zu einer kleinen Gruppe, die die Mitraer an ihrem Vorhaben hindern wollen. Ironischerweise werden wir „die Rebellen" genannt.", schloss er ab.
Es wurde mal wieder still und Finja spürte fünf Augenpaare auf sich ruhen.
„Was ist mit eurer Regierung? Oder dem Staat, den Behörden? Wie auch immer; irgendjemand mit etwas mehr Einfluss muss doch etwas dagegen tun."
„Denen ist das egal, die interessiert nur Geld und dass alle ihre Steuern zahlen; aber ob wir alle sterben werden, geht jedem mit Einfluss komplett am Arsch vorbei!", rief Saki aufgebracht dagegen. Dass das freundliche Mädchen so aufbrausend sein konnte, überraschte Finja etwas.
„Ausserdem wäre es viel zu kompliziert tatsächlich etwas gegen die Mitraer zu tun, es ist doch viel angenehmer zu behaupten es gäbe keine Bedrohung.
Die können einfach nicht ein bisschen in die Zukunft denken! Wenn die Naruli wirklich zurückkommen, sind auch die Oberhäupter tot.", mischte sich auch Billy ein, der sie mit düsterer Miene ansah.

Danach waren alle langsam ins Bett gegangen.
Finja musste die neuen Informationen erstmal verarbeiten. Wie war sie nur darein geraten? Heute morgen noch war ihr Leben ganz normal gewesen, und jetzt? Jetzt musste sie sich auch noch über den Weltuntergang Gedanken machen!
Theia hatte sie gefragt, ob sie jemanden zu Hause anrufen wollte um Bescheid zu sagen, wo sie war.
Finja verneinte und schrieb ihrer Mutter nur eine kurze WhatsApp Nachricht
Ich komme heute nicht nach Hause, übernachte bei Freunden. Bis morgen.
Das sollte sie erstmal ruhigstellen.
Als Theia für sie im Wohnzimmer ein provisorisches Bett aufbaute, stand Finja in der Küche, um sich ein Glas Wasser zu holen (eine Tradition, die sie jeden Abend aufrecht erhielt, seit ihr Vater gegangen war) und nebenbei versuchte den Stein, den sie von Theia bekommen hatte, mit der Kraft ihrer Gedanken zu bewegen. Was natürlich nicht funktionierte, was für eine Überraschung.
Finja dachte über diesen ganzen Tag nach. Eigentlich war es dumm diesen Leuten zu vertrauen, und sogar hierzu übernachten.
Wer weiß, vielleicht wollen sie mich im Schlaf ermorden, oder einem ihrer Wesen opfern.
Unter normalen Umständen hätte sie sich über die ganze Geschichte lustig gemacht; über diese Leute, die das Unmögliche behaupteten.
Leider hatte sie das Unmögliche mit eigenen Augen gesehen.
Und es hatte keinen Sinn ergeben.
Das hier war die echte Welt und hier ging es um so viel mehr als Finja sich jemals hätte vorstellen können.
Ihr blieb wohl nichts anderes übrig, als abzuwarten.
Noch einen Tag. Noch einen Tag schau ich mir das hier an, und dann sehen wir weiter.
Finja hatte vielleicht Angst, aber das war nichts Neues.
Sie hat schon seit Jahren Angst.
Nachdenklich stieg sie ins Bett, wünschte Theia noch eine Gute Nacht, löschte das Licht und war fast gleich eingeschlafen.

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