19.

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"Lennard warte doch bitte!" rief ich meinem Bruder verzweifelt hinterher als ich ihm folgte. "Warum küsst du Marco?!" fragte er daraufhin so laut als er abrupt stehen blieb, dass ich mich erschrak und es noch viele andere auf den Parkplatz hören konnten. Ich zuckte ein wenig zusammen: "Also ehrlich gesagt hat er mich zuerst geküsst und nicht ich ihn." murmelte ich daraufhin leise. Lennard schüttelte verspottend-lachend den Kopf, während ich nervös auf meiner Unterlippe herumkaute. "Ist es er, mit dem du dich ständig so heimlich triffst? Mir kam es die ganze Zeit schon komisch vor, dass du ständig außer Haus bist und nie wirklich darüber geredet hast." murmelte er. "Man Lennard so wie du denkst ist das alles gar nicht gewesen. Wenn du mich es dir doch erklär-.","Weißt du eigentlich wie schlecht das auf mich zurückfällt wenn du hier mit den anderen aus der Mannschaft einen Fling hast?" warf er mir vor als er mich unterbrach. Ein wenig baff starrte ich meinen Bruder an und bekam einen vorwurfsvollen Blick von ihm zurück. Warf er mir, seiner eigenen Schwester, gerade wirklich vor ein Flittchen zu sein? Er zog plötzlich an seiner Sporttasche die ich fest mit meiner Hand umschlossen hatte und hielt mir seine Hand entgegen: "Schlüssel." forderte er nur kurz angebunden. "Und ich?" fragte ich leise, meine Tränen zurück haltend und mit geballten Fäusten, wie ein kleines Kind. Er zuckte mit den Achseln: "Ist mir relativ egal. Kannst ja Marco fragen, ob er dich mitnimmt. Macht er mit Sicherheit super gerne." sagte er dann bloß. Um den Streit nicht noch weiter zu entfachen ließ ich meine Schlüssel wortlos in seine Handfläche fallen. Nur meine Augen versuchten ihn noch meinen Schmerz und Verzweiflung zu vermitteln, aber er schien es nicht zu sehen, nein er wollte es nicht sehen. Keine zwei Minuten später fuhr er daraufhin vom Gelände und ich trauerte ihm wie ein zurückgelassenes Hündchen hinterher. Ich konnte es einfach nicht fassen. Niemals hätte ich gedacht, dass es ihn so stören würde. Bestimmt fühlte er sich jetzt von mir ausgenutzt und dachte ich hätte es ihm auch noch verheimlicht, aber so war es doch gar nicht. Verletzt hatte er mich dazu auch noch ziemlich, ohne mit der Wimper zu zucken. Enttäuscht ließ ich die Schultern hängen und seufzte. "Es tut mir leid, ich wollte wirklich nicht, dass du Schwierigkeiten mit Lennard bekommst." murmelte Marco plötzlich hinter mir und legte behutsam seine Hand auf meine Schulter. Ich verharrte ein paar Sekunden in denen ich nachdachte, drehte mich aber dann zu ihm um und konnte meine Tränen, so sehr ich es auch wollte, nicht mehr zurückhalten. Tatsächlich nahm er mich in seine Arme und streichelte behutsam meinen Rücken, während ich ohne darüber nachzudenken in seine Halsbeuge weinte. Es schreckte ihn jedoch gar nicht ab, obwohl ich es ihm nicht übel genommen hätte. "Du kannst nichts dafür." sagte ich ein wenig gefestigter, nach ein paar Sekunden und schaute zu ihm hoch während ich schniefte. Er überwindete sich zu einem vorsichtigen Lächeln und wischte fürsorglich mit seinem Daumen meine restlichen Tränen weg und in der gleichen Bewegung meine vorderste Haarsträhne hinters Ohr. „Der kriegt sich schon wieder ein, keine Sorge." versuche Marco mich erneut zu beruhigen. Ich zuckte mit den Achseln: "Ehrlich gesagt verstehe ich ihn gar nicht. Ist doch nicht sein Bier. Er hätte aber schon irgendwie etwas netter zu mir sein können." wendete ich ein wenig grübelnd ein. Marco nickt und konnte sich ein Grinsen nun auch nicht mehr verkneifen. Nachdem ich erstmal kränklich in mein Taschentuch nieste kam mir ein mehr oder weniger kleiner Geistesblitz: "Du Idiot. Jetzt wirst du bestimmt auch krank." Marco rollte spielerisch seine Augen: "Ja genau, über so etwas denke ich ja auch vor impulsiven Aktionen nach, du Spinnerin." sagte er übertrieben. "Spinnerin?" fragte ich mit einem grinsendem Kopfschütteln. Er zuckte grinsend mit den Schultern. Als ich mich umsah, waren Jenny und Marcel übrigens wie vom Erdboden verschluckt. Irgendwie ließen mich meine Gedanken nicht los. Warum musste Lennard denn so reagieren? Natürlich konnte ich irgendwo verstehen, dass er sauer darauf war, dass ich mit seiner größten Bezugsperson aus der Mannschaft anscheinend vor ihm herum geknutscht hatte. Ich fühlte mich schuldig und hatte das Gefühl ihm in den  Rücken zu fallen. Gleichzeit waren seine Worte so verletzend, dass sie immer noch in meinen Ohren erschallten. Sogar ohne, dass ich an sie dachte. "Yve? Hast du gehört was ich gesagt habe?" holte Marco mich wieder zurück in die Realität. Ich schüttelte schnell den Kopf: "Nein.","Ob ich dich mit nehmen soll?" wiederholte er die Frage. "Ich kann auch laufen." winkte ich ab. Marcos Stirn legte sich in Falten: "Ganz sicher nicht, komm. Mein Auto steht dahinten. Wenn du wüsstest wie weit das wäre, würdest du laufen. Da wärst du ja übermorgen noch unterwegs." lächelte er. "In Ordnung." schmunzelte ich und lies mich kurz darauf auf den Sitz seines Sportwagens plumpsen. Ich wollte eigentlich gar nicht über diesen Kuss nachdenken, geschweige denn über das was er in mir ausgelöst hatte. Am liebsten hätte ich es totgeschwiegen. Vergessen. Aber hätte ich es ungeschehen machen wollen? Bestimmt nicht. Irgendwie fühlte ich mich bei ihm immer so wohl und aufgehoben. Ein Kuss war ja wohl nicht die Rede wert. "Soll ich mal mit deinem Bruder Reden?","Nein, alles gut. Ich weiß nicht was er hat. Ich glaube er ist nicht sauer auf dich, eher auf mich. Verstehen kann ich es trotzdem nicht.","Ja aber vielleicht, wenn ich mit ihm rede, dann-","Marco, du machst es schlimmer als es ist. Keine Sorge, das kriege ich wieder hin." unterbrach ich ihn. Marco seufzte unzufrieden, als würde es ihn ärgern. Vielleicht bereute er mittlerweile auch den Kuss schon wieder. Manchmal sagte man ja, so ein Kuss verkomplizierte alles und genau das waren jetzt die Auswirkungen. Es wäre auf jeden Fall besser so wenn es nur impulsiv war und nicht wirklich ernst gemeint, dachte ich mir. Denn dann hatte ich bestimmt die Chance, dass mir Lennard noch einmal verzeihen würde. Marco hielt vor unserer Einfahrt und lächelte mir zu, als wir uns verabschiedeten. Ich bedankte mich und winkte ihm noch einmal zu bevor er davon brauste. In diesem Moment kam mir eine Frage in den Kopf. Wollte ich selbst denn Kuss überhaupt bereuen?


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