Kapitel 6

18 1 0
                                    

„Der Blick des Forschers fand nicht selten mehr, als er zu finden wünschte" ~ Aus „Nathan der Weise" von G. E. Lessing

Ach du Scheiße! dachte Finja, während sie den brennenden Laden betrachtete. Auf der Straße waren zwar nicht viele Leute, aber die die da waren starrten sie jetzt an, auch liefen einige Personen aus den umliegenden Gebäuden nach draußen.
Langsam kam Bewegung in die aufgeregte Menschenmenge. Ein Mann ganz in der Nähe telefonierte lautstark mit der Feuerwehr und gestikulierte dabei wild mit einer Hand.
Finja drehte sich unauffällig um und ging langsam die Straße weiter runter, aber in dem allgemeinen Wusel, schenkte ihr kaum noch einer Beachtung. Sie war schließlich kurz vor der Explosion aus dem Laden gerannt, natürlich sah das verdächtig aus...
Finja war so in ihre Gedanken versunken, dass sie fast den jungen Mann, der an einer Ecke einige Meter vor ihr übersehen hätte. Aber eben nur fast.
Sie blieb wie angewurzelt stehen und starrte ihn an. Es war der Typ von eben, der Kämpfer, der ihr das Leben gerettet hatte. Wie hatte er die Explosion überlebt? Er hatte sich die Maske vom Gesicht gezogen, wahrscheinlich um nicht aufzufallen.
Er fing an zu grinsen, wobei irritierend viele schneeweiße Zähne zu sehen waren, und sagte: „Na das war ja mal knapp, nicht wahr?". Seine Stimme klang etwas herablassend, aber Finja wusste nicht ob das nur ihr galt oder er sich generell so anhörte. „Oh mein Gott... Ich....Sie.... Wer sind Sie? Und was war das da gerade?", brachte Finja hervor.
Der Blonde fing an zu lachen, schon wieder so herablassend, und das machte Finja wirklich sauer. Ist doch egal, dass da gerade ein Haus explodiert ist und scheiß auf die schwarze Kugel, so ein arroganter Idiot! Normalerweise war Finja nicht so, aber die Ereignisse der letzten Viertelstunde haben sie wirklich getroffen. „Ist mir eigentlich auch egal. Ich brauch keine Infos von dir. Nicht von einem der sich die Zähne bleichen lässt", erwiderte sie ebenso arrogant wie er vorher.
Sein Grinsen erstarb und er runzelte etwas die Stirn. „ Woher weißt du das mit dem Bleichen?" Jetzt war Finja an der Reihe spöttisch zu lächeln. „Tja, menschliche Zähne sind von Natur aus eher gelblich"
„Vielleicht bin ich ja kein Mensch"
Finja schluckte. Das war unmöglich. Was sollte er denn sonst sein. Ein Alien? Ein Dämon?
Aber andererseits schien er diese Gestalt aus der Kugel, die auf jeden Fall etwas Nicht-Menschliches war, zu erkennen und er hat es geschafft sie zu besiegen. Wahrscheinlich hat er mir damit das Leben gerettet.
Der blonde Mann hatte wieder angefangen zu lächeln, aber diesmal sah es fast freundlich aus. „Weißt du was? Du bist echt clever, und ich werde dir alles erklären. Aber das geht nicht hier. Ich bringe dich an einen sicheren Ort und dort können wir dann reden, okay?" Finja dachte kurz nach und wägte ihre Möglichkeiten ab. Sollte sie wirklich mit einem Fremden mitgehen? Auch wenn er ihr Leben gerettet hat, sträubte sich alles in ihr, jemandem einfach so zu vertrauen. Aber was wenn diese Gestalt wiederkommt? Und vielleicht noch Freunde mitbringt? Ihre Gedanken wurden wieder unterbrochen: „Du solltest wirklich mitkommen. Sonst kommen sie wieder. Tut mir leid, aber du bist jetzt in diese Sache verwickelt", und allein schon wie er sich unsicher und angespannt umsah, sorgte dafür, dass es Finja kalt den Rücken runterlief.
Sie hatte ein ganz komisches Gefühl bei dieser Sache im Laden gehabt und so kitschig es auch klingt, ihre Gefühle täuschten sie selten. Irgendetwas stimmte hier nicht.
Und das war der Grund warum sie schließlich zögernd nickte.
„Super!", strahlte der Mann, „Ich bin übrigens Billy Miller.",fügte er noch hinzu und streckte Finja die Hand hin. „Finja Stadtler.",antwortete sie unwillkürlich. Billy Hand war überraschend warm und auch sein Lächeln strahlte jetzt mehr Wärme und Sicherheit aus.
Gemeinsam gingen sie weiter, Billy führte Finja durch unzählige kleine Gassen und Straßen. Obwohl sie ihr halbes Leben in Frankfurt gelebt hatte, hatte sie irgendwann die Orientierung verloren.
Sie fühlte sich seltsam. Irgendwie schien alles so unwirklich: die Farben, die Geräusche, die Menschen.
Die Menschen waren am schlimmsten. Finja hatte das Gefühl von allen angesehen zu werden. Was natürlich absoluter Quatsch war, niemand wusste von ihrer Verwicklung in diese Ereignisse. Aber zu viel Aufmerksamkeit war nie gut.
Doch als sie von weither das Martinshorn der Feuerwehrautos hörten, sah Finja kurz zu Billy, der ihren Blick erwiderte, aber sie konnte den Ausdruck in seinen blauen Augen nicht lesen.
Endlich blieb Billy vor einem hübschen Haus stehen. Es war um einiges größer als die normalen Häuser der Mittelklasse, aber die abgeblätterte Farbe an den Wänden und die halb verdursteten Pflanzen zeigen, dass, wer auch immer hier wohnte, entweder nicht oft da war, oder sie nicht um Äußerlichkeiten scherte. Also konnte es schonmal nicht Billy sein, der sich auf dem Weg mindestens dreimal die Haare gerichtet hatte. Jetzt drehte er sich zu Finja um. „Komm, ich stell dir die anderen vor"
Die anderen??

Projekt PandoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt