47.

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Ein lautes Krachen ließ mich aus meinen Tagträumen erwachen. Jenny, die gerade ihre Lieblingstasse hat fallen lassen, schaute trauernd zu Boden. Natürlich war sie zerbrochen, in mehrere Einzelteile. 
Ich sprang schnell von meinem Stuhl auf und holte Kehrblech und Handfeger, um die Scherben aufsammeln zu können. Vielleicht waren die Scherben ja ein Sinnbild für die letzten paar Monate hier in Dortmund. Alles war so neu und aufregend, bis es dann zerbrach. Ich öffnete den Mülleimer und ließ die Scherben mit einem lauten Klirren hinein fallen. "Tut mir leid." murmelte Jenny und fuhr sich durchs Gesicht. "Du musst dich nicht bei mir entschuldigen" lachte ich: "Es war doch deine Lieblingstasse und Scherben, ja, die bringen bekanntlich Glück." fügte ich schmunzelnd hinzu. "Ich bin nur so aufgeregt. Ich hätte niemals gedacht, dass wir beide diesen Sportladen kaufen und endlich das Potential ausschöpfen kann, das die Lage mit sich bringt." Ich stimmte ihr zu und füllte derweil Tee in Zwei Tassen. Die Pläne lagen neben mir auf dem Küchentisch. Jennys Mann hatte uns für verrückt erklärt. Sportläden, die gebe es doch in Dortmund wie Sand am Meer. Da hatte er aber nicht mit seiner Frau gerechnet. Unser kleines Lädchen wird das einzige Partnergeschäft des Vereins mit sonder Fanartikeln und Attraktionen. Da hatten wir zwei im letzten Monat viel Zeit und Wille hineingesteckt. Übermorgen werden wir schon öffnen. "Lennard ist ganz stolz darauf, dass ich endlich beruflich etwas mache wo ich wirklich für brenne." grinste ich meine beste Freundin an. Sie nickte: "Wo wir für brennen. Niemals hätte ich gedacht, dass daraus Realität wird, als ich gesagt habe der Laden hat Potential, damals als ich dich dort besucht habe." Ich hatte in den letzten Monaten viel Geld zu Seite gelegt. Schließlich wollte ich ausziehen und nicht mehr mit meinen Eltern in einer Wohnung zusammen leben mit Ende zwanzig. Das hatte ich aber jetzt wieder nach hinten geschoben, denn mein gesamtes Erspartes ging für den Laden drauf. "Als wäre der Inhaber mit deiner Hilfe insolvent geworden." zwinkerte ich ihr zu. Empört schüttelte sie ihren Kopf. Ich seufzte laut als sie die Pläne zur Seite legte und mich vorsichtig anlächelte. Als hätte sie geahnt worum es geht, suchte sie schon nach den passenden Worten. "Es tut mir wirklich leid, dass es mit Marco und dir nach dem ganzen Müll doch nicht geklappt hat." murmelte sie dann verständnisvoll. Ich lächelte: "Ach, vielleicht war das auch richtig so. Im Endeffekt kam es ja von ihm und wir sind nicht im Streit auseinander gegangen. Es hat halt nicht funktioniert, weil ich gar nicht wusste, wo mir der Kopf stand. Lennard und meine Mutter reden seit Wochen nur noch sporadisch miteinander, Leon ist nun auch nicht mehr mit Lennard befreundet und hat sich ganz zurück gezogen, ich habe zwar Gefühle für ihn, aber kann es ihm nicht zeigen. Ich stehe mir selbst im weg." erklärte ich und beobachtete dabei den Rest Tee in meiner Tasse, den ich herumschwenkte. "Apropos Marco, ich muss später noch zu ihm." fügte ich kleinlaut hinzu. Jenny warf mir einen fragenden Blick zu: "Wieso?","Lennard hat doch Morgen Geburtstag und wir hatten von Anfang an vor etwas für ihn auf die Beine zu stellen. Ist zwar jetzt total kurzfristig, aber wir brauchten ja auch erstmal Abstand und Zeit für uns nach der Trennung." erklärte ich ihr. "Sag mal, willst du nicht morgen auch kommen, damit ich nicht alleine bin." grinste ich. Jenny nickte begeistert: "Ja klar, wieso nicht? Marcel kommt doch auch und ich war schon ewig nicht mehr mit ihm aus." freute sie sich. Wir schlugen miteinander ein. Danach musste ich mich wohl oder übel von meinem gemütlichen Plätzchen in ihrer Küche aufrappeln. Ich verabschiedete mich und saß kurze Zeit später in meinem geparkten Auto vor Marcos Wohnung. Mein Herz schlug wie verrückt in meiner Brust. "Es war besser sich zu trennen." erinnerte ich mich leise selbst und stieg dann doch aus meinem Auto aus. Es musste ja sein.
Ich weiß nicht wie oft ich in den letzten Monaten mit dem selben Gefühl vor seiner Tür stand. Irgendwie war mir immer mulmig zu mute wenn ich hier war und kurz davor war, seine Klingel zu betätigen. Ich verband es immer mit etwas schlechten. Nicht jedes Mal als ich bei Marco war war es schlecht, manchmal und besonders am Anfang war es wunderschön, aber irgendwann schlichen sich diese schlechten Ereignisse und dummen Entscheidungen in unsere Liebesgeschichte ein. Wie unfair.
Verwundert über die ganzen Kartons die in seiner Wohnung standen, trat ich über die Trschwelle und begrüßte ihn mit einem Lächeln. "Willst du etwas trinken?" fragte er höflich wie immer. ich schüttelte meinen Kopf: "Nein, danke. Ich hatte gerade noch Tee." lächelte ich und folgte ihm in sein Wohnzimmer. "Haben du und Jenny die über letzten Entscheidungen für eure Ladeneröffnung gegrübelt?" schmunzelte er interessiert. Die Initialzündung zum Shop gab uns tatsächlich Marco. Bei einem Pärchenabend. Kurz bevor wir uns getrennt hatten. Ich nickte: "Ziehst du aus?" fragte ich immer noch irritiert. Marco schaute sich in seiner eigenen Wohnung um und kratzte sich an seinem Hinterkopf, so als hätte er die Kisten nicht selbst befüllt. "Ja ich ziehe um. Hier sind zu viele schlechte Erinnerungen." erklärte er leise. Ich nickte und konnte es sogar verstehen. Scarlett, die ihr Kind mittlerweile geboren hatte, hatte hier schließlich mit ihm zusammen gewohnt. Natürlich stellte sich nach der Schwangerschaft heraus, das Marco wirklich nicht der Vater des Kindes war. Marco räumte für unsere Planungssession schnell seinen Esstisch frei. Es war eigentlich ganz angenehm zwischen uns. Kein schlechtes Blut und auch keine Wut herrschte zwischen uns. Wir lachten sogar sehr viel. Irgendwann kamen wir dann auch zum Glück auf einen Nenner. "Okay, dann machen wir es so. Wir gehen in diesen Club, ich miete da einen Tisch und du fährst ihn, ohne das er eine Ahnung hat, dorthin. Wir warten da." holte sich Marco zum Abschluss nochmal eine Bestätigung von mir ein. Ich nickte grinsend: "Ja der Klassiker also." Marco nickte ebenso. "Und wegen der Bezahlung-" begann ich, doch wurde schnell von meinem Gegenüber gebremst: "Mach dir darüber keinen Kopf. Das übernehme ich." Ich wollte ihm gerade widersprechen und protestieren, da legte er seine Hand auf meine und lächelte sanft: "Nimm es als Geschenk, meinetwegen für deine Ladeneröffnung übermorgen." bestand er. Ich seufzte und willigte schlussendlich ein. 
Nach einer kurzen Verabschiedung war ich dann doch froh, wieder im Auto zu sitzen. Bevor ich losfuhr, drehte ich das Radio richtig auf, mein Lieblingslied lief. Doch es wurde plötzlich von dem Nachrichtensprecher unterbrochen: "Eilmeldung meine lieben Dortmunder, unser Capitano verlässt jetzt passend zum Saisonende doch den Verein. Ein Wechsel nach England ist wahrscheinlich." Mein Herz fühlte sich an als hörte es jetzt sofort auf zu Schlagen vor Schreck. 

SchmetterlingseffektWo Geschichten leben. Entdecke jetzt