Kapitel 29

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„Ein gelehrter Dummkopf ist ein größerer Dummkopf als ein unwissender Dummkopf." ~Molière

Rom, Italien
21:53 Uhr Ortszeit

Selbstverständlich hielt ihre Glückssträhne nicht ewig.
Dabei waren sie so weit gekommen: Nach ihrem Erfolg in Houston, sind Clara und Nikolai durch die halbe Welt geflogen um die 13 Könige einzusammeln; das hat sie zwar den ganzen Tag gekostet, aber immerhin kamen sie irgendwann spätabends völlig erschöpft und hungrig (auf dem Weg gab es nur dieses widerliche Flugzeugessen) in Italien an, um den vorletzten Stein zu holen. In die römischen Katakomben zu gelangen war ebenfalls kein Problem gewesen: Wenigstens waren zu so später Stunde keine Touristen mehr unterwegs, so dass sie sich ganz in Ruhe durch die unterirdischen Gänge der italienischen Metropole schleichen konnten. Hier unten war es so düster und modrig und feucht, dass man kaum glauben konnte, dass sich über ihren Köpfen eine der geschäftigsten Städte Europas befand.
Als sie schließlich an ihrem Ziel, einer kleinen Kammer irgendwo unter der Stadtmitte angekommen waren, standen sie schon vor der ersten Schwierigkeit: Die Kyrilien. Aber das konnten sie leicht umgehen, denn Clara sprach die alte, längst vergessene Sprache nahezu perfekt. Der Frau lagen Sprachen einfach, außerdem hatte sie ein Gedächtnis wie ein Elefant.
Im Handumdrehen hatte sie die richtigen Kyrilien in den Stein geritzt und die Schutzzauber aufgehoben. Eilig packte Nikolai den orange fluoreszierenden Stein ein. Jetzt aber schnell weg hier!
Sie wollten schon gehen, als drei Personen ihnen den Ausgang aus der Kammer versperrten: Eine Frau und zwei Männer, alle in denselben dunkelblauen Anzügen gekleidet mit jeweils einem mittelgroßen gelben Kreis auf der Schulter.
Wer war das?
Niemand Gutes das stand schonmal fest.
Die Frau betrachtete sie kurz aus grauen Augen und rief dann ihren Begleitern zu:
„Ils sont là! Arrête-les!", Nikolai verstand kein Französisch, aber die beiden Männer griffen sofort an.
Den ersten konnte er noch mit einer Feuerwand aufhalten, doch der andere Franzose ließ einen Wasserstrahl darauf los, sodass Nikolais Feuer gelöscht wurde.
Clara nahm sich derweil die Frau vor, wobei sie sich aber viel vorgenommen hat, denn Clara schaffte es gerade mal einen elektrischen Blitz loszulassen, bevor sie auch schon von einer unsichtbaren Hand eine einfing.
Was zum...
Diesmal bekam sie einen Fuß in den Magen und musste sich nach vorne zusammenkrümmen, wodurch sie sich aber einen erneuten Fußtritt, diesmal auf den Kopf, einhandelte. Stöhnend ging sie zu Boden.
Es war die Frau. Die Unbekannte machte das. Irgendwie konnte sie ihre Extremitäten auf einer anderen Ebene verlängern. Das hatte den Vorteil, dass man den Angriff nicht kommen sah und die Frau auch weiter weg stehen konnte. Wie jetzt, wenn sie sich außerhalb von Claras Reichweite befand.
Trotz der Schmerzen schaffte es Clara die Frau hochzuheben und gegen einen ihrer Begleiter zu schleudern, der gerade im Begriff war Nikolai von hinten anzugreifen. Dieser lieferte sich allerdings gerade einen Faustkampf mit dem anderen Mann, weshalb er den unfairen Angriff nicht bemerkte.
Als die Frau und der Franzose ineinander krachten, verpasste Nikolai seinem Gegner einen Kinnhaken, hob dessen Beine hoch und warf in mit aller Kraft auf den Boden, wo er mit dem Kopf voran anschlug. Ein hässliches Knacken, aber des Besiegte atmete noch.
Das war ihre Chance!
Clara und Nikolai rannten durch die Tür in die Gänge der Katakomben.
Ihre Feinde hatten sich aber anscheinend wieder gefangen, denn hinter ihnen konnten die beiden Schritte und laute Stimmen, die sich auf Französisch anschrien, hören.
Stumm rannten die beiden den Weg, den sie gekommen waren wieder zurück.
Clara verfluchte sich dafür, dass sie nicht, wie sie sich eigentlich vorgenommen hatte, etwas Gewicht verloren hat; jetzt musste sie dafür bezahlen:
Während sie keuchte und schon nach wenigen Metern kaum noch Luft bekam, musste Nikolai, der nicht mal leicht schwitzt, obwohl er körperlich mehr gekämpft hatte als Clara, auf sie warten. Der Russe lächelte sie zwar dabei an, aber Clara war das Ganze doch sehr peinlich, wie sie völlig durchschwitzt und mit hochrotem Kopf kaum mit Nikolai Schritt halten konnte, und sie schämte sich.
Sie wurde noch etwas röter und legte den Arm über ihren Bauch, aber endlich hatten sie es geschafft: sie waren am Ausgang!
Ihre Verfolger leider ebenfalls.
Nikolai hob den Arm und die Franzosen mussten vor der plötzlich auftauchenden Feuerwand zurückweichen, was Nikolai und Clara wertvolle Sekunden schenkte.
Wahrscheinlich hat das ihnen sogar das Leben gerettet.
Denn schon waren die beiden in den kleinen verwinkelten Gassen Roms verschwunden und die drei Franzosen, die das Feuer mittlerweile löschen konnten, standen perplex vor einem leeren Platz.

Einige Straßenecken weiter entfernt kamen Nikolai und Clara endlich zum Stehen. Die Rothaarige musste sich an einer Mauer abstützen.
„Alles gut?", fragte Nikolai besorgt, doch die Italienerin winkte ab.
„Wer zum Teufel waren diese Leute?", hustete sie stattdessen.
„Ich habe keine Ahnung.", antwortete Nikolai leise und starrte besorgt in die Nacht hinein.

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